Neue Offenheit im Vatikan

Das sehen zumindest die österreichischen Bischöfe so, die sich derzeit zu ihrem Ad-Limina-Besuch im Vatikan aufhalten. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, sprach vor Journalisten von einem „Klima der Offenheit und Herzlichkeit“. Man könne alles miteinander bereden. Der Papst habe durch seine einfache menschliche Art bereits mehr in der Kirche verändert als durch große strukturelle Kirchenreformen möglich wäre. Soviel zum Thema, es verändert sich nichts, das wir hier vor einigen Tagen diskutiert haben.

Bei den Gesprächen im Vatikan wurden wohl auch kritische Themen angesprochen. So habe der Papst selbst beim Treffen mit den Bischöfen der Wiener Kirchenprovinz die Bewegung „Wir sind Kirche“ und die Pfarrer-Initiative angesprochen. Ob Franziskus sich dazu auch positioniert hat, berichtete Schönborn allerdings nicht. Gegenüber den Journalisten erklärte der Wiener Erzbischof: „Ich denke, er sieht es ähnlich wie sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. in seiner bekannten Gründonnerstags-Predigt.“ Im April 2012 hatte Benedikt XVI. bei der Chrisammesse die Frage gestellt: „Ist Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern?“ Schönborn versuchte stark die Kontinuität der beiden Päpste hervorzuheben.

Umfrage zu Ehe und Familie war Thema

Offen sprachen die Bischöfe auch über das Thema Ehe und Familie. Das berichtete der Salzburger Erzbischof Franz Lackner.  Beim Treffen mit dem Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, sei es auch um die Ergebnisse der Umfrage zur Situation von Ehe und Familie gegangen und damit auch um die Situation der wiederverheirateten Geschiedenen. Lackner zeigte gegenüber den Journalisten genau das Spannungsfeld auf, in dem in den nächsten eineinhalb Jahren die Diskussionen verlaufen werden: einerseits das Verständnis für die Unauflöslichkeit der Ehe zu fördern, zum anderen aber auch jenen Menschen eine Antwort aus dem Evangelium zu geben, deren Ehe gescheitert ist und die einen Neuanfang suchen.

Dass Papst Franziskus gleich zwei Synoden mit dem Thema „Ehe und Familie“ beschäftigt, sehen Schönborn und Lackner als Beweis dafür, wie wichtig dem Pontifex das Thema ist und wie bewusst er sich der Probleme in diesem Kontext ist.

Stuhlkreis mit dem Papst

Interessant ist, dass Papst Franziskus die Bischöfe beim Ad-Limina-Besuch nicht mehr zum Einzelgespräch trifft, sondern immer in einer größeren Gruppe. Das hat Vor- und Nachteile. Themen, die mehrere Bistümer betreffen, muss er so nicht in jedem einzelnen Gespräch fünf- oder sechsmal hintereinander traktieren; umgekehrt fehlt dem einzelnen Diözesanbischof die Möglichkeit, ganz konkrete Einzelfragen vertraulich mit dem Papst zu besprechen. Wobei Franziskus sicherlich keinem Bischof ein Einzelgespräch verweigern würde, wenn dieser das wünscht. Die Atmosphäre ist offen. Der Papst hört zu, stellt gezielt Fragen und will von den Bischöfen wissen, wo er sie in ihrer Arbeit unterstützen könne.

Rom im Dienst der Ortskirche. So hört sich das an. Auch in den einzelnen Vatikanbehörden scheint dieser Stil Fuß zu fassen. Das berichteten vor zwei Wochen auch schon die Bischöfe der Niederlande am Rande ihres Ad-Limina-Besuchs.

Vatikanbank IOR auf gutem Weg

Kardinal Schönborn äußerte sich übrigens auch zur Vatikanbank IOR. Er wurde ja vor wenigen Tagen von Papst Franziskus in die IOR-Kardinalskommission berufen. Schönborn zeigte sich überzeugt, dass das IOR bei seinem Reformprozess auf einem guten Weg ist. Als Beispiel nannte er die Fortschritte mit Blick auf die Moneyval-Untersuchungen hin zu mehr Transparenz und dem Kampf gegen Geldwäsche. Der Kardinal ist zuversichtlich, dass das IOR auch noch in zwei Jahren bestehen wird, dann aber keine Schlagzeilen mehr machen werde.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.