Ehe für Alle, Auszeit für Kardinal Pell und Gerüchte um Kardinal Müller

Am Ende ging es ganz schnell, die Entscheidung des Deutschen Bundestags zugunsten der sogenannten „Ehe für alle“. Vor einer Woche hätte das wohl noch niemand für möglich gehalten. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz kritisierte die Entscheidung scharf. Familienbischof Heiner Koch bedauerte, dass „der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben hat, um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen“. Es sei traurig, dass das Rechtsinstitut Ehe ins Räderwerk politischen Taktierens geraten sei. Die Kirche werde nun verstärkt für ihr Verständnis der Ehe als Sakrament werben. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm warb dafür, den Blick nach vorne zu richten: „Ich wünsche mir, dass jetzt weder Triumphgefühle auf der einen Seite noch Bitterkeit auf der anderen Seite den Ton angeben.“ Aus dem Vatikan gab es zunächst keine Reaktionen auf die Entscheidung des Bundestags. Die Vatikanzeitung L’Osservatore Romano berichtet in ihrer Samstagsausgabe lediglich über den Vorgang und erwähnt eigens das „Nein“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der heutigen Abstimmung. Den Vatikan treiben eher zwei Personalien um. Der australische Kardinal George Pell hatte gestern Morgen mitgeteilt, dass er seine Aufgaben als vatikanischer Finanzchef ruhen lassen werde, um nach Australien zu reisen und sich dort den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zu stellen. Ein Gericht in Melbourne hatte zuvor bekannt gegeben, ein Ermittlungsverfahren gegen den 76-jährigen Pell wegen des sexuellen Missbrauchs von Jungen einzuleiten. Am Freitagabend meldete die Katholische Nachrichtenagentur, Papst Franziskus werde das Mandat von Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Chef der Glaubenskongregation nicht verlängern. Eine Bestätigung aus dem Vatikan gibt es dafür bisher nicht. Die Kurienchefs werden wie viele andere Kurienmitarbeiter immer auf fünf Jahre, ein Quinquenium, ernannt. Das erste Quinquenium Müllers endet am Sonntag.

Kardinal Pell nimmt Auszeit

Es war ein ungewöhnlicher Vorgang. Morgens um 4.30 Uhr hatte der Vatikan die akkreditierten Journalisten informiert, dass Kardinal George Pell um 8.30 Uhr eine Erklärung abgeben werde. Schnell wurde über einen möglichen Rücktritt spekuliert. Doch der Papst hat sich für einen anderen Weg entschieden. Pell soll in seine australische Heimat zurückkehren und sich dem Verfahren stellen. Der Kardinal beteuerte gegenüber den Journalisten noch einmal seine Unschuld. „Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich diese Vorwürfe, um die es geht, komplett zurückweise. Die Berichterstattung über die Vorwürfe bestärkt mich noch in meiner Entschiedenheit. Jetzt gibt mir das Gericht eine Gelegenheit, meinen Namen reinzuwaschen und dann hierher nach Rom an meine Arbeit zurückzukehren“, zeigte sich Pell selbstbewusst.

Interessant ist, dass der Vatikan in seiner Erklärung zu dem Vorgang eigens betont, Franziskus habe in den vergangenen drei Jahren der Zusammenarbeit mit Pell an der Kurie „seine Ehrlichkeit schätzen gelernt“. Er sei dem Kardinal „für die Zusammenarbeit dankbar, vor allem für seinen energischen Einsatz für Reformen im Wirtschafts- und Verwaltungswesen und für seine aktive Teilnahme im Kardinalsrat“. Letzteres klang schon beinahe wie eine Verabschiedung. Auch wurde in dem Kontext nicht auf die Unschuldsvermutung verwiesen. Das hatte Papst Franziskus im vergangenen Jahr noch getan, als sich der französische Kardinal Philippe Barbarin mit Anschuldigungen konfrontiert sah, er habe sexuellen Missbrauch vertuscht.

Mit den Anschuldigungen gegen Kardinal Pell kommt der Missbrauchsskandal erstmals in die Führungsetage des Vatikans. Die Vorwürfe stehen bereits seit langer Zeit im Raum. Papst Franziskus sah bisher keinen Anlass zum Handeln. Das könnte für ihn noch unangenehm werden, je nachdem wie das Verfahren in Australien laufen wird. Im vergangenen Herbst hatte der italienische Journalist Emiliano Fittipaldi mit Verweis auf die Personalie Pell dem Papst vorgeworfen, dass er bei der Umsetzung seiner Null-Tolleranz-Politik bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nicht konsequent sei. Nun muss man abwarten, wie das Verfahren in Australien laufen wird.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

18 Kommentare

  • alberto knox
    30.06.2017, 23:28 Uhr.

    nachdem es jetzt nicht nur rechtskatholische pseudomedien berichten, darf man sich wirklich freuen. endlich wird dieser vertuscher in die wüste geschickt.

  • Silvia
    30.06.2017, 23:46 Uhr.

    Interessant wird sein, wer der Nachfolger Müllers als Glaubenspräfekt wird und welche Aufgabe Müller erhalten wird.

    • alberto knox
      01.07.2017, 13:11 Uhr.

      ein ganz hervorragender mann wird der nachfolger, ladaria ist sein name. hochgebildet, klug, ausgleichend. eigentlich das gegenteil von müller.

  • alberto knox
    01.07.2017, 3:15 Uhr.

    ich hoffe, dass die pfarrer möglichst bald anfangen, auch lesben und schwule sakramental zu verheiraten. die vorenthaltung der sakramentalen gnade für eine partnerschaft ist jedenfalls unerträglich.
    wieder mal nur rückzugsgefechte. anstatt jetzt zu sagen: ok, we were wrong – lasst uns gemeinsam die partnerschaften welcher couleur auch immer durch seelsorge und hilfe gestalten und probleme, die sich jetzt ergeben, anpacken, wie z.b. die leihmutterschaft, die man als christ*in nicht wollen kann, geht das lamento vom untergang des abendlandes wieder los. aber deswegen weil zwei schwule heiraten, geht es nicht unter.
    und die kirche kann sich wirklich nicht beschweren, dass das gesetz, dass eine partei allein über jahre verschleppt hat, jetzt durchgekommen ist. immerhin ist klar: merkel und die cdu sind wirklich gestrig. hätte diese partei seit 1966 durchregiert, dann wäre homosexualität heute noch strafbar. diese haltung ist echt moralisch verwerflich. gottseidank hat es die spd gegeben. und volker beck. wäre das himmelreich eine verdienstangelegenheit, er hätte es sich damit verdient.

    auch ein pell, den ich für unsympathisch halte und dessen engstirnige auslegung des katholischen ich nicht unterstütze, hat verdient, dass die unschuldsvermutung für ihn gilt. ich habe keinen einblick in die australische aktenlage (und in diesem blog wohl auch niemand sonst), und daher wäre zurückhaltung angemessen. auch bei einem christian wulff, den ich genauso wenig schätze, und den ich als präsidenten nicht vermisse, war man schnell in der vorverurteilung – und damit hat man ihm schweres unrecht getan.

    • Silvia
      03.07.2017, 17:57 Uhr.

      alberto knox
      01.07.2017, 3:15 Uhr.
      „ich hoffe, dass die pfarrer möglichst bald anfangen, auch lesben und schwule sakramental zu verheiraten. die vorenthaltung der sakramentalen gnade für eine partnerschaft ist jedenfalls unerträglich.“

      Dazu wäre eine Neuinterpretation des Ehesakramentes notwendig. Bisher ist eine sakramental gültige Ehe nur möglich, wenn die Partner grundsätzlich bereit sind, miteinander eigene, leibliche Kinder zu zeugen.

      Bisher wäre schlimmstenfalls nur eine Segensfeier möglich.

      • alberto knox
        06.07.2017, 23:23 Uhr.

        mein gott, man hat schon soviel neu interpretiert… bei frauen jenseits der menopause ist eine heirat doch auch legitim. nach den ganz klassischen vorstellungen fällt der männliche samen in der vagina einer frau nach der menopause auf ebenso unfruchtbaren boden wie wenn ein schwuler im mund oder im anus seines mannes ejakuliert. where’s the problem?

  • alberto knox
    01.07.2017, 3:18 Uhr.

    beim hoffentlich übermorgen ehemaligen präfekten der glaubenskongregation sieht das anders aus. über jahre hinweg hat er zusammen mit seinem generalvikar fuchs und seinem pressesprecher neck ein system der angst verbreitet, priester die gehälter gekürzt, unliebsame kritiker dadurch mundtot gemacht, dass er gleich die ganzen gremien, denen die kritiker angehörten, aufgelöst hat und sich aus feigheit nie in riekofen blicken lassen. dass er seine diözese nach der art preußischer juncker meinte leiten zu müssen und dann auch noch einen nur noch von seinem nachfolger übertroffenen widerlichen reliquienkult um benedikt xvi. zu lebzeiten initiierte, ja sogar die feinschaft zum besten papst seit paul vi. und den widerstand gegen die notwendige kirchenreform würde ich ihm verzeihen, nicht aber seine elend schlechten predigten. er kann gerne am sonntag in mainz sein 50. abiturjubiläum zusammen mit lehmann und dessen nachfolger feiern – und dann in mainz-finthen bleiben.

    • alberto knox
      01.07.2017, 3:20 Uhr.

      am besten wäre es, wenn sein nachfolger voderholzer auch das feld räumen würde und endlich auch mal in regensburg ein vernünftiger bischof hirte wird. nach 185 jahren hätte dieses bistum auch mal wieder einen gescheiten bischof verdient.

  • Suarez
    01.07.2017, 11:52 Uhr.

    Ich hätte es nicht für möglich gehalten – aber ich finde es sehr gut, dass Kardinal Müllers Amtszeit nicht verlängert wurde.

  • Silberdistel
    01.07.2017, 13:47 Uhr.

    Nach dem Outing des jahrelang der Glaubenskongregation unter Müller angehörigen Priesters Krzysztof Charamsa im Jahr 2015, das in diesen Reihen derart hoher katholischer Moral sicher eingeschlagen hat wie eine Bombe, war es absehbar das Müller nicht verlängert werden kann. Wahrlich kein Ruhmesblatt für einen (christlichen) Chef, das solch ein Outing in dieser medienwirksamen Art, quasi direkt unter seiner Nase katholisch schädigend platzen musste.
    – Mit Lebenslügen geht es auch weiter in Bezug auf die „Ehe für Alle“, denn schon längst wurde die inoffizell und unter der Decke, praktiziert. Aber ob Franziskus von „Mutti´s“ Vorhaben wußte, als Er sie ungewöhnlicherweise als wahlkampfführende Politikerin erst kürzlich zum gar 4. Mal empfing?
    – Kardinal Pell´s Einlassungen klingen ja schon so in Richtung von Barschel´s öffentlicher „Ehrenwort“-Erklärung. Normalerweise klagen Behörden ja nicht an, wenn die nicht stichhaltiges in Händen hätten. Oder wurden jene nur wiedermal vom direkten Ausfluss von „Katholenphobie“ getrieben? Wird sicher sehr spannend werden, wie es bereits vor dem weltlichen Gericht am langen Ende ausgehen wird und wer seine Hände am Ende in Unschuld waschen kann.

    • alberto knox
      01.07.2017, 14:13 Uhr.

      „derart hoher katholischer Moral“… naja, gehen sie mal davon aus, dass 95 % aller priester masturbieren (und damit den zölibat brechen) und mindestens 40 % einen festen freund oder eine feste freundin haben (mit landsmannschaftlichen unterschieden, die deutschen sind eher in schwulen festen händen, in polen lacht man über die vielen pfarrer, die ins bordell gehen).
      die homolobby ist im vatikan ja nicht eine clique von schwulen, die sich FÜR schwule und deren rechte einsetzt, sondern die mit erpressung und anderen widerlichen methoden mit der homosexualität von priestern politik, und zwar reaktionäre, betreibt.
      insofern ist charamsa eigentlich einer der honorigen männer dort: er hat gesehen, dass er es nicht länger mit einem doppelleben aushält und steht zu seinem freund. das sollte man, wie jede andere treue partnerschaft unterstützen, auch durch unser gebet.

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        01.07.2017, 20:45 Uhr.

        Mir sind keine seriösen Quellen bekannt, die diese Zahlen auch nur im Entferntesten bestätigen würden.

        • alberto knox
          01.07.2017, 22:40 Uhr.

          entre nous: ein besuch in einem priesterseminar, ein paar rücksprachen mit den ehrlicheren pfarrern und vor allem mit den altkatholischen pfarrern, die im prinzip notfallseelsorge für gescheiterte schwule pfarrer machen, weil die altkatholiken sie nicht denunzieren würden, all das kann die augen öffnen.

          • Jürgen Erbacher
            Jürgen Erbacher
            02.07.2017, 16:33 Uhr.

            D.h. Es gibt keine unabhängige Quellen zum Thema. Wir werden daher keine weiteren Kommentare zu diesem Thema freischalten. Im urspünglichen Text geht es um andere Themen.

          • alberto knox
            02.07.2017, 17:56 Uhr.

            nur dass unabhängig und seriös nicht dasselbe ist.

  • theobald 27
    02.07.2017, 8:42 Uhr.

    Zum Thema Ehe für alle: Bei der Debatte im Bundestag wurde mehrfach gesagt, dass durch die „Homo-Ehe“ niemand etwas genommen wird. – Wo nichts ist, kann auch nichts genommen werden. Schon im Kommunistischen Manifest wurde die Abschaffung von Ehe und Familie gefordert. Karl Marx würde sich über die Entwicklung bei uns freuen. Wenn Ehe überall dort ist, wo Menschen in Liebe zueinander Verantwortung übernehmen, da ist damit auch eine Ehe zu dritt oder viert „auf dem Weg“. Für viele Zeitgenossen ist Ehe doch nur ein leerer Begriff. Denen wird durch die Anerkennung der Homo-Ehe auch nichts weggenommen.

    • Wanda
      02.07.2017, 17:43 Uhr.

      theobald27, 08:42 Uhr
      – Die Ehe zu dritt ist nicht nur auf dem Weg sondern bereits Wirklichkeit. Kolumbien, eines der zu 90% röm.-kath. Länder Lateinamerikas, hat erstmals offiziell eine „trieja“, d.h. eine Ehe zu Dritt anerkannt. Aber nicht genug damit: es sind 3 Männer !

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