Mehr als nur Worte – Lampedusa heute
Am 8. Juli hat Papst Franziskus die Insel Lampedusa besucht. Scharf ging er mit Politik und Gesellschaft im reichen Norden ins Gericht; kritisierte die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ angesichts der Not vieler Menschen weltweit. War der besuch nur eine Eintagsfliege? Auf Lampedusa sind die Menschen überzeugt, dass es nicht so ist. Die Insel sei heute weltweit bekannt. Früher habe man das Schicksal der Flüchtlinge gerne verdrängt. Das gehe jetzt nicht mehr, ist Bürgermeisterin Giusi Nicolini überzeugt.
Wir haben uns ein gutes halbes Jahr nach dem Papstbesuch auf Spurensuche begeben auf der kleinen Insel. Die Ergebnisse sind am 13. März im ZDF in unserem Film zur Jahresbilanz des Pontifikats von Papst Franziskus zu sehen. Derzeit sind keine Flüchtlinge hier; das Meer ist zu unruhig. Ab Ende Februar rechnen die Lampedusianer wieder mit Flüchtlingsbooten. Derzeit wird das Aufnahmelager renoviert und ausgebaut. Denn in den vergangenen Jahren stieß es angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen immer wieder an seine Grenzen. Unwürdige Zustände herrschten dort, so der Chef der Caritas Agrigent Valerio Landri.
Caritas-Italien künftig mit festem Büro auf Lampedusa
Caritas-Italien hat daher am Wochenende ein eigenes kleines Büro eingeweiht. Im Frühjahr will die Caritas noch ein kleines Aufnahmezentrum aufbauen. Dort sollen vor allem die Kinder und Frauen unter den Flüchtlingen Hilfe bekommen. Finanziert werden die Zentren unter anderem durch das Geld, das Papst Franziskus bei seinem Besuch der Pfarrgemeinde für ihre Hilfsarbeit spendete. Neben einigen wenigen Hauptamtlichen werden vor allem Ehrenamtliche aus der Pfarrei auf Lampedusa sowie anderen diözesanen Caritasverbänden Italiens arbeiten. In den letzten Tagen fanden hier in der Pfarrei Fortbildungsveranstaltungen für die Ehrenamtlichen statt, um sie für die Arbeit zu motivieren und vorzubereiten.
Obwohl das Leben auf der Insel an sich schon nicht einfach ist, ist die Hilfsbereitschaft unter den Gemeindemitgliedern hoch. Der Papstbesuch war für sie eine große Unterstützung und Bestärkung. Fühlten sie sich davor schlicht vergessen von Europa und der Welt. Angela Sorrentino, der Frau des Vizebürgermeisters, stockt heute noch die Stimme, wenn sie von dem Besuch Anfang Juli erzählt.
Bürgermeisterin Nicolini ist überzeugt, dass das Drama vom 3. Oktober 2013 mit mehr als 300 Toten keine solche mediale Wirkung entfaltet hätte, wenn Papst Franziskus nicht vorher die Insel besucht und auch danach immer wieder an das Schicksal der Flüchtlinge auf Lampedusa, aber auch in anderen Regionen der Welt erinnert hätte.
Charta von Lampedusa verabschiedet
Die positive Wirkung des Papstbesuchs wurde auch immer wieder von den Teilnehmern eines Treffens von Hilfsinitiativen unterstrichen, das am Wochenende am Flughafen von Lampedusa stattfand. Mehr als 200 Vertreter von 50 „Flüchtlingsinitiativen“ aus ganz Europa hatten sich versammelt, um die „Charta von Lampedusa“ zu verabschieden. Darin fordern sie eine radikale Änderung der Flüchtlingspolitik in Europa. Dazu gehört etwa die Möglichkeit für die Flüchtlinge, sich innerhalb der EU frei bewegen zu können und eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Sammy Ojo, der 2011 aus Libyen über Lampedusa nach Europa kam und heute in einer evangelischen Gemeinde auf Sankt Pauli in Hamburg lebt, würde gerne arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen und eine Familie gründen zu können. Doch bisher ist das nicht möglich. Er wolle nicht den Sozialsystemen zur Last fallen, sondern sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Der 25-jährige Syed Hasnain, der aus Afghanistan geflohen ist, arbeitet heute in Rom bei einer Hilfsorganisation, die junge afghanische Flüchtlinge betreut. Seine Frau lebt in Belgien. Sie sehen sich nur selten. Er ist überzeugt, dass die Apelle von Papst Franziskus Wirkung zeigen. Er rüttle die Gewissen wach, indem er immer wieder an das Schicksal derer erinnere, die am Rande der Gesellschaft stehen und in Not sind.
P.S. Die Krippe oben steht in der Pfarrkirche von Lampedusa. Ein Künstler aus Kalabrien hatte sie Papst Franziskus geschenkt. Der wiederum schenkte sie der Gemeinde der Insel. Die Heilige Familie rettet einen afrikanischen Flüchtling aus dem Meer.