Der Papst, die Armenier und die Christenverfolgung
Erneut hat Papst Franziskus heute an die verfolgten Christen im Nahen Osten erinnert. Anlass war die Begegnung mit Kirchenführern der armenisch-katholischen Kirche. Der Pontifex erinnerte an die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren und stellte dann fest, dass die Stadt Aleppo, die damals ein „sicherer Hafen“ für die wenigen überlebenden Armenier gewesen sei, heute eine „Märtyrer-Stadt“ sei. Die armenischen Kirchenmänner sind aus Anlass des Gedenkgottesdienstes in Rom, den Papst Franziskus am Sonntag im Petersdom feiern wird. Dabei wird er einen Armenier zum Kirchenlehrer erheben.
Christenverfolgung wird zentrales Thema
Die Christenverfolgung ist zu einem zentralen Thema für Franziskus geworden. Angesichts der brutalen Gewalt gegen Christen im Irak, in Nigeria und anderen Ländern fordert er mit zunehmend deutlichen Worten mehr Handeln der internationalen Gemeinschaft. Die Formulierung vom „komplizenhaften Schweigen“, die er beim Kreuzweg am Karfreitag gewählt hat, war deutlich. Es war nicht das erste Mal, dass er vom „mitschuldigen Schweigen“ sprach. Am Ostermontag sprach er beim Mittagsgebet die Christenverfolgung erneut an: „Ich spreche die Hoffnung aus, dass die internationale Gemeinschaft nicht stumm und untätig angesichts dieses inakzeptablen Verbrechens bleibt, das ein besorgniserregendes Abdriften von den elementarsten Menschenrechten darstellt. Ich hoffe wirklich, dass die internationale Gemeinschaft nicht den Blick abwendet und wegschaut.
Papst gedenkt „Massaker an Armeniern“
Mit Blick auf das Schicksal der Armenier vermeidet Papst Franziskus in seiner Ansprache den Begriff „Völkermord“. Allerdings spricht er etwas verklausuliert davon, dass das Evangelium davon spreche, „aus dem Innern des menschlichen Herzens können dunkle Kräfte hervorbrechen und die systematische Vernichtung des Bruders planen, seine Einstufung als Feind, als Gegner, ja als Mensch ohne Menschenwürde. Später erinnert Franziskus daran, dass Papst Benedikt XV. beim Sultan interveniert habe, um die „Massaker an den Armeniern“ zu beenden.
Ohne den Begriff „Völkermord“ zu verwenden, spricht Franziskus eine deutliche Sprache. Kurz nach seiner Wahl im Juni 2013 hatte er bei einer Begegnung mit dem armenisch-katholischen Patriarchen Nerses Bedros XIX., angesichts der Massaker an den Armeniern vom „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ gesprochen. Die Türkei bezeichnete die Worte von Franziskus als „absolut inakzeptabel“ und bestellte umgehend den päpstlichen Nuntius ins Außenministerium in Ankara ein. Seitdem wählt Franziskus seine Worte mit Bedacht.
Aufruf zur Versöhnung und indirekte Mahnung an Ankara
„Wir werden für die Söhne und Töchter eures geliebten Volkes beten, die vor hundert Jahren zu Opfern geworden sind“, so Franziskus mit Blick auf den Gottesdienst am Sonntag. Zugleich ermutigte er dazu, „mit Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit jede Wunde zu heilen und konkrete Gesten der Versöhnung und des Friedens zwischen den Nationen zu ermuntern, denen es noch nicht gelingt, zu einem vernünftigen Konsens über die Deutung dieser traurigen Angelegenheiten zu finden.“ Bis heute gibt es einen Streit, wie die Ereignisse von damals zu deuten sind, denen nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen.
Die Türkei wehrt sich gegen die Deutung der Ereignisse als Völkermord. Die Worte des Papstes sind ein klares Signal in Richtung Ankara. Man darf daher gespannt sein auf die Predigt des Pontifex am nächsten Sonntag. Dann feiert er mit den Katholiken des armenischen Ritus eine Messe im Petersdom – allerdings im römisch-katholischen Ritus. Papst Johannes Paul II. hatte zuletzt im Februar 2001 aus Anlass der 1.700-Jahr-Feier der Christianisierung Armeniens eine Göttliche Liturgie im armenisch-katholischen Ritus im Petersdom gefeiert.