Papst auf Malta – scharfe Kritik am Krieg in der Ukraine

Zum Auftakt seines Wochenendbesuchs auf Malta hat Papst Franziskus erneut die Invasion Russlands in der Ukraine verurteilt. Beim Treffen mit Vertretern aus Politik, Diplomatischem Korps und Zivilgesellschaft sprach er von einer „infantilen und zerstörerischen Aggression, die uns bedroht, angesichts der Gefahr eines ‚erweiterten kalten Krieges‘, der das Leben ganzer Völker und Generationen ersticken könnte“. Ohne den Namen des russischen Präsidenten zu nennen, stellte er fest, dass „wieder einmal einige wenige Mächtige, die leider in den anachronistischen Forderungen nationalistischer Interessen gefangen sind, Konflikte provozieren und schüren“. Beim Flug von Rom nach Malta schloss der Pontifex eine Reise nach Kiew nicht aus. „Ja, das liegt auf dem Tisch“, antwortete er auf die Frage eines Journalisten.

Begeisterter Empfang für Papst Franziskus am Abend auf Gozo. (Quelle: ap)

Abrüstung in Mittelpunkt der Politik stellen

„Wir dachten, dass Invasionen aus anderen Ländern, brutale Straßenkämpfe und atomare Bedrohungen dunkle Erinnerungen an eine ferne Vergangenheit seien.“ Die Worte von Papst Franziskus zum Ukrainekrieg nehmen an Schärfe zu. Auch wenn er weiter vermeidet, den russischen Präsidenten beim Namen zu nennen, ist klar, wen er mit seinen klaren Worten im Blick hat. Wenn der Pontifex von „infantiler und zerstörerischer Aggression“ spricht, klingt das wenig diplomatisch, und wenn er fortfährt ist klar, wen er meint. Dieser Infantilismus komme „in den Verlockungen der Autokratie, in neuen Imperialismen, in weit verbreiteter Aggression, in der Unfähigkeit, Brücken zu bauen und bei den Ärmsten anzufangen, überheblich wieder zum Vorschein“.

Franziskus zeigte sich überzeugt, der Krieg habe „sich seit langem zusammengebraut, mit großen Investitionen und Waffengeschäften“. Er beklagte, dass der Enthusiasmus für den Frieden, der nach dem Zweiten Weltkrieg aufgekommen sei, in den vergangenen Jahrzehnten ermattet sei. Kritisch sieht er mit Blick auf die internationale Gemeinschaft, dass „einige wenige Mächtige eigenmächtig auf der Suche nach Raum und Einflusszonen voranschreiten“. So seien nicht nur der Frieden, „sondern auch viele wichtige Themen wie der Kampf gegen Hunger und Ungleichheit von den wichtigsten politischen Agenden faktisch verdrängt worden“. Franziskus fordert dazu auf, dass es wieder mehr internationale Friedenskonferenzen geben müsse, auf denen das Thema Abrüstung im Mittelpunkt stehen müssten. „Und die enormen Mittel, die nach wie vor für die Rüstung ausgegeben werden, mögen in Entwicklung, Gesundheit und Ernährung umgesetzt werden.“

Migration braucht „europäische Mitverantwortung“

Auch für die Malteser hatte Franziskus eine deutliche Botschaft. Beim Treffen mit den Politikern forderte er mehr Einsatz gegen Korruption und kritisierte Raffsucht, Geldgier und Bauspekulationen. Der Papst würdigte den Einsatz Maltas für Migranten und forderte eine „umfassende, gemeinsame Antwort“. Der Mittelmeerraum brauche eine „europäische Mitverantwortung“. Das Migrationsphänomen kennzeichne die gegenwärtige Epoche. „Es bringt die Schuld vergangener Ungerechtigkeiten, vieler Ausbeutungen, des Klimawandels und unglücklicher Konflikte mit sich, für die wir jetzt die Konsequenzen tragen.“ Abschottung bezeichnete er als anachronistisch, „denn in der Isolation wird es keinen Wohlstand und keine Integration geben“. Kritisch sieht Franziskus die Rückführungsabkommen, die etwa mit Libyen getroffen wurden. „Zivilisierte Länder können nicht zu ihrem eigenen Vorteil undurchsichtige Abkommen mit Verbrechern abschließen, die Menschen versklaven.“

Am Abend feierte der Papst einen Gottesdienst beim Marienwallfahrtsort Ta‘ Pinu. Dabei ermutigte er die Malteser, die aktuell ebenfalls in einem Synodenprozess stecken, zu Veränderungen. Es gehe um „eine Kirche, für die das Zeugnis im Mittelpunkt steht und nicht die ein oder andere religiöse Gewohnheit; eine Kirche, die mit dem Licht des Evangeliums auf alle zugehen und kein geschlossener Kreis sein will“. Dabei hatte er auch zwei Warnungen parat. Zum einen gehe es bei der Rückbesinnung auf die Ursprünge der Kirche nicht darum, die ersten christlichen Gemeinschaften zu kopieren. Man könne nicht die Geschichte überspringen, „als ob der Herr nicht auch in späteren Jahrhunderten große Dinge im Leben der Kirchen kundgetan und gewirkt hätte“. Zu den Ursprüngen zurückzukehren bedeute vor allem, „den Geist der ersten christlichen Gemeinschaft wieder zu wecken, d.h. zum Wesentlichen zurückzukehren und die Mitte des Glaubens wiederzuentdecken: die Beziehung zu Jesus und die Verkündigung seines Evangeliums an die ganze Welt. Das ist das Wesentliche!“ Die zweite Mahnung bezog sich auf das Miteinander der Gläubigen. Sie seien eine Familie. „An den Anfang zurückzukehren bedeutet auch, eine Kultur der Annahme zu entwickeln.“ Er entwickelte den Gedanken mit Verweis auf die Szene unterm Kreuz, als Jesus am Kreuz Johannes und Maria sich gegenseitig anvertraut. So sollten sich die Christen heute gegenseitig annehmen. „Ohne Verdächtigungen, Spaltungen, Gerüchte, Klatsch und Misstrauen. Macht eine ‚Synode‘, d.h. ‚geht gemeinsam‘“.

Die Mühen des Amts

Franziskus machte sich am Ende einer anstrengenden Woche auf den Weg nach Malta. Die vergangenen Tage waren voller Audienzen, darunter die herausfordernden Begegnungen mit den Ureinwohnern Kanadas. Dem Papst waren am Samstag die Mühen des Amts anzusehen. Erstmals nutzte er am Flughafen einen Lift und nicht die Gangway beim Ein- und Aussteigen. Das Gehen fällt ihm schwer, jede Treppenstufe stellt eine erkennbare Hürde dar. Er lässt sich von diesen körperlichen Bürden nicht bremsen. Ein Besuch in Kiew schloss er nicht aus. Eine Reise nach Afrika ist bereits bestätigt für Anfang Juli, Franziskus selbst sprach gestern von einem Besuch in Kanada Ende Juli. Die Spekulationen über ein Treffen in diesem Jahr mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. reißen trotz Krieg nicht ab. Dieses wäre auch mit einer Reise verbunden, denn es müsste auf „neutralem Boden“ stattfinden. Trotz der Mühen zeigt sich Franziskus nicht amtsmüde. Er hat noch viel vor.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • Wanda
    04.04.2022, 17:55 Uhr.

    Ob Franziskus amtsmüde ist oder nicht, wer weiss das schon ? Jedenfalls bemerkenswert die recht drastischen Äusserungen Woelkis, der Papst sei alt und realitätsfremd…

    • Wanda
      06.04.2022, 19:29 Uhr.

      Zur Ergänzung: Patriarch Kyrill als Gesprächspartner Franziskus‘ besteht nach wie vor darauf „Russland sei friedliebend und habe keinen Drang nach Krieg“… Was soll man davon halten ? Vielleicht liegt der zu recht umstrittene Kardinal Woelki doch nicht so ganz daneben mit seiner Aussage über den Papst ?

  • Wanda
    10.04.2022, 23:57 Uhr.

    Kommentare zu Kanada deaktiviert ? Interessant…

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      11.04.2022, 8:51 Uhr.

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