Papst in Marokko – Tag 1

Die Kultur des Dialogs, die gegenseitige Achtung und Anerkennung sowie das Recht auf freie Religionsausübung für alle standen im Mittelpunkt des ersten Tags von Papst Franziskus in Marokko. Bei einer Begegnung mit Flüchtlingen am Nachmittag erklärte der Pontifex, dass im Umgang mit Migranten vier Haltungen entscheidend seien: aufnehmen, beschützen, fördern und integrieren. Dabei betonte er auch die Pflichten der Migranten wie etwa das Erlernen der Sprache des aufnehmenden Landes, das Respektieren der Gepflogenheiten, der Gesetze und Kultur in der neuen Umgebung. Nur kurz nahm er dabei Bezug auf die Herkunftsländer. Dort müssten Anstrengungen unternommen werden, dass die Menschen erst gar nicht zur Migration gezwungen sind. Wichtig war Franziskus am ersten Tag in Marokko aber der Aspekt der gegenseitigen Anerkennung der Religionen. „Wir müssen von der einfachen Toleranz zum Respekt und der Wertschätzung des Anderen kommen“, forderte das katholische Kirchenoberhaupt. Immer wieder erinnerte er an die historische Erklärung zur Brüderlichkeit zwischen Christen und Muslimen, die er bei seinem Besuch in Abu Dhabi vor wenigen Wochen mit dem Großscheich der Al-Azhar-Universität unterzeichnete. Franziskus, der in Teilen der islamischen Welt ein hohes Ansehen genießt, nutzt dieses Pfund, um nicht nur für den Dialog zu werben, sondern deutlich die Anerkennung der Menschenwürde und damit verbunden auch der Gewissens- und Religionsfreiheit für alle und überall einzufordern – bis hinein in den Rechtsbereich der Länder.

Ein ungewöhnliches Bild bei einer Papstreise. Papst und König „gemeinsam“ auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt. (Quelle: Erbacher)

Mit Solidarität den Fanatismus bekämpfen

„Dem Fanatismus und Fundamentalismus die Solidarität aller Glaubenden entgegensetzen.“ Dieser Gedanke aus seiner Ansprache vor Vertretern aus Politik, Diplomatischem Korps und Zivilgesellschaft fasst die Bemühungen des Papstes bei seinen Begegnungen mit Angehörigen anderer Religionen gut zusammen. Franziskus sprach sich für den Aufbau einer „offenen, pluralen und solidarischen Gesellschaft“ aus. Dabei helfe eine Kultur des Dialogs. Er erinnerte an die Begegnung des heiligen Franz von Assisi und Sultan al-Malik al-Kamil vor 800 Jahren. „Dieses prophetische Ereignis zeigt, dass der Mut, einander zu begegnen und die Hände zu reichen, dort ein Weg des Friedens und der Harmonie für die Menschheit sind, wo Extremismus und Hass Spaltung und Zerstörung bewirken.“

Bei einem authentischen Dialog dürfe man den Faktor Religion nicht unterschätzen, mahnte der Pontifex. „Wir glauben, dass Gott die Menschen in Bezug auf Rechte, Pflichten und Würde gleich geschaffen hat und dass er sie berufen hat, als Geschwister zu leben und die Werte des Guten, der Liebe und des Friedens zu verbreiten.“ Zwar betonten sowohl König Mohammed VI. als auch sein Religionsminister, dass Marokko ein Land der Religionsfreiheit und der Achtung der verschiedenen Religionen sei, doch die Realität sieht anders aus. Gerade deshalb nutzte Franziskus die Gelegenheit, um die Gewissens- und Religionsfreiheit einzufordern. Er begrüßte, dass im Januar 2016 in Marrakesch eine internationale Konferenz über die Rechte religiöser Minderheiten in der islamischen Welt jede Form der Diskriminierung einer Religion durch eine andere verurteilte.

Migration ist Wunde des 21. Jahrhunderts

Deutlich wurde Franziskus beim Thema Migration. „Es geht um ein Phänomen, das niemals durch den Bau von Barrieren gelöst werden wird, ebenso wenig durch die Verbreitung von Angst vor dem anderen oder die Verweigerung von Unterstützung.“ Die „Festigung eines wahren Friedens“ gehe nur über die „Suche nach sozialer Gerechtigkeit“, so Franziskus. Interessant ist, dass die Begegnung des Papstes mit den Migranten am Samstagabend nicht im marokkanischen Fernsehen – und auch nicht im Pressezentrum – zu sehen war. So etwas kommt selten vor, zeigt aber, wie schwierig dieses Thema ist. Bei dem Treffen in einem Caritaszentrum in Rabat forderte der Papst mehr legale Wege der Migration.

Appell für Jerusalem

Im Verhältnis zwischen Vatikan und Marokko gibt es durchaus leichte Verstimmungen. König Mohammed VI. fand es offenbar nicht gut, dass der Papst vor wenigen Wochen recht spontan die Reise auf die Arabische Halbinsel gemacht hat und damit die Marokko-Reise nun etwas im Schatten dieses historischen Besuchs steht. Der Papst wiederum wäre gerne im vergangenen Dezember zur Konferenz von Marrakesch gefahren, bei der offiziell der UN-Migrationspakt beschlossen wurde. Doch, so Vatikan-Interim-Sprecher Alessandro Gisotti vor wenigen Tagen, das sei an diplomatischen Hürden gescheitert. In Rabat merkte man von diesen kleinen Friktionen nichts.

Immerhin gab es dann doch noch eine kleine Überraschung. In einem gemeinsamen Appell erinnerten Franziskus und König Mohammed VI. an den besonderen Status der Stadt Jerusalem. Die Heilige Stadt müsse Erbe der Menschheit und das Symbol einer friedlichen Koexistenz vor allem für die drei monotheistischen Religionen bleiben. Dazu müssten der „multi-religiöse Charakter, die spirituelle Dimension und die besondere kulturelle Identität Jerusalems“ geschützt und gefördert werden. Papst und König bekundeten „die Hoffnung, dass in der Heiligen Stadt den Anhängern der drei monotheistischen Religionen volle Zugangsfreiheit und ihr Recht auf Gottesdienst garantiert wird“.

Die Realität dieser Welt mache deutlich, dass der Dialog zwischen Christen, Muslimen und Juden ungenügend sei, sagte zum Auftakt des Papstbesuchs der marokkanische König. Papst Franziskus möchte mit seiner aktuellen Reisediplomatie dazu beitragen, dass der Dialog einen wichtigen Schritt vorankommt: vor wenigen Wochen der historische Besuch auf der Arabischen Halbinsel, an diesem Wochenende die Visite in Marokko. Seine Ansprache zum Auftakt heute reiht sich ein in die programmatischen Reden zum Thema Dialog der Religionen und Kulturen. Beim Besuch einer Ausbildungsstätte für Imame und Imaminnen wurde dieser Dialog am Nachmittag auch musikalisch geführt bei einer Darbietung, die das Ave Maria, das jüdische Kaddisch und den Gebetsruf des Muezzins verband. Auch wenn es nur ein Kurzbesuch in Marokko ist, das Bemühen des Papstes, dürfte ein wichtiger Schritt sein auf dem Weg eines besseren Miteinanders zwischen Christen und Muslimen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

14 Kommentare

  • Novalis
    30.03.2019, 21:43 Uhr.

    „Wir müssen von der einfachen Toleranz zum Respekt und der Wertschätzung des Anderen kommen“. Das gilt nicht nur den vom Papst vor Ort Angesprochenen – das gilt auch allen Europäer*innen. Und jedem Menschen.

  • Silberdistel
    31.03.2019, 10:12 Uhr.

    Mal endlich die Aussage von einer offizieller Seite, die nicht nur die Opferrolle von Migranten betont, sondern das es auf dieser Seite durchaus auch Pflichten zu sehen gibt.
    Visionär und lobenswert wiederum die Rolle des Papstes in Bezug auf die friedliche Koexistenz vor allem der drei monotheistischen Religionen. Das kann man im Hinblick auf die verschiedenen Prophezeihungen des angeblich in Bälde stattfindenden Armageddon nicht hoch genug bewerten, welches schließlich im „clash of civilisations“ münden soll. An die z.B. auch die IS-Kämpfer mit einer alles entscheidenden Schlacht auf einem bestimmten Gebiet, geglaubt hatten.

    Wer in Gott bleibt, sich wenigstens bemüht, wie offensichtlich der amtierende Papst Franziskus, kann schließlich alles zum Guten wenden. Auch wenn er die eigene Herde dafür vielleicht etwas vernachlässigen muß. Doch der Arzt kommt, wie Jesus, schließlich zu den Kranken und nicht zu den Gesunden.

    • Novalis
      01.04.2019, 1:07 Uhr.

      „Mal endlich die Aussage von einer offizieller Seite, die nicht nur die Opferrolle von Migranten betont, sondern das es auf dieser Seite durchaus auch Pflichten zu sehen gibt.“
      Sagt der Papst nicht zum ersten Mal, ich kann Sie beruhigen.

      • Silberdistel
        01.04.2019, 18:21 Uhr.

        Novalis
        01.04., 1:07 h
        Aja? Die bisherige regelrechte Ikonisierung der Opferrolle von Flüchtlingen, hat dann solch eher mahnende Töne übertüncht, wohl weil diese zu zaghaft vorgetragen wurden.
        Das diese Töne nun ein deutlicheres Timpre finden, ist wohl in Anbetracht der vielfältigen Ereignisse geschuldet, mit denen manche der Flüchtlinge meinen sich für die Aufnahme „bedanken“ zu müssen.

  • Wanda
    31.03.2019, 18:00 Uhr.

    Muss bei diesem Artikel an das Urteil meiner unbeirrbar katholischen Mutter über die fleissigsten Kirchgänger aus unserer Nachbarschaft denken: „Die wahre und wirkliche Einstellung von klug daherredenden Menschen erkennst Du am Ende nur an ihren eigenen Handlungen und Taten“…
    Dem ist nichts hinzuzufügen

  • bernardo
    31.03.2019, 19:19 Uhr.

    Wann wird der Papst mal wieder katholische statt islamischer Länder besuchen? Ich könnte mir vorstellen, in Polen und der Slowakei würde man sich über einen Besuch freuen.

    • Novalis
      01.04.2019, 1:09 Uhr.

      Der Papst ist in jeder katholischen Messe im Hochgebet genannt, daher stehen wir alle, die wir am Messopfer teilnehmen, mit ihm in communio. Recht viel näher kann man ihm kaum sein.

      • Wanda
        01.04.2019, 16:04 Uhr.

        Und ich als ehemaliger Katholik dachte ich immer, Gott steht im Zentrum des christlichen Glaubens…

        • Novalis
          04.04.2019, 15:13 Uhr.

          Tut er ja auch. Wo ist das Problem?

      • Wanda
        03.04.2019, 21:16 Uhr.

        Novalis 01.04. 01:09
        – Du liebe Güte, nicht allzu weit entfernt vom Personenkult. . .

        • Novalis
          05.04.2019, 12:24 Uhr.

          Nein, ganz normale Eucharistietheologie. Wer die Messe feiert, hat Gemeinschaft mit allen anderen, die Messe feiern – und weil das in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof geschieht, selbstredend auch mit ihm. Mit Personenkult hat das aber wirklich nichts zu tun.

    • Maria
      01.04.2019, 8:31 Uhr.

      In Polen war er übrigens schon – Weltjugendtag – und wie katholisch das Land ist, kann man am Umgang mit Migranten sehen.

      • Silberdistel
        04.04.2019, 9:56 Uhr.

        Maria
        01.04., 8:31 h
        Soweit mir bekannt, verweigert Polen nicht per se die Aufnahme von Flüchtlingen, sondern nur derjenigen einer ganz anderen kulturellen Herkunft und Prägung als die des eigenen Landes.
        Und wenn man die Folgen der Aufnahme solcher Flüchtlinge jener anderen kulturellen Herkunft und Prägung in anderen Ländern Europas, inklusive unseres eigenen, sich anschaut; dann wurde solch Hilfsbereitschaft nicht selten mit der Errichtung von „no-go-aereas“ sowie Verrichtung von erheblichen Straftaten wie Drogenhandel, Vergewaltigungen und schließlich Messerstechereien, bishin zu Mord, gedankt.
        Insofern mag man der Regierung Polen durchaus ein hohes Verantwortungsbewußtsein für den Schutz der eigenen Bürger unterstellen dürfen, solche Verhältnisse im eigenen Land erst gar nicht zulassen zu wollen. Flüchtlingen kann man schließlich auch über die eigentlich dafür vorgesehen UN-Maßnahmen unterstützen, ohne sie gleich ins eigene Land aufnehmen und integrieren zu müssen. Letzteres ist und bleibt nunmal ein absolut freiwilliges Angebot und stellt kein Diktat dar!

        • Jürgen Erbacher
          Jürgen Erbacher
          12.04.2019, 9:52 Uhr.

          An dieser Stelle möchte ich doch wieder einmal auf die Netiquette hinweisen. Möchten Sie wirklich einer ganzen Gruppe von Menschen pauschal ein bestimmtes Verhalten unterstellen? Das machen Sie hier.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.