Der Papst in Mexiko – Tag 5

Die Drogenhochburg Morelia hat sich Franziskus für seinen 5. Besuchstag in Mexiko ausgesucht. Am Morgen ermutigte er die Kleriker, Ordensleute und Seminaristen angesichts von Gewalt, Korruption, Drogenhandel, Verachtung der Menschenwürde sowie der Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden und der Unsicherheit der anderen nicht zu resignieren. Resignation, so der Papst, sei „eine der bevorzugten Waffen des Teufels“. Bei der Begegnung mit Jugendlichen am Nachmittag trat Franziskus einmal mehr als Seelsorger auf, der angesichts der schwierigen Situation Mut und Hoffnung machen wollte. Er bezeichnete die Jugendlichen als „Reichtum Mexikos“. Dabei sparte er nicht mit indirekter Kritik an der politischen Situation in Mexiko. „Es ist schwer, sich als Reichtum zu fühlen, wenn man keine Gelegenheit einer würdigen Arbeit hat, keine Möglichkeit zu Studium und Ausbildung, wenn man sieht, dass die Rechte nicht anerkannt werden, und dies einen schließlich in Grenzsituationen treibt. Es ist schwer, sich als Reichtum eines Ortes zu fühlen, wenn man, weil man jung ist, für gemeine Zwecke ausgenutzt wird, indem man mit Versprechungen gelockt wird, die am Ende keine sind.“ Der Tag endete mit beinahe tumultartigen Szenen beim Jugendtreffen. Eine Person hinter einer Bande riss den Papst an sich, der ihr die Hand zum Gruß gereicht hatte, so dass Franziskus auf einen jungen Mann im Rollstuhl fiel, der vor ihm stand. „Sind Sie nicht so egostisch!“, rief der sichtlich verärgerte Papst der Person mehrfach zu.

20.000 Priester, Ordensleute und Seminaristen waren beim Gottesdienst mit Sportstadion. (Quelle: Erbacher)

20.000 Priester, Ordensleute und Seminaristen waren beim Gottesdienst im Sportstadion. (Quelle: Erbacher)

Kirche muss handeln

Die Resignation könne, so Franziskus beim Gottesdienst mit den Klerikern, Ordensleuten und Seminaristen, dazu führen, sich in den „‘Sakristeien‘ und scheinbaren Sicherheiten zu verschanzen“. Sie könne hemmen, „zu wagen und zu verwandeln“. Als Lösung könne es helfen, „auf unsere Erinnerung zurückzugreifen“. Franziskus erinnerte an den ersten Bischof der Diözese Michoacán, Vasco Vazquéz de Quiroga. Dieser habe im 16. Jahrhundert angesichts der Ausbeutung und Unterdrückung der Purhépecha-Indios nicht resigniert, sondern habe aus seinem Glauben heraus gehandelt. „Der Schmerz über das Leiden seiner Brüder und Schwestern wurde Gebet, und das Gebet wurde Antwort.“ Aus dem Gebet erfolgt konkretes Handeln, um sich gegen Ungerechtigkeit einzusetzen. Das würden auch viele Befreiungstheologen so unterschreiben, auch wenn sie es anders ausdrücken würden.

Beim Treffen mit den Jugendlichen am Nachmittag warnte Franziskus davor, sich über materielle Dinge zu definieren. „Die Hauptbedrohung der Hoffnung sind Reden, die dich herabwürdigen, die dir das Gefühl geben, minderwertig zu sein.“ Oder die umgekehrt suggerieren, dass man nur etwas sei, wenn man Geld habe oder die neueste Mode besitze. „Die Hauptbedrohung ist, zu glauben, weil du eine große ‚Karre‘ hast, bist du glücklich.“ Hoffnung entstehe dann, wenn man sich selbst annehme und es schaffe zu spüren, „dass sein Leben, seine Hände, seine Geschichte Wert haben“, so Franziskus. Mit Bezug auf die christliche Botschaft verurteilte Franziskus scharf den Missbrauch von Jugendlichen für den Rauschgifthandel durch die, „die einzig und allein Zerstörung und Tod verbreiten“. Er kritisierte die Ausgrenzung von Bildung und Erziehung.

Was ist mit den Opfern?

„Botschafter der Barmherzigkeit und des Friedens“ will Franziskus in Mexiko sein. Er tritt auf als einer, der einem Volk Mut machen möchte, das seit Jahrzehnten unter Gewalt und Korruption leidet. Beim Jugendtreffen am Nachmittag in Morelia wurde Franziskus euphorisch als „Matador“ gefeiert. Dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, schafft ihm große Sympathien. Viele danken es ihm. Bei den täglichen Pressekonferenzen von Vatikansprecher Federico Lombardi wird allerdings deutlich, dass zumindest viele Journalisten erwarten, dass sich Franziskus öffentlich auch zu kritischen Fragen, die die Kirchen betreffen, äußert. Dazu gehört die Frage nach den Missbrauchsfällen. In Morelia hielt sich Franziskus in dem Bundesstaat auf, in dem Marcial Maciel (1920-2008), der Gründer der Legionäre Christi, geboren wurde. Das Thema beschäftigt die Menschen in Mexiko. Hier wird Enttäuschung zurückbleiben, sollte sich bei diesem Thema nicht noch etwas ändern, bis Franziskus am Mittwochabend Ortszeit Mexiko verlässt. Laut Vatikansprecher Federico Lombardi soll beim Gottesdienst morgen in Ciudad Juarez allen Opfern von Gewalt gedacht werden. Vielleicht denkt Franziskus dann auch an die Opfer kirchlicher Gewalt.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Ein Kommentar

  • Wanda
    17.02.2016, 22:12 Uhr.

    – darf korrigieren: nicht die Stadt Morelia ist eine Drogenhochburg sondern der Staat Michoacan, dessen Hauptstadt sie ist. Und durch den führen profitable Transportrouten in Richtung Norden (Endabnehmer USA), die von verschiedenen Kartellen umkämpft sind…

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