Der schwere Weg der Synodalität

Mit einer richtungsweisenden Entscheidung ist am Samstag die Vierte Vollversammlung des Synodalen Wegs zu Ende gegangen. Die Mehrheit der Synodalen stimmte für einen „Synodalen Ausschuss“. Dieser soll nach Ende des Synodalen Wegs im März 2023 die noch ausstehenden Texte bearbeiten und über diese entscheiden. 87 Prozent der Bischöfe waren ebenfalls dafür. Damit sind bei dem Treffen viele wichtige Entscheidungen getroffen worden. Zugleich war die Stimmung während der Tage von Frankfurt angespannt. Vor allem von eher konservativen Vertreterinnen und Vertretern, darunter Bischöfe und Laien, war wiederholt von großem Druck die Rede. Dieser werde im Prozess aufgebaut, um möglichst viele Beteiligte auf Reformkurs zu bringen. Jenseits aller Mühen geht von Frankfurt das Signal aus, dass Veränderungen möglich sind. Nach Rom geht das Signal, dass sich die Kirche in Deutschland Debatten nicht verbieten lässt.

Die Bischöfe haben untereinander einen großen Gesprächsbedarf. Das wurde in den Tagen von Frankfurt einmal mehr deutlich. (Quelle: Erbacher)

„Synodaler Ausschuss“ beschlossen

Die Vierte Synodalversammlung des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland hat gezeigt, dass es noch ein langer Weg ist, bis eine Debatte auf Augenhöhe von Bischöfen und Laien möglich ist, bis zur Akzeptanz gleichberechtigter Entscheidungen wohl sogar noch ein längerer. Die Tage von Frankfurt haben auch deutlich gemacht, dass es fahrlässig ist, den Weihbischöfen innerhalb der Bischofskonferenz zu wenig Beachtung zu schenken. Sie machen immerhin 60 Prozent der Bischofskonferenz aus. Würden nur die Ordinarien abstimmen, wäre an vielen Stellen die Zweidrittelmehrheit leichter zu erreichen, so ein Diözesanbischof.

Mit Blick auf den neuen „Synodalen Ausschuss“ erklärte der Münchner Kardinal Reinhard Marx, man sei auf dem Weg, das Verhältnis von Episkopat und Synodalität zu erkunden. „Das geht nur auf dem Weg und nicht durch Texte, wie etwa den der Theologenkommission, so wichtig er ist“. In diesem Sinne ist der „Synodale Ausschuss“ zu verstehen. Dieser soll am Ende in ein Gremium münden, das verbindliche Entscheidungen für die Kirche in Deutschland fassen kann. Es soll besetzt sein mit Mitgliedern der Bischofskonferenz, des ZdK und einer bestimmten Zahl von berufenen Mitgliedern. Gegen ein solches Gremium gab es im Vatikan große Bedenken, weil man hier die bischöfliche Macht beschnitten sieht. Nicht zuletzt deshalb hat das zuständige Forum seinen Vorschlag abgemildert und nicht sofort die Einrichtung eines „Synodalen Rates“ angeregt, der bindende Entscheidungen treffen kann. In der Versammlung wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass mit der Einrichtung dieses neuen gemeinsamen Gremiums von Bischöfen und Laien bestehende Gremien überprüft und gegebenenfalls abgeschafft werden müssten.

Wie bringen sich Konservative ein?

Aufmerken ließ am Samstagmorgen eine Eingabe des Aachener Bischofs Helmut Dieser. Er betonte, dass die konservativen Stimmen in der Versammlung wichtig seien, die Vertreter dieser Positionen jedoch „ihre Sache nicht gut genug“ machten. Er erlebe sehr oft von konservativer Seite Polemik, selbstreferentielle Klagen, Argumente, die auf Verzögerung setzten oder die auf eine Verlagerung „irgendwohin“ zielten. „Das genügt nicht. Wir brauchen dialogfähige, anschlussfähige, gute Argumente“, so Bischof Dieser. Die Eingabe des Aachener Bischofs macht auf ein Problem des Synodalen Wegs aufmerksam: Wie kommt die Minderheitenmeinung der Konservativen in der Versammlung und den Dokumenten vor? Die konservativen Vertreter fühlen sich nicht wahr- und ernstgenommen. In den Foren könnten sie nur kosmetische Änderungen an den Texten einbringen und blieben deshalb meist fern, so ein Bischof dieser Gruppe.

Insgesamt hat auch die Vierte Synodalversammlung gezeigt, dass das Verfahren große Schwächen hat. Das betrifft etwa die Möglichkeit, den Dokumenten und Texten Minderheitenvoten anzufügen. Das ist nicht vorgesehen, hätte aber sicher zur Entspannung der Debatten beitragen können. Die Tatsache, dass Enthaltungen als „nicht anwesend“ gezählt werden, so dass sich die prozentuale Verteilung von Zustimmung und Ablehnung nur an den Ja- und Nein-Stimmen orientieren, führen zu einer Schieflage in der Wahrnehmung. So haben etwa bei der Frage der Einrichtung des „Synodalen Ausschusses“ 59 Bischöfe abgestimmt, 43 mit Ja, sechs mit Nein und zehn haben sich enthalten. Nach dem praktizierten Verfahren haben 87 Prozent zugestimmt, rechnet man die Enthaltungen mit ein, wären es nur knapp 73 Prozent gewesen. Das sind zwar noch immer mehr als Zweidrittel, doch die Zahl relativiert sich etwas. Ein weiteres Problem ist, dass die Synodalen Zeit bei der Aussprache brauchen. Eine Minute Redezeit ist zu kurz. Nach dem Schock vom Donnerstag wurde bei den beiden großen Texten zu Frauen und dem „Synodalen Ausschuss“ die Zeit auf zwei Minuten ausgeweitet. Das tat der Debatte gut.

Stresstest bestanden

Das Präsidium zog zum Abschluss eine positive Bilanz. Nach Ansicht von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp zeigte sich die Versammlung lernfähig. Allerdings, so die Co-Präsidentin des Synodalen Wegs, „wir haben Schmerzgrenzen erlebt.“ Sie spielte damit auf die Abstimmung des Grundlagentextes zur Sexualethik an, der die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht erzielte. Bischof Georg Bätzing bezeichnete die Ablehnung als schmerzlich. Sein Fazit fiel dennoch positiv aus: „Wir haben sieben positive, wichtige Entscheidungen getroffen, die das Handeln der Kirche in Deutschland verändern werden.“ Die Bischöfe werden, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, die Ergebnisse der Beratungen nach Rom und in die Weltkirche zur Diskussion tragen. Beim Ad Limina-Besuch im November werden die Bischöfe Gelegenheit haben, mit den Kurienvertretern und dem Papst darüber zu diskutieren. Ein gemeinsames Gespräch des Präsidiums des Synodalen Wegs mit Franziskus und seinen Kurialen ist weiter nicht in Sicht.

Synodalität ist kein leichtes Unterfangen. Je konkreter und verbindlicher die Entscheidungen werden, umso schwieriger wird das Ringen um einen Konsens. Der Synodale Weg hat den Stresstest bestanden. Am Ziel ist er noch lange nicht. Solange die Menschen vor Ort keine Veränderungen spüren, bleiben die Beschlüsse von Frankfurt tote Texte.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.