Ein neuer Katakombenpakt

Rund 50 Bischöfe haben am Morgen in der Domitillakatakombe in Rom eine Erklärung unterzeichnet, mit der sie sich zu einem verstärkten Einsatz für eine ganzheitlichen Ökologie, gegen jede Form der Gewalt sowie für Menschenrechte und die Anerkennung neuer kirchlicher Dienste verpflichten. Der „Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus“ steht in der Tradition des „Katakombenpakts für eine dienende und arme Kirche“, den 40 Konzilsväter zum Ende des II. Vatikanischen Konzils im November 1965 am selben Ort unterzeichnet haben. Mit den Kardinälen Claudio Hummes und Pedro Ricardo Barreto Jimeno waren zwei der führenden Kirchenmänner der aktuellen Amazonassynode anwesend. Hummes ist Generalrelator der Synode, Barreto ist einer der Vize-Präsidenten. Sie hatten Papst Franziskus vorab über die Zeremonie und den Text informiert.

Kardinal Hummes unterzeichnet den „Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus“ (Quelle: Erbacher)

Synodaler Lebensstil für die Kirche

Mit 17 Punkten ist der neue Katakombenpakt umfangreicher als das Original von 1965. Neben der klaren Option für die Armen nimmt der neue Pakt das Thema ganzheitliche Ökologie sowie das besondere Engagement für die Indigenen in den Blick. Dabei geht es wie schon 1965 zum einen um den persönlichen Lebens- und Leitungsstil. Zum anderen verpflichten sich die Unterzeichnenden zum Einsatz der Ziele in Kirche und Gesellschaft. Deutlich lehnen sie für die Kirche in Amazonien „alle Arten jeglicher kolonialistischer Mentalität und Haltung ab“. Sie verpflichten sich zu einer Wertschätzung der „kulturelle, ethnische und sprachliche Vielfalt im respektvollen Dialog mit allen spirituellen Traditionen“. Das Engagement solle ökumenisch und im Dialog mit anderen Religionen erfolgen.

In den Ortskirchen wollen sie einen „synodalen Lebensstil“ etablieren, bei dem auch die Missionare und Laien „in allem, was ihnen in der Leitung der Gemeinden obliegt, eine Stimme haben“. Sie fordern eine „dringende Anerkennung“ dessen, was in den Gemeinden bereits als kirchliche Dienste getan wird etwa von den Katecheten, Lektoren und Leitern von Wortgottesdiensten. Diplomatisch heißt es dann: „Wir erkennen die Dienste und bestehende Diakonie der großen Zahl von Frauen an, die heute im Amazonasgebiet Gemeinden leiten und suchen sie, durch ein angemessenes Amt als weibliche Gemeindeleiterinnen zu stärken.“ Eine direkte Forderung des Frauendiakonats findet sich in der Erklärung nicht, doch durch die Formulierung lassen sich die Unterzeichner diese Option offen.

Freudiger nüchterner Lebensstil gefordert

Die besondere Pastoral in den Städten nehmen sie ebenso in den Blick wie die Situation der Migranten, Arbeitenden und Arbeitslosen, die Situation in der Welt der Bildung, der Kultur und Kommunikation. „Vor der Lawine des Konsums führen wir einen Lebensstil, der freudig nüchtern, einfach und solidarisch mit denen ist, die wenig oder gar nichts haben“, so die Unterzeichner. Sie verpflichten sich sehr konkret zur Reduzierung der Abfallproduktion und der Verwendung von Kunststoff und wollen, „wenn immer möglich“ öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

Zum Abschluss des Gottesdienstes übergab Kardinal Hummes dem langjährigen Amazonasbischof Erwin Kräutler eine Stola von Dom Helder Camara (1909-1999). Der ehemalige Erzbischof von Olinda und Recife war Konzilsteilnehmer und einer der Initiatoren des ersten Katakombenpakts 1965. Er war einer der profiliertesten Vertreter der Befreiungstheologie und engagierte sich im Kampf für die Menschenrechte. Bischof Kräutler wiederum gehört zu den Bischöfen, die seit vielen Jahrzehnten den „Katakombenpakt für eine dienende und arme Kirche“ leben. Er ist einer der Inspiratoren der aktuellen Amazonassynode.

Praxistest bereits in der kommenden Woche

Viele der Anwesenden heute Morgen in der Domitillakatakombe hoffen, dass der neue Katakombenpakt nicht in Vergessenheit gerät wie der Pakt von 1965. Obwohl sich damals den rund 40 Erstunterzeichnern noch 500 weitere Konzilsväter anschlossen, hat er wenig Wirkung entfalten können. Er hatte den Geruch der Befreiungstheologie und das machte ihn verdächtig. Heute sind die zentralen Anliegen der Befreiungstheologie in der Mitte des kirchlichen Handelns angekommen. Damit stehen die Chancen besser, dass der Pakt größere Wirkung entfalten kann als sein Vorgänger. Konkret wird sich das schon in den nächsten Tagen zeigen, wenn das Schlussdokument der Amazonassynode diskutiert wird.

P.S. 2015 haben wir zum 50. Jahrestag des Katakombenpakts eine eigene Dokumentation zum Thema gemacht. Bei Interesse gibt es die hier in der ZDF-Mediathek.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

11 Kommentare

  • Novalis
    20.10.2019, 12:34 Uhr.

    „’Vor der Lawine des Konsums führen wir einen Lebensstil, der freudig nüchtern, einfach und solidarisch mit denen ist, die wenig oder gar nichts haben’“, so die Unterzeichner. Sie verpflichten sich sehr konkret zur Reduzierung der Abfallproduktion und der Verwendung von Kunststoff und wollen, ‚wenn immer möglich‘ öffentliche Verkehrsmittel nutzen.“
    Sehr klug und christlich – das ist eine grundvernünftige Umsetzung des Evangeliums in öffentliches Leben, mithin Politik. Eine Evangelisierung der Welt. Schmecken wird das natürlich all denen nicht, die Cappae magnae und Samt und Seide sowie Schnittchen und Häppchen bei Fürstinnen für das Wesen des Christentums halten wie Ratzinger, Burke, Sarah, Müller, Voderholzer und Co.

  • Student
    21.10.2019, 17:50 Uhr.

    Sehr geehrte, liebe Foristen!

    Zu Kardinal Burke ist zunächst einmal zu sagen, dass er nun dafür bekannt ist, liturgische Vorgaben äußerst genau zu befolgen. Da es keine Fußwaschung außerhalb der Liturgie am Gründonnerstag gibt, wird sich Kardinal Burke gewiss nicht die Füße von Ministranten vor einem Pontifikalamt waschen lassen.

    Darüber hinaus möchte ich zu dem Posting von Novalis noch etwas schreiben.
    Ich habe drei der von Ihnen genannten Bischöfe einmal getroffen. Das waren die Kardinäle Müller, Sarah und Burke. Den emeritierten Papst Benedikt XVI. und Bischof Voderholzer habe ich nicht gesehen. Aus den Begegnungen mit den drei Kardinälen kann ich aber berichten, dass alle drei wirklich demütige und bescheidene Menschen sind. In dieser Hinsicht hat mich besonders Kardinal Sarah sehr beeindruckt. Genauso war ich aber auch von den Bischöfen Bode und Wilmer begeistert. Diese werden ja für gewöhnlich in eine andere „Schublade“ eingeordnet. Ich weiß nicht, ob Sie jemals eine Begegnung mit diesen fünf von Ihnen genannten Bischöfen hatten. Falls nicht, dann urteilen Sie bitte nicht so über sie. Ob es für einen Kardinal oder Bischof einen feierlichen Empfang gibt, liegt ja nicht am Kardinal, sondern an der ausrichtenden Pfarrei, Organisation oder Person.
    Was ich damit sagen will ist, dass es sowohl auf progressiver wie auf konservativer Seite gute Bischöfe gibt die sich ernsthaft Sorgen und Gedanken um die Kirche machen.
    Mein Eindruck bei all diesen Beratungen ist nur, dass beide Seiten (!) nicht genug miteinander sprechen. Die Synodalität ist ja schön, nur es scheint irgendwie die Kollegialität verloren gegangen zu sein.

    Abgesehen davon wird meiner Meinung nach zu wenig über das Umweltproblem gesprochen. Dieses sollte eigentlich im Vordergrund stehen. Vielleicht wird auch nur mehr über die anderen Themen berichtet.
    Die ganze Umweltzerstörung ist grauenhaft. Und es muss besonnen darüber gesprochen werden. Das heißt auch, dass es keine Schnellschüsse geben darf. Aber was die Flut an Plastikmüll und auch die massive Abholzung angeht, muss dringend gehandelt werden. Warum gibt es da keine oder nur leise (?) Empfehlungen von der Synode?

    • Wanda
      25.10.2019, 22:22 Uhr.

      Student 21.10. 17:50
      – Was die genannten Kardinäle angeht, kann man wohl nicht jeden persönlich kennen (was schlichtweg unmöglich ist), um ihn einzuschätzen oder zu werten. Es gibt doch auch noch das schöne Bibelwort „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“…
      – Und was die Umweltprobleme betrifft, bitte mehr Realismus: da kann die Kirche, Europa und wer noch so alles darüber sprechen, es wird nur einen sehr begrenzten oder gar keinen positiven Effekt haben.
      An China und Indien kommt niemand vorbei. Mir gefällt der absolut zutreffende Vergleich: wenn China nur hustet, erleiden alle anderen (sogar die USA) eine Lungenentzündung…

    • bernardo
      26.10.2019, 10:24 Uhr.

      Lieber Student,

      vielen Dank für Ihren Post. Wilmer macht auch auf mich einen guten Eindruck, ebenfalls Müller und Sarah. Die Letztgenannten kenne ich vor allem von ihren Büchern und Schriften. Ich könnte mir Sarah, der ähnlich wie Wojtyla eine Diktatur durchlebte, als nächsten Papst vorstellen.

      Burke kenne ich nicht, kann mir kein Urteil über ihn erlauben, aber ich finde es fürchterlich, wie zwei Blogger den Kardinal hier schmähen.

      Etwas noch zu dieser Figur: Ich bin kein Bilderstürmer und würde die Figuren nicht in den Tiber werfen, aber weder haben heidnische Götzenfiguren noch heidnische Riten etwas in katholischen Kirchen zu suchen. Und mit der „Vulvenmalerei“ hat der evangelische Kirchentag gezeigt, was er ist – flüssiger als Wasser, nämlich überflüssig.

    • Novalis
      26.10.2019, 16:03 Uhr.

      Kardinal Müller hat als Bischof von Regensburg seine Diözesanpriester in Angst und Schrecken versetzt und sein Bistum aufgearbeitet. Demütig ist der bestimmt nicht – sonst hätte er wohl kaum aus Wut in den Teppich gebissen, als er beim letzten Konsistorium von B16 leer ausgegangen ist, wie seine Klosterschwestern berichteten. Wäre er demütig, würde er still sein und die Nichtverlängerung als Präfekt als Aufforderung zur Umkehr LEBEN. Er ist aber das Gegenteil von demütig, genausowenig wie Sarah und Burke, die öffentlich den Papst brüskieren. Genausowenig demütig wie B16, der, obwohl er, wie er selber sagte, ungeeignet für das Papstamt war, fast 8 Jahre lang völlig unfähig einen Skandal nach dem anderen produzierte. Ich bin genügend Kardinälen, Bischöfen und anderen Popen in meinem Leben begegnet, dass ich weiß, wer demütig tut und wer es tatsächlich ist.

    • Novalis
      27.10.2019, 12:50 Uhr.

      „Ob es für einen Kardinal oder Bischof einen feierlichen Empfang gibt, liegt ja nicht am Kardinal, sondern an der ausrichtenden Pfarrei, Organisation oder Person.“
      Wenn Sie das glauben, dann schwindeln Sie sich die Wirklichkeit zurecht. So besteht Kardinal Burke z.B. darauf bei solchen Empfängen als Eminenz bzw. in der dritten Person Singular Femininum (was ja irgendwie passend ist, wie F. Martel feststellte) angesprochen zu werden. Das lässt er auch ausdrücklich die „empfangsausrichtenden“ Personen und Institutionen durch seinen Sekretär wissen. Ich finde, dass Ihre Wortmeldung erstaunlich wenig Kenntnis der Kirchenoberen im Allgemeinen und wenig Menschenkenntnis im Besonderen an den Tag legt. Aber das ist nur meine Meinung.

  • Wanda
    24.10.2019, 18:19 Uhr.

    Novalis 20.10. 12:34
    – leider steht die lobenswerte kluge und christliche Deklaration der Unterzeichner in krassem Gegensatz zum Verhalten jener, die sie bereits erwähnt haben.
    Dazu der heutige Artikel im BR von Tilmann Kleinjung (mit dem kath. Medienpreis ausgezeichnet), der sich ua. mit Finanzgeschäften des Vatikan und des entsprechenden Staatssekretariats beschäftigt, wobei dessen spektakuläre und risikoreiche Investitionen aus dem „Wohltätigkeits“-Fonds in zentrale Londoner Luxus-Immobilien erwähnt- und die Risiken dargestellt werden.
    Und das vor der Tradition des Katakombenpakts für eine arme und dienende Kirche.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.