Leo XIV. und der Tanz des Friedens

„Gesegnet die Friedensstifter“ steht als Motto über dem Besuch von Papst Leo XIV. Im Libanon. Gleich zum Auftakt gab der Pontifex am Sonntagabend eine Lehrstunde darüber, was Friedensstifter ausmacht. Anders als erwartet, ging er bei seiner Rede vor Vertretern aus Politik, Diplomatischem Korps und Zivilgesellschaft nicht auf die großen Krisen der Region ein, sondern konzentrierte sich auf grundsätzliche Überlegungen zum Thema Frieden. Am Morgen hatte der Pontifex zum Abschluss seines Besuch in der Türkei bekräftigt, dass es eine Priorität der katholische Kirche und seines Pontifikats sei, „unter Achtung der legitimen Unterschiede die volle Einheit der Christen zu erreichen“. Leo XIV. nahm am Gottesdienst zum orthodoxen Andreasfest in der Georgs-Kathedrale in Istanbul teil. Bevor er dann am Mittag in den Libanon weiterflog.

Papst Leo XIV. mit dem Präsidenten Libanons, Joseph Aoun. (Foto: Erbacher)

Papst allgegenwärtig

Es war ein völlig anderes Bild, dass sich am Nachmittag im Libanon bot. Die Straßen vom Flughafen Beirut zum Präsidentenpalast säumten tausende Menschen. Überall in der Stadt ist der Papst plakatiert, hängen libanesische und vatikanische Fahnen. In der Türkei war im öffentlichen Raum nichts zu erkennen von dem Besuch aus dem Vatikan. Einzig durch großräumig abgesperrte Straßen bekamen die Menschen in Istanbul davon etwas mit. Der Empfang im Libanon war herzlich, auch wenn es just in dem Moment anfing zu regnen, als der Papst sich auf den Weg durch die Straßen machte.

Dafür holte der Vatikan das Papamobil mit Glasaufbau aus der Garage und brachte es nach Beirut, das Benedikt XVI. für seine Auslandsreisen nutze. Im Pontifikat von Franziskus kam es nicht zum Einsatz. Der Papst aus Argentinien wollte keine dicken Glasscheiben zwischen sich und den Menschen haben. Leo XIV. fuhr trotz Regens mit offenen Fenstern an den Seiten. Er legte nicht die ganze Strecke mit dem Papamobil zurück. Erst als er näher ins Zentrum kam und auch ein Stadtviertel, das von der Hisbollah kontrolliert wird, passiert hatte, stieg er vom geschlossenen Wagen auf das Papamobil um.

Frieden zentrales Thema

In seiner ersten Ansprache im Libanon konzentrierte sich Leo XIV. auf das Thema Frieden und die Frage, wie dieser erreicht werden könne. Es brauche Zähigkeit und Beharrlichkeit, so das Kirchenoberhaupt. Widerstandsfähigkeit sei ein unverzichtbares Merkmal echter Friedensstifter. „Friedensarbeit ist nämlich ein ständiges Neuanfangen“, stellte er fest. Bei der ganzen rund 20-minütigen Rede schwang immer auch Bewunderung für den Libanon mit, dass sich das Volk angesichts der vielen und dauerhaften Krisen nicht aufgegeben habe. „Sie haben immer wieder einen Neuanfang gewollt und geschafft.“

Gerade für die Anwesenden, Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft, hatte er aber auch mahnende Worte. Sie sollten sich niemals von der Bevölkerung lösen und sich mit Engagement und Hingabe in den Dienst des Volkes stellen. Später konstatierte er, als er im „Leo-Stil“ das Thema Korruption und Vetternwirtschaft anspricht, dass es der Autoritäten und Institutionen bedürfe, „die das Gemeinwohl über das Partikularwohl stellen“. Diese Haltung ist für ihn Teil einer Kultur der Versöhnung. Den „beschwerlichen Weg der Versöhnung“ sieht er als weiteren wichtigen Punkt auf dem Weg zum Frieden. Persönliche und kollektive Wunden müssten geheilt werden, auch wenn das manchmal ganze Generationen dauern könne. Wenn sie nicht behandelt würden, etwa wenn jemand Unrecht und Ungerechtigkeit erlitten habe, sei es schwierig, Frieden zu finden.

Werbung für das Bleiben

Ein drittes Merkmal der Friedensstifter sei, dass sie es wagten, zu bleiben, auch wenn es Opfer erfordere. Hier spielte er auf das Problem der Abwanderung an. „Die Kirche ist nämlich nicht nur um die Würde derjenigen besorgt, die in andere Länder auswandern, sondern möchte, dass niemand zur Auswanderung gezwungen wird und dass jeder, der dies wünscht, sicher zurückkehren kann“, erklärte Leo. Schließlich sprach er das Thema Frauen an und stellte fest: „Ihre Teilnahme am sozialen und politischen Leben wie auch am Leben ihrer religiösen Gemeinschaften ist – ähnlich wie die Energie, die von jungen Menschen ausgeht – weltweit ein Faktor echter Erneuerung.“

Er schloss mit einem ungewöhnlichen Bild für die Friedensthematik. Anknüpfend an die alte Tradition der Libanesen, die Musik liebten und tanzten, übertrug er das Bild auf sein Thema: „Wer tanzt, schreitet leichtfüßig, ohne auf dem Boden zu trampeln, und bringt seine Schritte mit denen der anderen in Einklang. So ist der Friede: ein geistbewegtes Unterwegssein, das das Herz hörend und es den anderen gegenüber aufmerksamer und respektvoller werden lässt.“ Wie Leo sich diesen Tanz genau vorstellt, dazu wird er in den nächsten Tagen noch einige Takte sagen können. Allein am Montag sind vier Ansprachen geplant.

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Jürgen Erbacher

Seit August 2024 leite ich die ZDF-Redaktion "Religion und Leben", in der die Redaktion "Kirche und Leben katholisch", deren Leiter ich seit Juli 2018 war, aufgegangen ist. Für das ZDF arbeite ich seit 2005 und berichte über Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

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