Papst: Ungerechtigkeit anprangern, nicht schweigen

Papst Franziskus hat zum Osterfest die Gläubigen aufgefordert, angesichts von Ungerechtigkeit, Leid und Krieg nicht zu schweigen. In seiner Osterbotschaft erinnerte er an die zahllosen Konflikte auf der Welt. In der Osternacht mahnte er davor, angesichts der Herausforderungen nicht zu resignieren. Auch wenn man oft den Eindruck habe, nichts tun zu können, um so viele Ungerechtigkeiten zu überwinden, die viele unserer Brüder in ihrem Fleisch durchleben“. Beginnend mit dem Palmsonntag durchziehen die Predigten und Ansprachen von Franziskus in diesen Tagen eine entscheidende Frage, die er am Ende seiner Predigt in der Osternacht so formulierte: „Wollen wir an der Verkündigung des Lebens teilhaben oder werden wir angesichts der Ereignisse stumm bleiben?“ Beklagte Franziskus lange Zeit immer wieder die Gleichgültigkeit der Welt angesichts des Schicksals vieler Menschen in unterschiedlichsten Notlagen, zwingt er jeden Einzelnen jetzt zur Entscheidung: Will er sein wie die Jünger in der Todesnacht, die sich angesichts der Ungerechtigkeit, die Jesus widerfahren sei, versteckten, geflüchtet sind, ihn verleugnet haben und still waren? Für den Papst ist die Antwort klar: Wer Christus nachfolgen will, muss „schreien“ gegen Ungerechtigkeit und muss seine Energie, Intelligenz, seine Gefühle und seinen Willen einsetzen „bei der Suche nach Würde und insbesondere im Schaffen von Wegen zu ihr“.

Der Papst hatte sichtlich Spaß heute nach der Ostermesse auf dem Petersplatz in Rom. (Quelle: reuters)

Jeder trägt Verantwortung

Wenn die Jünger schweigen, beginnen die Steine zu schreien. Gleich zweimal innerhalb einer Woche verwies Papst Franziskus in diesen Kar- und Ostertagen auf diese Stelle im Lukasevangelium (vgl. Lk 19,40). Am Palmsonntag rief er die Jugendlichen aus aller Welt auf, sich gegen Ungerechtigkeit und Populismus einzusetzen. Er wiederholte das Zitat in seiner Predigt in der Osternacht. Immer wieder geht es Franziskus darum, „mit eintönigen Angewohnheiten zu brechen, unser Leben, unsere Entscheidungen und unsere Existenz zu erneuern“. Die Texte der vergangenen Tage klingen etwas wie die Vorboten des nächsten großen Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus, das in wenigen Tagen veröffentlicht werden wird. Darin geht es um den „Ruf zur Heiligkeit in der heutigen Welt“. Franziskus möchte darin noch einmal fokussiert darlegen, wie er sich die Christusnachfolge im 21. Jahrhundert vorstellt.

Wie er beim Urbi et Orbi heute betonte, soll vom christlichen Glauben eine Botschaft der Hoffnung ausgehen in einer Welt, die von Ungerechtigkeit und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt ist. Entsprechend richtete Franziskus einmal mehr seinen Appell an die Konfliktparteien rund um den Globus, im Dialog endlich zu Lösungen zu kommen: im Irak, Syrien und der Ukraine, im Heiligen Land zwischen Israelis und Palästinenser sowie den zahlreichen Konflikten in Afrika. Er erinnerte an das Schicksal der Menschen in Venezuela und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Dialog auf der koreanischen Halbinsel „Harmonie und Frieden in der Region fördern“ möge.

Das eine sind die großen politischen Linien, die in den Händen der sogenannten Mächtigen liegen. Franziskus hat in seinen Ansprachen der vergangenen Tagen einmal mehr deutlich gemacht, dass er von jedem Einzelnen Einsatz und Engagement erwartet, der sich Christ nennt.

Wir wünschen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest!

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

9 Kommentare

  • Wanda
    01.04.2018, 17:54 Uhr.

    Ich habe so meine Schwierigkeiten mit den salbungsvollen Worten und Forderungen der obersten Repräsentanten von Kirchen oder Religionen, Staaten, Organisationen und Weltanschauungen, die in ihren Institutionen viel zu oft und bei weitem nicht das verwirklicht haben, wofür sie angeblich eintreten. Sie machen sich bei diesen Anlässen nur noch weiter unglaubwürdig und erzeugen häufig nicht mehr als ein Gähnen.
    Diesbezüglich tun sich besonders Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx bei ihren gemeinsamen Auftritten hervor…
    – Ach ja, „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“…

    • Silvia
      02.04.2018, 15:00 Uhr.

      Wanda
      01.04.2018, 17:54 Uhr.

      Das sehe ich auch so. Ich frage mich immer, ob bei diesen Routineappellen überhaupt noch jemand zuhört.

      • bernardo
        04.04.2018, 21:26 Uhr.

        Nein, ich glaube nicht, Silvia. Viele Menschen haben ein Gespür für die Ernsthaftigkeit einer Sache. Kardinal Marx könnte sich auch als Regierungssprecher der Regierung Merkel bewerben.

  • bernardo
    01.04.2018, 21:25 Uhr.

    Ich möchte gerne aus einem Buch zitieren: Ross Douthat, To Change the Church: […]*

    Deutsche Theologie, argentinische Wirtschaft und das Eurokratentum – wenn man sich die Messbesuche in Deutschland, den Zustand der argentinischen Wirtschaft und der europäischen Außengrenzen ansieht, bestimmt eine Gewinnerkombination. Und man merkt es: Als der von der Presse oft angegriffene polnische Pontifex starb, waren die Straßen Roms voll. Heute sah ich einen halbleeren Petersplatz. Es wirkte wie Washington bei der Vereidigung Trumps…

    Der Nachfolger wird das „lío“, die Unordnung, aufzuräumen haben. Um seine Aufgabe ist er schon jetzt nicht zu beneiden, weil es eine via crucis sein wird.

    *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

    • Maria
      03.04.2018, 10:09 Uhr.

      Mehr Durcheinander, mehr Rosinenpickerei und mehr Gehässigkeit als in diesem Kommenntar sind schwer vorstellbar.

    • UlLrich Hopfener
      03.04.2018, 12:44 Uhr.

      @Bernardo,

      wie kann man denn so einen Polemiker zitieren,
      der sich ua.auch gegen die Gleichberechtigung zu Felde zieht: beispielsweise der zivilen Ehe MM und FF??

      • bernardo
        04.04.2018, 21:22 Uhr.

        Douthat ist Kolumnist der NYT, einem nicht gerade rechtskatholischen Blatt. In seinem Buch schreibt er nicht gegen die „Gleichberechtigung der zivilen Ehe MM und FF“, weist aber auf die Problematik hin, die sich für die Kirche ergibt, was ein Unterschied ist.

        Seine Analyse ist nicht einseitig, er berichtet über das „konservative“ und das „liberale“ Narrativ des Zweiten Vatikanums und liefert dann eine eigene Interpretation des Geschehens. Was Franziskus angeht, ist er ebenfalls nicht einseitig negativ, kommt aber zu dem Ergebnis, dass Bergoglio als Oberer seines Ordens versagt, den Orden gespalten und finanziell darbend hinterlassen hat. Ich sehe in ihm keinen Pontifex, keinen Brückenbauer, und schließe mich dem Urteil Douthats an. Jemand, der keine Gelegenheit auslässt, die eigene Kurie abzuwatschen, konservative Katholiken abzuwatschen, ist kein Brückenbauer.

        Jetzt zu den Themen: Die peronistischen Neigungen des Papstes sind bekannt. Die wirtschaftlichen Rezepte sind ausprobiert worden. Das Ergebnis: Argentinien, das 1930 zu den fünf reichsten Nationen zählte, ist auf dem Weg zu einem Drittweltstaat. Die Bevorzugung der Kasperschen Theologie durch Franziskus wird auch kein Problem lösen, sie wird höchstens ein Schisma verursachen. Die deutsche Kirche wirkt stark auf Rom ein, dabei gehört sie zweifellos zu den Kirchen, die höchstens zeigen, wie es nicht geht. Ihre einzige Stärke ist eine finanzielle, dank eines weltweit fast einzigartigen Steuersystems. Die Fokussierung auf eine „One-World“-Ideologie, die Grenzen und Nationen ablehnt und einer weltweiten Autorität – wie sähe es wohl mit deren demokratischer Legitimation aus? – das Wort redet, ist eine weitere Verirrung eines politisch bestenfalls unbedarften Mannes, der sich zu Aussagen versteigt wie: „È in atto un’invasione araba dell’Europa, ma non è per forza un male.“ (Es findet eine arabische Invasion nach Europa statt, aber sie ist nicht notwendigerweise ein Übel.) Oder: „Il Vecchio Continente ha sempre subìto invasioni della sua storia e sempre ne è uscito arricchito e ingrandito.“ (Der alte Kontinent [Europa] hat in seiner Geschichte immer Invasionen erlitten, aber er ist immer bereichert und vergrößert daraus hervorgegangen.) Man weiß nicht, ob man angesichts solcher Weisheiten lachen oder weinen oder dem Pontifex einfach empfehlen soll, mal ein Geschichtsbuch zu lesen.

        In seiner Beurteilung des Pontifikats bringt Douthat jedenfalls starke Argumente vor.

        • Wanda
          06.04.2018, 3:14 Uhr.

          Aber, aber Bernardo, Franziskus bezieht sich auf Fakten:
          – Sogar die osmanische Invasion, die zum Glück von Jan Sobieski vor Wien zum Stehen kam bzw. zurückgeschlagen wurde, hat uns Europäer enorm bereichert: die fliehenden Türken liessen Kaffeesäcke zurück…
          – Dass der Südosten Europas bzw. der Balkan jahrhundertelang unter muslimischem Joch zu leiden hatte, fällt da nicht weiter in´s Gewicht und ist eigentlich bei Politikern und anderen Sorglosen in Vergessenheit geraten: Westeuropas Einfallstore sind inzwischen weit geöffnet…

    • Erasmus
      03.04.2018, 15:11 Uhr.

      @bernardo

      Sie bringen ein Zitat, in dem – mit wohl welcher Absicht? – Dinge miteinander verknüpft werden, die in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang stehen.

      Wer nicht zu beneiden ist, ist Papst Franziskus. Denn der geht einen für die Kirche heilsamen Weg, bei dem er es mit viel Widerstand und Anfeindungen zu tun hat. Aber er hat viel erreicht. Seit „Amoris laetitia“ hat das Gewissen des Einzelnen wieder den Stellenwert, der ihm zukommt, und es ist der skandalöse Umgang mit wiederverheiratet geschiedenen Gläubigen überwunden. Danke Franziskus!

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