UN der Religionen

Es ist ein interessanter Vorschlag, den der ehemalige israelische Staatspräsident, Schimon Peres, in diesen Tagen ventiliert: eine Art „UN der Religionen“ oder Organisation Vereinigter Religionen. Gestern hat Peres darüber mit Papst Franziskus gesprochen. Knapp eine Stunde soll das „private Treffen“ gedauert haben. Offiziell dauern Audienztermine 20 Minuten. Gleich darauf traf Franziskus den jordanischen Prinzen Hassan ibn Talal. Der ist seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog. Bei beiden Gesprächen soll es um die Rolle der Religionen in Konflikten gegangen sein und vor allem darum, wie die Religionen friedensstiftend wirken können.

URO soll zeigen, dass Religionen gegen Gewalt sind

Die Begegnungen vom Donnerstag zeigen, die Konflikte im Nahen Osten lassen Papst Franziskus nicht los. Er und seine Diplomaten suchen nach Wegen, wie über Gespräche und Begegnungen Koalitionen für ein friedliches Miteinander geschmiedet werden können. Da klingt der Vorschlag von Schimon Peres verlockend. In einem Zeitschrifteninterview hatte der 91-Jährige seine Gründe für eine „Organisation der Vereinigten Religionen“ (URO) dargelegt. Während früher Kriege mit Verweis auf Nationalitäten geführt worden seien, spiele heute die Religion als Legitimation immer öfter eine Rolle. Daher brauche es Vertreter aller Religionen, die sich dem gemeinsam entgegenstellten. „Das wäre der beste Weg, um den Terroristen entgegenzutreten, die im Namen des Glaubens töten.“

In diesem Sinne sei auch das Friedensgebet Anfang Juni im Vatikan wichtig gewesen. Solche Initiativen zeigten, dass es den Religionen um den Frieden gehe und nicht um Gewalt. Peres forderte eine „Charta der Vereinten Religionen“. Aus Sicht von Peres könne Papst Franziskus bei diesem Prozess eine wichtige Rolle einnehmen, da er auch von vielen Vertretern anderer Religionen als moralische Instanz geachtet werde. Franziskus, so sein Sprecher nach dem Treffen, habe den Vorschlag mit großem Interesse aufgenommen. Zugleich habe er auf die bereits bestehenden Initiativen der beiden Päpstlichen Räte für den Interreligiösen Dialog sowie Justitia et Pax verwiesen.

Die große Frage dürfte sein, wer soll vertreten sein in der URO? Bei den christlichen Kirchen  ist das noch einfach. Obwohl es auch da schon im Bereich der Evangelikalen und Pfingstkirchen schwierig werden könnte, eine entsprechende Vertretung zu organisieren. Aber wie sieht das bei den Juden und Muslimen aus? Was den Islam anbetrifft, ist das jordanische Königshaus ein wichtiger Ansprechpartner für den Vatikan. Prinz Hassan ibn Talal, den Papst Franziskus jetzt traf, war von 1999 bis 2006 Präsident der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden. Der jordanische Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal hatte 2007 als Reaktion auf die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. vom September zusammen mit 138 Islamgelehrten mit einem gemeinsamen Wort an christliche Kirchenführer eine Dialoginitiative gestartet, um die angespannten Beziehungen zu verbessern. Der Dialog des Vatikans mit der Kairoer Al-Azhar-Universität kommt nur schleppend voran.

Papstreise in die Türkei

Möglichkeiten für eine Brücke zum Islam könnte die Papstreise in die Türkei bringen, die jetzt wohl noch kurzfristig ins Jahresprogramm 2014 aufgenommen wird. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. hatte bereits vor wenigen Wochen erklärt, Papst Franziskus werde dieses Jahr zum orthodoxen Andreasfest kommen. Doch so recht glauben wollte das niemand. Jetzt sieht es so aus, als werde Franziskus doch einen Wochenend-Kurztrip am 29. und 30. November in die Türkei machen. Es ist der längst fällige Gegenbesuch des Papstes am Sitz des Ökumenischen Patriarchen. Der war seit dem Amtsantritt von Franziskus schon mehrfach im Vatikan, zuletzt bei dem bereits erwähnten Friedensgebet mit den Präsidenten Peres und Abbas.

Papst Franziskus chattete am Donnerstagabend mit Jugendlichen aus fünf Kontinenten. Dabei forderte er sie zum Engagement gegen Krieg auf. Anlass war ein Treffen mit Vertretern der Organisation "Scholas occurentes". Diese wurde auf Initiative von Franziskus gegründet und kümmert sich weltweit um Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche. (ap)

Papst Franziskus chattete am Donnerstagabend mit Jugendlichen aus fünf Kontinenten. Dabei forderte er sie zum Engagement gegen Krieg auf. Anlass war ein Treffen mit Vertretern der Organisation „Scholas occurentes“. Diese wurde auf Initiative von Franziskus gegründet und kümmert sich weltweit um Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche. (ap)

Zur Familiensynode

P.S. Verwiesen sei noch auf zwei interessante Artikel in der FAZ diese Woche. Heute äußert sich dort der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in einem Interview unter anderem zur Diskussion um die aktive Sterbehilfe und die bevorstehende Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie. Um diese ging es auch in einem Artikel gestern. Grundlage des Artikels war ein 26-seitiges Papier des Bischofs von Antwerpen, Johann Bonny, der darin das „Fehlen einer kollegialen Basis“ bei vielen römischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte beklagt sowie eine Geringschätzung des Gewissens. Bonnys Text ist ein spannender Beitrag zu den Diskussionen der nächsten Wochen und Monate.

P.P.S. Mehr Informationen zu „Scholas occurentes“ gibt es auf der Internetseite der Organisation. Dort gibt es auch ein Video des 20-minütigen Chats.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.