Kontroverse Debatten bei der Synode

Kurz vor der Halbzeit der Amazonassynode ist es schwierig abzuschätzen, wohin die Reise in vielen Fragen geht. Der Priestermangel und die Viri probati, die Rolle der Frau und die Frage nach neuen Ämtern für Laien, das Problem der Ausbeutung von Natur und Mensch in der Region sowie das Ringen um den richtigen Weg bei Inkulturation und der Rolle der Kirche im gesellschaftlichen sowie politischen Kontext tauchen immer wieder als Themen in den Plenarsitzungen der Synode auf. Bis Dienstagabend fanden zwölf solcher Sitzungen in der Synodenaula statt, mehr als 250 Wortmeldungen gab es dabei. Die eigentliche Diskussion findet in den zwölf Kleingruppen statt, die morgen wieder tagen. Bis zum Wochenende soll bereits ein erster Entwurf des Abschlusstextes stehen.

Zur Debatte lädt die Synodenaula nicht wirklich ein. Daher finden die entscheidenden Gespräche in den Kleingruppen statt. (Quelle: Erbacher)

Kirche muss prohetisch sein

Viele Themen sind unumstritten bei der Synode, etwa wenn es um die Frage der integralen Ökologie geht, der Verurteilung der Ausbeutung von Natur und Mensch. Immer wieder werden Menschenhandel, Organhandel und die sexuelle Ausbeutung ebenso angeprangert wie Kinderarbeit und Arbeitsausbeutung von Erwachsenen. Vereinzelt haben die Redner konkrete Vorschläge, wie man den Problemen begegnen könnte. Dazu gehört etwa die Forderung nach einer internationalen kirchlichen Beobachtungsstelle für Menschenrechtsverletzungen. Auch die Verantwortung der Industriestaaten für das Schicksal der Amazonasregion ist wiederholt Thema in der Synodenaula.

Im Fokus stehen die Indigenen Völker mit ihren Rechten, die oft übergangen werden, so viele Redner, aber auch ihren Pflichten. Papst Franziskus warnte in einem seiner wenigen Interventi davor, die Indigenen zu idealisieren. Im Vorfeld der Synode hatten einige Teilnehmer bereits darauf hingewiesen, dass das Arbeitspapier „eine leichte Schlagseite“ habe. Der Fokus läge zu stark auf den Indigenen, die in der Region allerdings nur 15 Prozent der Bevölkerung ausmachten, so ein brasilianischer Bischof. Eine Expertin gab zu bedenken, dass das Instrumentum laboris zu wenig die Probleme berücksichtige, die es auch innerhalb der indigenen Gemeinschaften gebe, etwa Korruption oder die fehlende Gleichberechtigung der Frauen.

Hier entzündet sich offensichtlich innerhalb der Synode eine Diskussion darüber, wie eine richtige Balance zwischen traditioneller indigener Kultur und allgemein gültigen Grundprinzipien, etwa den Menschenrechten, gefunden werden kann. Zumindest in der medialen Debatte wurde zum Ende der ersten Synodenwoche die Praxis der Kindstötung bei einigen indigenen Gruppen heftig diskutiert, also das Töten von Kindern, die etwa eine Behinderung haben oder weil sie Mädchen sind. Angesprochen auf diese Praxis erklärte der peruanische Kardinal Pedro Ricardo Barretto Jimeno, dass aus kirchlicher Sicht diese nicht zu akzeptieren sei. „Jedes menschliche Leben ist heilig“, so der Barreto, der einer der Vize-Präsidenten der Synode ist.

Viri probati umstritten

Einig sind sich die Synodenteilnehmer in der Analyse, dass es zu wenige Priester in der Region gibt und dadurch die Möglichkeit des regelmäßigen Sakramentenempfangs für die Gläubigen nicht gewährleistet ist. Unterschiedlich sind die Lösungswege, die vorgeschlagen werden. Einige sehen die Lösung im verstärkten Bemühen um geistliche Berufungen, andere in einer Stärkung des Ständigen Diakonats, gerade unter den Indigenen. Keine Plenarsitzung vergeht, ohne dass über die Viri probati gesprochen wird. Doch die Meinungen dazu gehen auseinander. Die einen fordern mutige Schritte von der aktuellen Synode, dem Papst am Ende die Einführung zu empfehlen. Andere wünschen sich eine eigene Synode zum Thema unter anderem mit dem Verweis, dass die Frage der viri probati auch andere Regionen der Weltkirche betreffe.

Diese eigene Synode könnte dann ebenso über neue Ämter für Frauen in der Kirche beraten. Denn auch hier gehen die Meinungen auseinander. Weitestgehend Konsens, soweit es aus der Synodenaula nach außen dringt, herrscht bei der Frage, dass es eine Aufwertung der Rolle der Frau geben muss. Schlicht um das Faktische auch offiziell anzuerkennen: die Frauen sind die größte Stütze des kirchlichen Lebens im Amazonas. Unterschiede gibt es bei der Frage, wie diese offizielle Anerkennung aussehen soll. Mehrfach ist in den offiziellen Zusammenfassungen des Presseamts zu lesen, dass es außerhalb der Weiheämter eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen geben soll. Das Weiheamt für Frauen scheint aber für die meisten Tabu. Nur vereinzelt ist das Stichwort „Diakonat der Frau“ zu lesen.

Präsent ist die Herausforderung durch die evangelikalen und pentekostalen Kirchen. Ein Bischof berichtete, dass in vielen Gemeinden seines Bistums drei, vier oder gar fünf neue Kirchen entstanden seien, die alle mit einem eigenen Pastor vor Ort seien, der mit allen Vollmachten ausgestattet sei. Das sei für die katholische Gemeinde eine große Herausforderung, wenn Priester oder Gemeindeleiter, die mit entsprechender offizieller Autorität ausgestattet seien, fehlten.

Keine Fokussierung auf „Reizthemen“

Bei den täglichen Pressebriefings fällt auf, dass es zwar Fragen zur Ämterthematik gibt, dass es an vielen Stellen aber doch eher um soziale und ökologische Fragen geht, um Migration, die prekäre Menschenrechtslage in der Region und das Problem der Bildungsangebote für Indigene. Die Frage nach der missionarischen Kirche ist immer wieder Thema. Eine Fokussierung auf die sogenannten Reizthemen findet nicht statt. Der im Vorfeld wiederholt geäußerte Vorwurf, europäische Kirchenvertreter drängten der Synode ihre Themen auf, bestätigt sich im bisherigen Verlauf nicht.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Papst Franziskus Kardinal Christoph Schönborn in das Redaktionsteam des Schlussdokuments berufen hat. Das Team setzt sich zusammen aus vier von der Synode gewählten und vier vom Papst berufenen Mitgliedern. Dazu kommen unter anderem der Generalrelator der Synode, Kardinal Claudio Hummes, der Generalsekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, Erzbischof Mario Grech, Pro-Generalsekretär der Synode und Nachfolger von Baldisseri, sowie Kardinal Michael Czerny. Es sitzen folglich eine ganze Reihe von engen Vertrauten des Papstes im Redaktionsteam. Es ist daher davon auszugehen, dass dieses in enger Abstimmung mit dem Pontifex entstehen wird.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

11 Kommentare

  • Wanda
    17.10.2019, 21:24 Uhr.

    Bedaure an dieser Stelle den Abschied von Silvia und Silberdistel aus dem Blog doch sehr: waren nicht selten auch stramm unterschiedlicher Meinung, aber die Argumente waren in der Regel untermauert und es gab kein Geschwafel. Schade, dass wir kein gemeinsames Diskussionsforum mehr haben. Themen gäbe es mehr als genug und die Auseinandersetzung mit Ihnen hat meine grauen Zellen genötigt aktiv zu bleiben…

  • Jürgen Erbacher
    Jürgen Erbacher
    18.10.2019, 10:06 Uhr.

    Weitere Kommentare, die sich nicht mit dem Thema Synode beschäftigen, werden nicht freigeschaltet.

  • neuhamsterdam
    22.10.2019, 18:16 Uhr.

    „Eines gilt stets, egal bei wechem Thema: Wer sich der Wahrheit nicht stellen kann, der hat in jedem Fall unrecht.“
    Dann bräuchte ich doch nur zu behaupten, die Erde sei eine Ku(h)gel und nach Ihrer absoluten These wäre das absolut unrichtig! Sie müssten dann sagen, die Erde ist eine Kartoffel. Ok, das ist die Erde ihrer Gestalt nach auch – doofes Beispiel.
    Was lernen wir daraus? Diese These ist gut für oberflächliche Unterhaltung, aber keine Grundlage für eine logische Argumentation.

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