Der Papst in Mexiko – Tag 2

Emotionen und klare Worte haben den zweiten Tag von Papst Franziskus in Mexiko geprägt. Am Abend feierte er einen Gottesdienst im größten Marienheiligtum der Welt: Guadelupe. Franziskus, der wie alle Lateinamerikaner ein großer Marienverehrer ist, verweilte am Ende rund 25 Minuten im stillen Gebet vor dem Marienbild. Am Morgen hatte er den Bischöfen Mexikos eine Standpauke gehalten. Nicht „Fürsten“ bräuchten die Menschen, sondern „Zeugen des Herrn“. Sie sollten sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern sich den aktuellen Herausforderungen stellen. Dazu zählte Franziskus unter anderem den Drogenhandel. Den hatte er zuvor schon beim Treffen mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft angesprochen. Auch bei dieser Gelegenheit scheute sich Franziskus nicht, kritische Punkte zu benennen.

Rede

(Quelle: Erbacher)

Papst kritisiert Korruption

Der Empfang war höflich, den Präsident Enrique Pena Nieto und seine Gattin dem Papst im Nationalpalast bereiteten. Obwohl das aktuell der siebte Papstbesuch in Mexiko ist, wurde bisher noch kein Pontifex am Sitz der Regierung begrüßt. Franziskus nutzte die Gelegenheit, um den „kulturellen Reichtum“ des Landes zu würdigen. Kritisierte dann aber umgehend, wenn nach dem „Weg der Privilegien oder Vorteile für einige wenige zum Schaden des Wohls aller“ gesucht werde. Dieses Verhalten machte er als eine der Ursachen für Korruption, Drogenhandel, Gewalt und Menschenhandel aus. Er forderte „angemessene Wohnung, menschenwürdige Arbeit, Ernährung, echte Gerechtigkeit, effektive Sicherheit, eine gesunde Umwelt und Frieden“. Trotz der kritischen Worte bekam er einen langen Applaus für seine Worte.

Standpauke für die Bischöfe

Die Kritikpunkte, die Franziskus bei der Begegnung mit den Bischöfen Mexikos anschließend anführte, können gar nicht alle aufgezählt werden. Es war eine typische Franziskusrede, die an seine Ansprachen bei ähnlichen Gelegenheiten erinnerte etwa beim Treffen mit den US-Bischöfen im September 2015 in Washington oder den Bischöfen Lateinamerikas am Rande des Weltjugendtags in Rio de Janeiro 2013. Das Handeln der Kirche müsse von der „Zärtlichkeit Gottes“ bestimmt sein und nicht von der „Kraft der Mittel“ oder der „Härte des Gesetzes“. Er mahnte die Bischöfe, sie sollten keine Angst vor der Transparenz haben. „Die Kirche hat es nicht nötig, im Dunkeln zu arbeiten“, so Franziskus. Das hörte sich nach einem Korruptionsproblem in der Ortskirche an.

Die Bischöfe sollten an der Seite des Volkes stehen und keine Zeit mit „nebensächlichen Dingen, Redereien und Intrigen, mit eitlen Karriereabsichten, mit leeren Hegemonie-Plänen, in unfruchtbaren Interessengemeinschaften und Komplizenschaft“ verbringen. Vielmehr sollten sie konkret handeln. Als Beispiel nannte Franziskus den Drogenhandel. Hier sollten sie die „ethische und bürgerfeindliche Herausforderung“ nicht unterschätzen und sich nicht in „allgemeine Verurteilungen flüchten“. Es müsse vielmehr ein qualifiziertes pastorales Projekt geben, das Familien, Schulen, Pfarreien und alle gesellschaftlichen Institutionen mit einbezieht. Er warnte die Bischöfe, alte Antworten auf neue Fragen zu geben.

Franziskus erinnerte an die „antike und reiche Sensibilität der Indianervölker“ und machte deutlich, dass die indigene Kultur aus seiner Sicht noch nicht ausreichend in der Kirche gewürdigt wird. Den Hirten tue es not, „die Versuchung der Distanz und des Klerikalismus, der Kälte und der Gleichgültigkeit, des triumphalen Verhaltens und der Selbstbezogenheit zu überwinden“. Der Applaus fiel verhalten freundlich aus. Standing Ovations, wie sie Franziskus am Morgen beim Treffen mit der Zivilgesellschaft bekam, blieben nach der Rede aus; zur Begrüßung hatte es das auch bei den Bischöfen noch gegeben. Wenn ein Papst drei Jahre nach Amtsantritt eine solche Rede halten muss, ist das ein weiterer Beweis dafür, welche dicken Bretter Franziskus bohren muss, um den Kurswechsel, den er der Kirche verordnen will, durchzusetzen. Den Widerstand gibt es nicht nur im Vatikan, sondern auch im Weltepiskopat – und in der Führungsspitze eines der katholischsten Länder der Welt.

Emotionaler Höhepunkt

„Mater mia, spes mia – meine Mutter, meine Hoffnung“ steht auf dem vergoldeten Diadem, dass Papst Franziskus der Jungfrau von Guadelupe schenkte. Es war der spirituelle Höhepunkt der Reise, das stille Gebet des Papstes vor dem Gnadenbild. Am Ende verlies Franziskus sichtlich bewegt die kleine Kapelle hinter dem Hauptaltar der Wallfahrtsbasilika. Zuvor hatte das Kirchenoberhaupt in seiner Predigt beim Gottesdienst noch einmal gemahnt, dass niemand aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden dürfe. Er erinnerte an die Opfer von Gewalt und sprach von den Kindern, die „fortzogen, verloren gingen oder ihnen [den Eltern] sogar verbrecherisch entrissen wurden“. Hier spielte Franziskus unter anderem auf die 43 Studenten an, die im September 2014 entführt wurden und von denen seitdem jede Spur sieht. Die Eltern wollten den Papst während der Reise treffen. Bisher sind allerdings nur einige wneige Plätze für Eltern beim letzten Gottesdienst in Ciudad Juárez reserviert. Ob es zu einer persönlichen Begegnung kommt, ist ungewiss bis unwahrscheinlich.

Auf dem Rückweg am Abend zur Nuntiatur säumten wieder zehntausende Menschen die Straßen in Mexiko-Stadt. Kollegen, die bereits mit Papst Johannes Paul II. hier in Mexiko waren, haben den Eindruck, dass die Zahl der Menschen am Wegesrand bisher geringer ist, als beim polnischen Papst. Verglichen mit dem Bild, das sich vor gut einem Jahr auf den Philippinen bot, ist das hier in Mexiko-Stadt in der Tat wenig. Vatikansprecher Federico Lombardi hatte vor einigen Tagen im Vatikan beim Briefing für die Journalisten ebenfalls von den unglaublichen Massen an Menschen berichtet, die bei den Besuchen Johannes Pauls II. an den Straßen gestanden hätten. Nun ist der Papst erst einen Tag da. Für ein abschließendes Urteil dazu ist es noch zu früh. Vatikansprecher Lombardi sprach am Abend trotzdem von einer Million Menschen, die bisher die Straßen gesäumt hätten. Allerdings war zu hören, einige Bischöfe, die den Kurs von Franziskus nicht teilen, hätten in ihren Bistümern keine große Werbung für den Papstbesuch gemacht.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Ein Kommentar

  • Silberdistel
    14.02.2016, 23:16 Uhr.

    „..Zärtlichkeit Gottes..“
    Mehr ist dem nicht an Worten hinzu zu fügen wenn man in der Liebe Gottes steht.

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