Franziskus und gleichgeschlechtliche Partnerschaften

Rechtliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften „ja“, Homo-Ehe „nein“. So könnte man die Aussagend des Papstes zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zusammenfassen, die seit gestern Abend Schlagzeilen machen. Enthalten sind sie in einem neuen Dokumentarfilm über den Pontifex. Demnach stellte er fest: „Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu leben“, erklärte er. Sie seien Kinder Gottes. „Was wir brauchen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht.“ Es ist nicht wirklich eine Revolution; dennoch muss man feststellen, dass sich das Kirchenoberhaupt damit gegen vatikanische Positionen stellt.

Der Papst überrascht einmal mehr mit Interviewaussagen. (Quelle: ap)

Glaubenskongregation versus Papst?

„Nach der Lehre der Kirche kann die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen.“ So steht es in einem Dokument der Vatikanischen Glaubenskongregation von 2003, unterzeichnet vom damaligen Präfekten Kardinal Joseph Ratzinger. Franziskus lässt in seiner Formulierung im Film offen, was er über „homosexuelles Verhalten“ denkt, doch bei den rechtlichen Regelungen denkt er weiter.

Für Bergoglio ist das nicht neu. Schon als Erzbischof von Buenos Aires vertrat er die Position: gesetzliche Regelungen „ja“, Homo-Ehe „nein“. Er sprach in der Debatte über die Einführung der Homo-Ehe in Argentinien seinerzeit von einem Versuch, „Gottes Plan zu zerstören“. In seinem Dokument „Amoris laetitia“ von 2016 schreibt er: “Was die Pläne betrifft, die Verbindungen zwischen homosexuellen Personen der Ehe gleichzustellen, gibt es keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.“ (AL251)

Die Worte aus dem Dokumentarfilm klingen da schon etwas anders. Allerdings ist noch nicht ganz klar, in welchem Kontext sie entstanden sind. Sie könnten aus einem Interview des mexikanischen Fernsehens Televisa aus dem Jahr 2019 stammen. Damals wurden sie aber nicht veröffentlicht. Das Setting, in dem die jetzt diskutierten Aussagen gemacht werden, gleicht dem des Televisa-Interviews. Sollte das so sein, müsste man klären, warum Televisa und der Vatikan damals die Passage nicht veröffentlicht haben.

Sturm der Entrüstung der Konservativen

Doch ganz gleich, ob 2019 oder 2020 veröffentlicht, die Aussage bleibt bestehen und versetzt bereits konservative Katholiken rund um den Globus in Aufregung. Das Erzbistum New York veröffentlichte heute einen Text zum Thema „Wie ist mit Fehlern des Papstes umzugehen“. Darin heißt es: „Leider widerspricht die Unterstützung der rechtlichen Anerkennung jeder Art von gleichgeschlechtlicher Vereinigung der Lehre der Kirche.“ Kardinal Gerhard Ludwig Müller bezeichnete die veröffentlichten Papstaussagen als „fatal“. „Die katholischen Gläubigen sind irritiert, die Feinde der Kirche fühlen sich vom Stellvertreter unseres Herrn Jesus Christus bestätigt, dessen Gottessohnschaft sie ablehnen“, schreibt der Kardinal in einer Erklärung für das Internetportal „kath.net“.

Seine Gegner werfen Franziskus einmal mehr Verwirrung der Gläubigen vor. Doch seine Position ist klar. Allerdings müsste er wie bei anderen Themen seinen Worten Konsequenzen folgen lassen und die entsprechenden Regeln und Gebote in kirchlichen Verlautbarungen ändern. Doch davor schreckt er dann meist zurück. Klar ist auch, dass mit einem Interview keine katholische Lehre verändert oder geschrieben wird. Dennoch hat das Wort des Papstes Gewicht. Die Veröffentlichung fällt in eine Zeit, in der in vielen Ländern sehr kontrovers über LGBT+-Themen diskutiert wird wie Polen oder die USA. In vielen Ländern dürften die Aussagen des Papstes die Kirche gegenüber der Politik in Erklärungsnöte bringen. Das gilt nicht nur für Afrika. Dennoch ist die Diskussion über die katholische Position zur Homosexualität überfällig. Sie ist auch Teil der Debatten im Synodalen Weg in Deutschland.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

12 Kommentare

  • Erasmus
    23.10.2020, 20:12 Uhr.

    DAS KATHOLISCHE FAMILIENIDEAL DANKT AB

    Das waren noch Zeiten, als Geschlechtlichkeit noch binär, jegliche Sexualität außerhalb des zeugungsoffenen ehelichen Aktes als widernatürlich stigmatisiert und der Mann das unhinterfragte Oberhaupt der Familie war. Leitstern solcher katholischer Familienherrlichkeit war die Heilige Familie: Josef, Maria und Jesus.

    Das Ende der Binarität versinnbildlichte im vergangenen Sommer eine Stellenanzeige der Deutschen Bischofskonferenz: „Als Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz (m/w/d) leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Positionierung und öffentlichen Wahrnehmung der katholischen Kirche in Deutschland.“ Das kleine d bedeutet divers und besitzt Sprengkraft.

    Mit dem im Volksmund als Pillenenzyklika bezeichneten Rundschreiben „Humanae Vitae“ katapultierte Papst Paul VI. 1968 die Kirche als Lehrautorität für Sexualmoral ins irrelevante gesellschaftliche Abseits. Acht Jahre später sorgte die Reform des Ehe- und Familienrechts in der BRD für die Demontage des Ehemannes und Vaters als traditionelles Familienoberhaupt und 2020 werden die Stimmen immer lauter, die das katholische klerikale Männlichkeitsmonopol anzweifeln.

    Gegenwärtig wird der Papst von mehreren Medien zitiert: „Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie.“ Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Papst ist fehlgeleitet, oder die traditionelle katholische Morallehre ist am Ende.

    Wer könnte diese Frage besser beantworten als der von kath.net zum „emeritierten Präfekt der Glaubenskongregation“ geadelte Kardinal Müller. „Es gibt kein Recht auf Ehe und Familie, wenn nicht ein Mann und eine Frau gemäß ihrer von Gott geschaffenen Natur frei in ihrem Gewissen und vor Gottes Angesicht zu einander sagen: Nur du und für immer – bis der Tod uns scheidet.“ Demnach liegt der Papst falsch. „Wo es zu Spannungen kommt zwischen dem evidenten Wort Gottes und der unfehlbaren Auslegung einerseits und privaten Meinungsäußerungen auch höchster kirchlicher Autoritäten, gilt immer der Grundsatz: in dubio pro DEO.“

    Der „emeritierte oberste Glaubenshüter“ schwingt sich zum Papstpapst auf und fällt sein Urteil:
    „Die vorliegende Äußerung (von Papst Franziskus) ist eine rein private Meinungsäußerung, der jeder Katholik freimütig widersprechen kann und soll.“

    • Silberdistel
      24.10.2020, 18:46 Uhr.

      Interessant, die Bezugnahme auf ein „katholisches Familienideal“ und nicht auf ein „christliches Familienideal“. Da das katholische dem christlichen doch in dessen Fußstapfen folgen wollte/sollte und doch somit eigentlich identisch wäre!? Das „katholische Familienideal“, wo mag es das jemals glücklich gegeben haben, da ganz einfach zuviel menschliches und unmenschlich negatives hinein interpretiert wurde und nicht selten zum Zwang ausartete. Das „christliche Familienideal“ bleibt jedoch in Ewigkeit bestehen, da dieses nur über den durch den Christus kreierten ´Neuen Menschen´, tatsächlich verwirklicht werden kann.
      Was den „emeritierten obersten Glaubenshüter“ anbelangt, so sollte man sich durchaus sein Umfeld einmal betrachten und das, was um ihn herum sich auskondensierten durfte, als er noch nicht emeritiert war.

      • Erasmus
        25.10.2020, 3:29 Uhr.

        „Interessant, die Bezugnahme auf ein ‚katholisches Familienideal‘ und nicht auf ein ‚christliches Familienideal‘. Da das katholische dem christlichen doch in dessen Fußstapfen folgen wollte/sollte.“ (Silberdistel)

        Die Frage ist, inwieweit man von einem christlichen Familienideal sprechen kann:
        1.Jesu Äußerungen und Lebensstil lassen eine Familiendistanziertheit erkennen: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14,26)
        2.Für die frühen Christen war die christliche Gemeinschaft die eigentliche Familie, in der alle anderen Bindungen aufgehoben waren.
        3.Die Berufung zur Enthaltsamkeit galt als höherwertig, als die zur Ehe.
        4.Die Endzeiterwartung der frühen Christen relativierte die Bedeutung der Ehe.

        Das katholische Familienideal ist dagegen sehr markant. Ehe und Familie beruhen darauf, dass sich Mann und Frau lebenslange Treue versprechen. Jegliche Sexualität außerhalb der Ehe ist Sünde, die sakramentale Ehe ist prinzipiell unauflöslich. Demgemäß sind nach katholischer Morallehre ‚homosexuelle Menschen zur Keuschheit gerufen.‘ (Katechismus, Nr. 2359)

        Wenn Franziskus sagt: „Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu leben … Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht“, dann hebt er die herkömmliche katholische Morallehre aus den Angeln und erntet bei den Traditionalisten Empörung und Hass.

    • YaLob
      24.10.2020, 21:49 Uhr.

      Ich meine, dass Sie, ERASMUS sich irren. Wäre Ihre Abhandlung als Aufsatz in einer Schule zu bewerten, dann käme sicher „Thema verfehlt“ heraus.

      Papst Franziskus sprach mit keinem Wort von Ehe. Er sprach von FAMILIE.
      Nun soll mir einer erklären, warum ein Mensch nicht Mitglied der Menschheitsfamilie sein soll. Hier zeigt Papst Franziskus seine wahre Größe als SEELSORGER. Das war viele Jahre ein Fehlposten im Papstamt. Meines Erachtens war Johannes XXII der letzte Seelsorger auf diesem Stuhl. Papst Joh. Paul I hätte auch die Fähigkeit dazu gehabt, durfte aber leider nicht sehr lange seine Güte und Barmherzigkeit unter Beweis stellen.

      Ich kann und mag einfach nicht akzeptieren, dass uns die SCHRIFTGELEHRTEN bevormunden wollen. Dazu zähle ich die Herren Ratzinger, Müller, Gänswein, Woelki, Vorderholzer u.s.w.
      Wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass Papst Benedikt XVI. sein Amt quittierte mit dem Argument, seine Gesundheit sei dermassen angegriffen, dass er das Amt nicht mehr in dem nötigen Maße ausüben kann, und dann nach 7 Jahren mir noch immer seine Belehrungen – begründet allein auf menschliche Statuten und sog. wissenschaftlichen Forschungen aber eben nicht nachweisbar auf tatsächliche Aussagen von Jesus Christus – anhören soll, so befremdet mich das sehr. Er nahm Abschied vom Papstamt weil er den Schwierigkeiten nicht mehr gewachsen war (Missbrauch, Verschwendung, Homosexualität im Vatikan etc.). Übrigens, da gibt es leider eine Spur, er traf seinerzeit als Professor in Tübingen eine ähnliche Flucht an.

      Nochmals, die SCHRIFTGELEHRTEN sollten schweigen und sich eher mal eine Lehrstunde bei einem wirklich demütigen, barmherzigen und menschenfreundlichen SEELSORGER wie Papst Franziskus genehmigen. Schon unser lieber Herr Jesus Christus, unser Namensgeber warnte vor den Schriftgelehrten.

      Die sog. GLAUBENSBEWAHRER sollten endlich akzeptieren und in sich gehen und sich fragen, ob sie nicht – da eindeutig in der Minderheit – falsch liegen.
      Eine MINDERHEIT DER WAHREN GLÄUBIGEN, eine ELITE IM GLAUBEN wie sie die sog. BEWAHRER DES RECHTEN GLAUBENS postulieren, war nie das Ziel von Jesus Christus. Er war für alle Menschen da und brachte dies auch so zum Ausdruck.
      Ich meine, es ist höchste Zeit, dass auch die r.k. Kirche vorurteilsfrei akzeptiert dass alle Menschen, egal was sie fühlen, denken und wie sie handeln GOTTES KINDER sind. Barmherzigkeit kennt keine Aussonderung.

      • Erasmus
        25.10.2020, 16:59 Uhr.

        @YaLob

        Es handelt sich um ein Missverständnis. Mein Kommentar zu Erbachers Beitrag „Franziskus und gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ ist überschrieben mit „Das katholische Familienideal dankt ab“ und zielt darauf ab, die herkömmliche katholische Familiendefinition als anachronistisch vorzuführen.
        Silberdistel hat repliziert und in meiner Antwort auf deren Beitrag kommt fünfmal das Wort „Ehe“ vor.

        Ihre Einschätzung von Papst Franziskus teile ich mit Ihnen, ebenso Ihre Auffassung, dass Franziskus‘ Aussage, dass wir ein Gesetz benötigen, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht, nichts mit der katholischen Ehelehre zu tun hat.

        Der Pontifex handelt gemäß der von ihm in „Amoris laetia“ formulierten pastoralen Leitlinie: „Ein Hirte (darf) sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in ‚irregulären‘ Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft.“ (Nr. 305) Indem er das Wort irregulär in Anführungszeichen setzt, relativiert er die apodiktische Familiendefinition der katholischen Morallehre. Er hat allerdings bisher darauf verzichtet, das Kirchenrecht bzw. den Katechismus im Sinne seines Familienkonzepts zu verändern.

        • YaLob
          26.10.2020, 21:38 Uhr.

          Erasmus,
          vielen Dank für die Antwort. Hier lag ich offensichtlich falsch im Verständnis Ihres Beitrags.
          Damit kehrt sich meine Schulnote (Thema verfehlt)um!! (Bitte als Scherz verstehen!)
          Nun bleibt zu hoffen, dass Franziskus nicht ausgebremst wird.

  • neuhamsterdam
    24.10.2020, 8:58 Uhr.

    112 Monate nachdem der Papst von Altötting nach Regensburg geflogen ist, habe ich die Zeichen _| als Kondensspurenbild am Himmel gesehen, an einem Ort, den er aus dem Fenster hat sehen können. Hosianna.

  • YaLob
    24.10.2020, 9:58 Uhr.

    Endlich!
    Erstmals widerspricht Papst Franziskus seinem Vorgänger, der meiner Meinung nach so manche „Auslegung“ wissenschaftlich verbrämt höchst zweifelhaft den röm. Katholiken untebreitete.
    Ich stimme Papst Franziskus hier uneingeschränkt zu. ALLE Menschen sind Kinder Gottes. Ich würde mich freuen, wenn nun auch TATEN folgen.

    • Heilbründl
      25.10.2020, 0:03 Uhr.

      Ich schließe mich an!

  • Wanda
    25.10.2020, 15:16 Uhr.

    Also jeder nach seiner Facon ? Ok, bei gegenseitigem Einverständnis und so lange Andere dabei nicht geschädigt werden. Ist ja auch ausserhalb der Kirchen längst akzeptiert, obwohl sich dabei so mancher nicht recht wohl fühlt. Stellt sich nur noch die Frage: wieviel Geschlechter gibt es denn nun eigentlich ?

  • Novalis
    26.10.2020, 16:44 Uhr.

    Wie bedeutend ist schon kath.net?

    • Erasmus
      27.10.2020, 13:08 Uhr.

      Es geht nicht um die mediale Vermittlung der Botschaft, sondern um die Botschaft an sich. Und Kardinal Müller versteht sich als Sprachrohr eines nicht unbedeutenden Lagers innerhalb der Kirche. Nachdem er traditionalistische Positionen auf den Punkt bringt, bietet er ein Argumentationslevel, an dem widerstreitende Argumentation ansetzen kann.

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