Gebet statt Waffen

Angesichts des „grausamen und sinnlosen Kriegs, der die Welt bedroht“, so die Worte von Papst Franziskus am Freitagabend, hat sich der Pontifex für eine besondere Geste entschieden. Er weihte im Petersdom die Ukraine und Russland dem „unbefleckten Herzen Mariens“, das heißt er bat um den besonderen Schutz der Gottesmutter für die beiden Nationen sowie die ganze Menschheit. Die Geste wirkt auf manche Beobachter antiquiert. Mit ihren historischen Bezügen ist sie auch nicht unproblematisch. Doch der Papst hat keine anderen Waffen als Worte, Gesten und das Gebet. Franziskus versucht diese möglichst friedensstiftend einzusetzen. Zudem gilt, wer wenn nicht der Papst muss auf die Kraft des Gebets vertrauen.

Papst Franziskus am Abend beim Gottesdienst im Petersdom. (Quelle: dpa)

„Menschlichkeit verloren“

Weltweit schlossen sich Bischöfe der Initiative des Papstes an und feierten am Freitagabend Gebetsgottesdienste für ein Ende des Kriegs in der Ukraine. Der Petersdom war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Papst Franziskus am Ende des Bußgottesdienstes, den er traditionell in der Fastenzeit feiert, die Marienweihe vollzog. Einmal mehr sparte der Pontifex nicht an deutlichen Worten, kritisierte, dass die Menschheit sich „in nationalistischen Interessen verschlossen“ habe, dass sie es vorgezogen habe, „mit unseren Lügen zu leben, Aggressionen zu nähren, Leben zu unterdrücken und Waffen zu horten“. Auch hätten die Menschen „die Lehren aus den Tragödien des letzten Jahrhunderts und das Opfer der Millionen in den Weltkriegen Gefallenen vergessen“, beklagte Franziskus. „Wir haben die Menschlichkeit verloren, wir haben den Frieden verspielt. Wir sind zu aller Gewalt und Zerstörung fähig geworden.“

Die Marienweihe war in der Vergangenheit immer wieder mit nationalistischen Zügen verbunden, weil es darum ging, ein konkretes Land unter den Schutz Mariens zu stellen. Indem Franziskus am Freitag sowohl das russische als auch das ukrainische Volk in sein Gebet aufnahm, hat er einem einseitigen Verzwecken der Muttergottes vorgebeugt. Maria hat gerade in der orthodoxen Spiritualität einen hohen Stellenwert. Daher findet das Vorgehen des Papstes durchaus Beachtung. Er bewahrt mit der Einbeziehung beider Länder auch ein Stück weit seine Neutralität, auch wenn er an seiner Haltung zum Krieg und der Frage, wer Angreifer und wer Angegriffener ist, keinen Zweifel lässt.

Fährt der Papst nach Kiew?

In den vergangenen Tagen wurden Stimmen laut, Papst Franziskus solle zwischen Russland und der Ukraine vermitteln. Präsident Selenskyj hatte zuletzt nach einem Telefonat mit dem Kirchenoberhaupt davon gesprochen. Er hatte Franziskus zudem zu einem Besuch nach Kiew eingeladen. Auch das russische Außenministerium begrüßte am letzten Wochenende die Vermittlungsbemühungen des Vatikan. Franziskus hat sich immer wieder als Brückenbauer betätigt. Das ist auch in der aktuellen Situation nicht ausgeschlossen. Bei aller Diskretion der vatikanischen Diplomatie wäre ein Besuch in Kiew ein starkes Zeichen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

20 Kommentare

  • Andreas
    27.03.2022, 18:47 Uhr.

    Ein Reise nach Kiew wäre nicht schlecht. Ein noch stärkeres Zeichen wäre es, wenn Papst Franziskus nach Mariupol fahren würde. Ein Mann, der ohne Waffen kommt und sich symbolisch an die Seite von Menschen stellt, die zur Zeit den Kreuzweg pur erleben müssen. Alle Welt würde nach Miriupol schauen, das Elend dort würde ins Bild gebracht, vielleicht auch für die Bürger Russlands. Zudem bestände auch die Chance, dass für die Besuchszeit die Waffen schweigen. Abzuwägen wäre freilich aus vatikanischer Sicht, ob ein Papstbesuch (in der Ukraine überhaupt) die Rolle als Vermittlungsinstanz nicht erschweren oder unmöglich machen würde. Mithin würde er in einer Gegenposition zum Moskauer Patriarchen Kyrill wahrgenommen, der mehr oder weniger offen auf der Seite Putins agiert.

    • Heilbründl
      28.03.2022, 11:03 Uhr.

      Ich stimme Ihnen zu!

    • Wanda
      01.04.2022, 1:06 Uhr.

      Als Verteidiger des „wahren Glaubens“ setzte die röm.-kath. Kirche und ihre mehr als weltlich gesinnten Päpste sehr viel öfter auf Waffen anstelle von Gebeten. Das trifft auch auf ihre Missionierungen zu. Wer deren Segnungen nicht so recht einsah, dem wurde der Scheitel mit dem Schwert gezogen. Auf diese Weise geriet z.B. ganz Lateinamerika zu röm.-kath. Erblanden, auch wenn es derzeit erheblich unter evangelikalem Konkurrenzdruck steht und immer mehr an Boden verliert…

  • Heilbründl
    28.03.2022, 6:54 Uhr.

    Ich hatte diese geforderte Weihe an Russland immer für Propagandra der Ultrakatholischen gehalten und nicht etwas, was tatsächlich stattfinden könnte.
    Ich weiß nicht, was das Ganze soll – für mich ist das ein abstoßendes Ritual.

    • Silvia
      29.03.2022, 14:11 Uhr.

      Die Weihe von Ländern „an das unbefleckte Herz Mariens“ ist ein Ritual, das auch schon frühere Päpste vollzogen haben, meist wohl in Krisensituationen. Damit wird das jeweilige Land und seine Bevölkerung unter den mütterlichen Schutz der Muttergottes gestellt.

      Die Päpste bis hin zu Franziskus waren und sind große Marienverehrer.

      Ich habe die Zermonie und den vorher stattfindenden Bußgottesdienst per Lifestream mitverfolgt. Daran war absolut nichts Abstoßendes.

      Dass der Papst beide Kriegsparteien Maria ans Herz gelegt hat, betrachte ich einerseits als Akt der Diplomatie, andererseits aber auch als Akt der Menschlichkeit, denn die russischen Soldaten, die in diesen Krieg geschickt, verwundet und getötet werden, haben auch Eltern Frauen und Kinder die um sie weinen, genau wie die ukrainischen Soldaten.

      Ich finde es auch klug, dass sich der Papst seine Tür zu Kyrill offen hält, nur so sind weitere, vermittelnde Gespräche möglich.

      Die Marienweihe haben übrigens alle deutschen Bischöfe (und wahrscheinlich alle weltweit) auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes zeitgleich in ihren Bischofskirchen mit vollzogen, auch die „ultramoderen“ Bischöfe.

      • Novalis
        29.03.2022, 23:21 Uhr.

        Welche Bischöfe sind denn „ultramoder“ (wahrscheinlich ist ultramodern gemeint)?

        • Silvia
          30.03.2022, 22:02 Uhr.

          „ultramodern“, so sollte es tatsächlich heißen, hatte ich bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil von mir ironisch gemeint in meiner Antwort an @ Heilbründl weil sie von Ultrakatholischen sprach.

          Wobei ich mich frage, was Ultrakatholische sein sollen.

          Bzgl. der von den deutschen Bischöfen mit vollzogenen Weihe an Maria könnte man natürlich neutral sagen, alle haben, entsprechend dem Wunsch des Papstes, mitgemacht, nicht nur die besonders konservativen, auch die eher liberalen.

          • ZufälligerGastleser
            31.03.2022, 14:33 Uhr.

            Mediengängige Vokabel für die einschlägige und immer weiter bis zu ehemaligen Normal- und Mittepositionen, schlichtweg bislang lehramtlicher Katholizität, ausgeweitete Schublade ist ja das „Erzkatholische“, dem im redaktionellen Deutsch anscheinend keine ähnlich kritische und pejorative Kennzeichnung der gegenteiligen Verortung entspricht, was die durchweg einseitige Parteinahme deutlichst anzeigt. Von „Radikalreformern“ las und liest man kaum je, geschweige denn von „Modernisten“ oder „Ultraprogressiven“. Der mineralogischen Erz-Metapher einer Erstarrung und Verhärtung bei jenen entspräche Verflüssigung und Verdunstung bei diesen. Gradezu beispielhaft Kardinal Marxens Diktum, „der Katechismus ist nicht in Stein gemeißelt“. Übrigens gibt es nicht nur Versteinerung oder Verflüssigung, sondern auch Verbiegung, Verengung und Verkrümmung. Und da denke ich nicht nur „in catholicis“ an die Deformationen einer sich alternativlos verstehenden Mitte, die ebenso ihre Extremismen, z.B. einer „ultraliberalen Diskursstenose“, ausprägt – vielleicht „Ultrazentristen“?

            • ZufälligerGastleser
              01.04.2022, 8:56 Uhr.

              Bzw. das „Erzkonservative“

          • Heilbründl
            31.03.2022, 19:01 Uhr.

            Ultrakatholisch:
            Wer auf gloria.tv postet, an das Buch der Wahrheit und sonstige Offenbarungen glaubt, meint nur wer die traditionelle Messe besucht ist ein guter Katholik etc.

            • Silvia
              01.04.2022, 16:20 Uhr.

              @ Heilbründl,

              diesen Personenkreis zähle ich persönlich zu den Traditionalisten, also zu dem Kreis um die Piusbruderschaft, eventuell auch um die Petrusbruderschaft, wobei Letztere sich in der Einheit mit Rom befindet und mit Erlaubnis des Papstes die Alte Messe weiter feiern darf.

              Jedenfalls zu diesem Personenkreis gehöre ich nicht.

              Bisher dachte ich, mich in der Mitte der Kirche zu befinden, aber ich habe den Eindruck, dass in Deutschland diese Mitte immer mehr wegbricht.

              Ich verfolge die Entwicklung über die Medien sehr genau. Die offizielle kirchliche Mehrheit folgt dem gesellschaftlichen Mainstream und rückt immer weiter nach links (wenn man diesen politischen Begriff verwenden mag), der Rest wird dadurch automatisch nach rechts gerückt, wohin ich aber gar nicht will.

              Die bisherige Mitte verhält sich zu dieser Entwicklung verhältnismäßig still, ähnlich wie im zivilen, staatlichen Bereich.

              Innerhalb der Kirche kriegen Manche/Viele vielleicht nicht mal mit, was sich da vollzieht.

              • Wanda
                01.04.2022, 19:40 Uhr.

                @Silvia 01.04. !6:20
                – In der Tat, gewöhnlich verhält sich in allen Lebensbereichen die Mitte sehr still obwohl sie die eigentlich die sogenannte „schweigende Mehrheit“ darstellt. Das extreme Spektrum (links und rechts) der Minderheit macht sich viel stärker, nicht selten krakeelend bemerkbar, im Glauben Lautstärke ersetze Argumente. Bin mir ganz und gar nicht sicher ob die Mitte wegbricht, aber sie sollte als schweigende Mehrheit ihre Rolle als Vermittler sehen, um diese Extrementwicklungen zu bremsen. Dazu allerdings müsste sie sich vernehmbar machen und genau daran fehlt es. Den Rändern die Initiative überlassen, ist falsch…

              • ZufälligerGastleser
                01.04.2022, 20:01 Uhr.

                Zu der angesprochenen „Links“-Verschiebung sei hingewiesen auf das sog. Overton-Fenster in der politischen und medialen Sphäre, dahingestellt wieweit auf die kirchliche oder religiöse übetragbar. Nicht nur dessen überaus beschleunigte Verschiebung, mehr noch aggressive Verengung erscheint mir bedenklich. Einhergehend mit verfeindenden Grenzziehungen und Sagbarkeiten, dergestalt, daß frühbundesrepublikanische Mainstreampositionen inzwischen „nazifiziert“ werden, als rechtsextrem gelten. Daß gesellschaftlicher Wertewandel gradezu verfassungsnormativ interpretiert wird. Und in diesem Sinn „liberale“ gegen „illiberale“ Demokratien auszeichnend und politikbestimmend unterschieden werden. M.E. wird so aus Demokratie als in gewissen Grenzen überzeitlicher Freiheitsordnung eine dynamische Gesinnungsverfassung, die einer unbestimmten Progressweltanschauung folgt. Darin erkenne ich totalitäre Züge, die nur angesprochen seien, weil sie sich auf kirchliche Organisation fortsetzen. Hier mag man dann mit Althusser gegenüber den staatsnahen Kirchen in Deutschland gradezu an den Begriff des „Ideologischen Staatsapparats“ denken und sich „Entweltlichung“ der Kirche wünschen.

          • Novalis
            01.04.2022, 12:36 Uhr.

            Für Ultras kann man zB Ratzinger oder hier der zufällige Gastleser halten. Also Leute mit reaktionären Gesellschaftsbildern und menschenverachtenden, zB homophoben Ansichten. Kann man natürlich auch leugnen.

            • Silvia
              01.04.2022, 17:17 Uhr.

              @ Novalis,

              Was verstehen Sie persönlich unter einem reaktionären Gesellschaftsbild?

          • Novalis
            01.04.2022, 12:46 Uhr.

            Nur nebenbei: Welche Bischöfe sind denn „liberal“? Vielleicht der Wilmer in Hildesheim. Der leistet es sich, selber zu denken. Aber dann fällt mir schon keiner mehr ein. Der Plural ist also schon falsch.
            Dann müsste man mal klären, was „liberal“ bedeutet – für die Aufhebung des Zölibats? Aber dann wäre ja der Klerus der überwältigenden Anzahl der katholischen Kirchen liberal (was ja nicht stimmt), denn dort gab es nie einen Priesterzölibat. Und wenn man für Frauen als Diakonin (so bei den nicht unierten Griechisch-Orthodoxen, die auch nicht liberal sind) ist? Aber dann würde man ja nur der Schrift gehorchen, nach der Mann und Frau einer sind in Christus, also geschlechtliche Unterschiede im christlichen Glauben schlicht irrelevant sind.
            Da wird einfach mal das Wort „liberal“ in die Arena geworfen, mir scheint: ohne Überlegung, um einfach Reaktionen zu verursachen und zu sagen: Ich habe mich jetzt klug geäußert. Und wenn man dann in der Sache korrigiert werden muss, kommt dann meist das Mimimi, dass meine seine Meinung ja nicht mehr kundtun dürfe. Das darf man schon, aber man darf sich halt nicht wundern, wenn die Meinung (beim Philosophen Platon übrigens das Gegenteil der Wahrheit) auf den harten Widerstand der zutreffenden, sachlichen Information stößt und korrigiert wird.

            • Jürgen Erbacher
              Jürgen Erbacher
              01.04.2022, 16:42 Uhr.

              „Liberal“ ist ein weites Feld und kann sicherlich nicht von einem einzelnen User definiert werden. Bitte beachten Sie in Ihren Kommentaren, dass hier jeder und jede aus einer persönlichen Perspektive schreibt. „Der Plural ist also schon falsch“ – ist Ihre persönliche Meinung. Andere sehen das anders.

  • Wanda
    28.03.2022, 15:53 Uhr.

    Da die Dreifaltigkeit das wohl nicht in den Griff kriegt, Maria als Ersatzgott ? Interessant…

  • neuhamsterdam
    01.04.2022, 20:34 Uhr.

    Ich erlaube mir die Schlussgedanken meines „komplexen“ aussortierten Beitragsversuchs vom 6. Februar zu zitieren: „Der 22. wird für den Vatikan ein entscheidender Tag sein. Das kann doch jeder vorhersehen, mag man einwenden. Nicht reden — vormachen.“ Wieso nicht der 24.? Am 22. Februar ist Petri Stuhlfeier und im Kalender an der Wand steht für diesen Tag Isabella. Das jedes Jahr und sieht erstmal nicht nach ZEITENWENDE aus. Und doch gibt es im Vatikan Peter’s Dom und Engel’s Burg; die einstige Hauptstadt von Russland war bekanntlich Peter’s Burg, welche ihren Titel in Marxens und Engels Hoch-Zeiten an die Stadt Moskau weiterreichen durfte, welche in der Nachfolge von Rom genannt wird. Der Name Isabella ist ein Frauenname, jedoch gibt es in Italien das bekannte Lied „Bella Ciao“, wenn Partisanen einst in den Kampf zogen. Was war am 6. Februar besonders? Papst Franziskus gab ein Interview in einer Talkshow. Eine Sensation, das hat noch kein Papst gemacht. In der Tat verweist der 6. 2. auf den 22.02.2022 (Kathedra Petri) weil in dem Datumspalindrom sechs mal die Ziffer Zwei enthalten ist; da hatte ich wohl den gleichen Gedankengang wie die hinterkünftigen Terminplaner des Papstes. Tut mir sorry, soll nicht wieder vorkommen.

  • Heilbründl
    02.04.2022, 9:37 Uhr.

    An Novalis:
    „Aber dann wäre ja der Klerus der überwältigenden Anzahl der katholischen Kirchen liberal (was ja nicht stimmt), denn dort gab es nie einen Priesterzölibat.“
    Welche katholischen Kirchen meinen Sie hier? Danke!

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