Papst erinnert an „Völkermord“ an Armeniern

Zum Auftakt seines Besuchs in Armenien hat Papst Franziskus am Freitag in Eriwan das Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als „Völkermord“ bezeichnet. In seiner Rede vor Vertretern aus Politik, Gesellschaft und des diplomatischen Korps sagte er: „Diese Tragödie, dieser Völkermord, eröffnete die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, die von anormalen rassistischen, ideologischen oder religiösen Motivationen ermöglicht wurden, welche den Geist der Menschenkinder so weit verdunkelten, dass sie sich das Ziel setzten, ganze Völker auszurotten.“ Bis Sonntag hält sich Franziskus in der Kaukasusrepublik auf. Neben ökumenischen Kontakten steht vor allem das Thema Versöhnung im Mittelpunkt der Reise.

Papst Franziskus heute in Eriwan. (Quelle: dpa)

Papst Franziskus heute in Eriwan. (Quelle: dpa)

Schon letztes Jahr klare Aussage

Die Debatte um die Armenienresolution des Deutschen Bundestags wurde in den vergangenen Wochen im Vatikan aufmerksam verfolgt. Daher waren Beobachter schon sehr gespannt, welche Worte Papst Franziskus bei seinem Armenienbesuch wählen werde. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte vor wenigen Tagen beim Briefing für die aktuelle Reise kritisch angemerkt, man solle sich nicht nur auf die Völkermord-Debatte konzentrieren. Er hatte gar von einer „Obsession, das Wort ‚Völkermord‘ zu verwenden“ gesprochen. Die historischen Fakten seien hinlänglich bekannt, so Lombardi. Zumal Papst Franziskus bereits im vergangenen Jahr aus Anlass eines Gottesdienstes zum Gedenken an die Massaker von 1915 im Petersdom in Rom von „Völkermord“ gesprochen hatte.

Die Türkei hatte damals scharf protestiert und ihren Botschafter beim Heiligen Stuhl aus Rom abgezogen. In Ankara wurde der Vatikanbotschafter ins Außenministerium einbestellt. Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf dem Papst vor, mit seiner Äußerung „Feindschaft und Hass“ zu schüren. Erst im Februar 2016 kündigte die Türkei an, wieder einen Botschafter nach Rom entsenden zu wollen. Zuvor hatte der Vatikan die Initiative der Türkei gelobt, die Ereignisse von 1915 durch eine internationale Historikerkommission aufarbeiten zu lassen.

Spontane Ergänzung

Man darf gespannt sein, wie die Türkei dieses Mal reagiert. Im vorab verteilten Redemanuskript zum Treffen von Papst Franziskus mit den Politikern und Diplomaten heute in Eriwan war der Begriff „Völkermord“ nicht enthalten gewesen. Den hat Franziskus spontan hinzugefügt. Die aktuellen Konflikte etwa Armeniens mit Aserbaidschan oder der Türkei sprach er nicht direkt an. Allerdings mahnte das katholische Kirchenoberhaupt, dass „in den internationalen Streitfragen immer der Dialog, die echte Suche nach dem Frieden, die Zusammenarbeit unter den Staaten und der beharrliche Einsatz der internationalen Organismen vorherrschen, um ein Klima des Vertrauens aufzubauen, das das Zustandekommen dauerhafter Vereinbarungen begünstigt“. Er erinnerte an die Diskriminierung und Verfolgung von Christen. Vorrangiges Ziel der politisch Verantwortlichen müsse sein: „die Suche nach Frieden, die Verteidigung und Aufnahme derer, die Aggressionen und Verfolgungen ausgesetzt sind, die Förderung der Gerechtigkeit und eine nachhaltige Entwicklung“.

Morgen wird der Papst die Genozid-Gedenkstätte Zizernakaberd in Eriwan besuchen und später im Zentrum von Eriwan ein Friedensgebet sprechen. Den Auftakt machte heute einen Besuch in der armenisch-katholischen Kathedrale. Dort rief er zu verstärkten ökumenischen Initiativen auf. Die von Spaltungen und Konflikten gezeichnete Welt „erwartet von den Christen ein Zeugnis gegenseitiger Achtung und brüderlicher Zusammenarbeit“, so Franziskus.

Der Papst hat sich einmal mehr kein leichtes Ziel für seine 14. Auslandsreise ausgesucht. Im Herbst wird er auch nach Aserbaidschan fahren. Er sucht die Herausforderung. In seinem Gefolge blickt die Welt auf die Unruheregion. Er versucht einmal mehr wachzurütteln, damit sich die Welt mit lange schwelenden Konflikten, wie etwa dem zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach, nicht abfindet. Ob die Reisen die gewünschten Früchte tragen werden, dürfte sich wohl erst in einer langfristigen Perspektive zeigen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • Silberdistel
    25.06.2016, 5:22 Uhr.

    Das Unschuldslamm, die Kirche…
    Als ob man nicht selbst eine historische breite Blutspur von Opfern hinter sich her zöge. Seit der Antike beispielsweise die ersten Opfer unter den ´Häretikern´: Die Markioniten, Paulikianer, Manichäer, Donatisten, Arianer, Bogumilen, die Katharer und anderer ´KETZER´ (Alle Anhänger von Glaubensgemeinschaften, die sich ebenso auf Jesus Christus berufen), desweiteren Anhänger heidnischer Kulte.
    Die Kreuzzüge, die „heilige“ Inquisition mit ihren ´hochnotpeinlichen Befragungen´, mit anschließenden Verbrennungen bei lebendigen Leib. Die „Bekehrung“ indigener Völker mit dem Schwert. Die Sklaven, deren Haltung die rk-Kirche mit der päpstlichen Bulle „Divino amore communiti“ erst ausdrücklich ermöglichte.
    – Millionen von Opfern –
    Ob allein das im Jahr 2000 von Johannes Paul II ausgesprochene „MEA CULPA“ der zur Vergebung notwendigen tätigen Reue ausreicht? Wurde etwa das s.g. „Blutgold“ und die anderen, bei den Verfolgungen meist immer gleich mit eingezogenen Vermögen etwa als Wiedergutmachung zurück gegeben oder einem anderen, guten Zweck, zugeführt??
    „Was siehst du aber einen Splitter in deines Bruders Auge, und des Balkens in deinem Auge wirst du nicht gewahr?“ Copyright: Jesus Christus (Aus Lukas 6 / Matthäus 7).
    Seltsam auch, das man sich gerade jetzt, wie in einer globalen konzertierten Aktion, des Völkermords speziell an den Armeniern erinnert. Als ob es, neben den eigenen, nicht noch genügend andere Völkermorde und Holocausts gäbe.

    • Wanda
      30.06.2016, 17:28 Uhr.

      Silberdistel, 5:22
      – zu Ihren Ansichten darf ich den unbeirrbaren Christen, scharfen Kritiker und Jesuiten-Zögling Heiner Geissler zitieren:
      – wenn der IS Menschen hinrichtet oder bei lebendigem Leibe verbennt, ist das weniger schlimm als das was ua. den Ketzern und Hexen an einem Pfahl gebunden zu kirchlichen Zeiten angetan wurde: denn dazu sangen ihre frommen Inquistionsmörder noch gleichzeitig das Lob des Herrn…
      – ich trete nicht deswegen aus der Kirche aus, nur weil ein Theologe wie Ratzinger oder ein Reaktionär wie Karel Wojtyla Papst geworden sind. Wer eine im Prinzip richtige Sache unterstützen will, sollte dabei bleiben…
      – die Kirche sollte so ehrlich sein und sagen „wir wissen nicht ob es ein Leben nach dem Tode gibt aber wir hoffen darauf“ und wer nicht an Gott glaubt ist noch lange kein Sünder. Franziskus adressierte an die Atheisten „tut was Gutes dann haben wir etwas Gemeinsames“, also alles das zu tun, was Gott nicht tut aber tun müsste: Schmerzen, Armut, Diktatoren und Unrechtsregime bekämpfen, Folterer bestrafen, etc…
      Abschliessend noch etwas Persönliches von ihm zur Erheiterung:
      – ich wollte ursprünglich Priester und Missionar werden wie mein Vorbild, der hl. Franz-Xaver von den Molukken. Dann erlebte ich im Jesuitenkolleg das persönliche Scheitern meiner Ideale. Ich hatte die 3 ewigen Gelübde abgelegt: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Mit 23 Jahren erkannte ich, dass ich 2 davon nicht halten konnte. Darunter war nicht die Armut…
      – am liebsten würde ich mit Maria-Magdalena auf einer Wolke sitzen: 1. weil sie eine enge Freundin von Jesus war und 2. vermutlich eine attraktive Frau…
      – in der Politik habe ich nie gelogen, privat schon. Das muss man sogar weil man nicht verpflichtet ist die Wahrheit zu sagen. Auf eine wahrheitsgemässe Antwort hat nur derjenige einen Anspruch, der ein Recht dazu hat die Frage zu stellen…
      Ein kantiger, von der Amtskirche unverbogener Christ…

  • Alberto Knox
    25.06.2016, 9:42 Uhr.

    die armenier hatten einst einen richtig bedeutsamen staat in der levante und das armenierdekret des floreninum ist ein theologisches schmuckstück, das heute noch gelesen werden sollte.

    ich bin froh, dass der papst in diesem land ist. und ich bin auch froh, dass franziskus den „fehler“ (o-ton erdogan) noch einmal begangen hat, einen völkermord auch völkermord zu nennen. wir deutschen haben mit zu diesem genozid beigetragen – und die türkei muss lernen, dass der erste schritt zu versöhnung (wenn man diese will) immer ist, die verfehlung klar zu benennen, und dann um vergebung zu bitten.

  • Student
    25.06.2016, 16:09 Uhr.

    Ein sehr guter Artikel!

    Ja, der Papst macht den Mund auf!
    Mir gefällt zwar nicht alles was er sagt, aber hier spricht er sehr wahre Worte!
    Den Völkermord an den meist christlichen Armeniern auch als solchen zu bezeichnen, immer wieder, dies ist wirklich genau das Zeichen, welches die Armenier und die ganze Welt brauchen!
    Seine Initiativen zu mehr Frieden sind in dieser Zeit extrem wichtig!

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