Der Papst und die Kinder

Darf man Kinder schlagen oder nicht? Mit einer Aussage zu dieser Frage bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch hat Papst Franziskus eine heftige Debatte ausgelöst. Der Vatikan dementierte am Nachmittag, dass Franziskus dazu aufgefordert habe, Kinder zu schlagen, und verwies zudem auf den bisherigen öffentlichen Umgang des Papstes mit Kindern. Dieser legt in der Tat nahe, dass Franziskus nichts ferner liegt, als Gewalt gegen Kinder zu rechtfertigen. Dennoch muss sich der Pontifex fragen, ob er seine Worte nicht mit mehr Bedacht wählen muss. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Franziskus durch ungewöhnliche Aussagen für Aufsehen sorgt.

„Würdevolles Schlagen“ gibt es nicht

Eigentlich ging es bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch um die Väter. Franziskus unterstrich die unersetzbare Rolle der Väter für die Familie und die Erziehung der Kinder. Der Vater müsse in der Familie präsent sein, der Ehefrau zur Seite stehen und den Kindern Klugheit, Wachsamkeit, Glauben und Integrität vermitteln. Dann sagte er: „Ein guter Vater versteht zu warten und zu vergeben, und das aus ganzem Herzen. Gewiss, er kann auch entschlossen zurechtweisen: Er ist kein schwacher Vater, kein nachgiebiger, sentimentaler. Der Vater, der zurechtweisen kann, ohne zu demütigen, ist der gleiche, der zu schützen weiß, ohne sich zu schonen. Einmal hörte ich in einem Treffen von Eheleuten einen Vater sagen: ‚Manchmal muss ich die Kinder ein bisschen schlagen – aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen.‘ Wie schön: Er hat einen Sinn für Würde. Er muss bestrafen, er macht’s auf rechte Weise, und dann geht es normal weiter.“

Weitere Einschränkungen macht Franziskus nicht; dies legt den Schluss nahe, es könne ein „würdevolles Schlagen“ geben. Dass dies nicht sein kann, betonte heute unter anderem die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig. Jegliche Gewalt gegen Kinder sei absolut inakzeptabel. Ähnlich äußerten sich Kinderschutzorganisationen. Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte am Nachmittag, der Papst habe Eltern nicht dazu aufgefordert, ihre Kinder zu schlagen. Vielmehr habe er sie dazu ermuntert, „zu korrigieren, ohne zu erniedrigen“. Lombardi sagte, Eltern hätten die Verantwortung, ihre Kinder „mit Liebe und Respekt für ihre Würde“ auf dem rechten Weg zu führen und ihnen zu helfen, sich gut zu entwickeln. Es liege in der Verantwortung guter Eltern, in der jeweiligen Situation den besten Weg zu finden.

Papstäußerung kontraproduktiv

Auch wenn der Papst seine Worte so nicht gemeint haben mag, sie sind einmal mehr missverständlich. Sie untergraben sein Anliegen, Kindern allen nur möglichen Schutz zukommen zu lassen, wie er es gerade gestern in einem Brief an alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen sowie die Ordensoberen formuliert hat. Anlass des Briefes war die erste Sitzung der von Franziskus neu ins Leben gerufenen Kinderschutzkommission. Diese tagt von heute bis Sonntag im Vatikan. Sie soll dafür sorgen, dass Missbrauchsfälle jeglicher Art in Einrichtungen der katholischen Kirche nicht mehr vorkommen. Dazu zählt neben dem sexuellen Missbrauch auch jede Form der Gewalt gegen Kinder.

In seinem Brief hatte Franziskus deutlich gemacht, „im Priesteramt ist absolut kein Platz für diejenigen, die Minderjährige missbrauchen“. Er rief dazu auf, sexuellen Missbrauch nicht zu vertuschen. Die Bekämpfung sexueller Übergriffe muss dem Papst zufolge in der Kirche Priorität haben. Andere Anliegen – gleich welcher Art, etwa der Wunsch, einen Skandal zu vermeiden – dürften keine Priorität bekommen. Familien sollten wissen, dass die Kirche jegliche Anstrengung zum Schutz ihrer Kinder unternehme, heißt es in dem Papstbrief. Sie könnten sich voller Vertrauen an die Kirche wenden, denn diese sei ein „sicheres und geschütztes Haus“ für ihre Kinder.

Die Spontaneität des Papstes hat ihren Preis. Franziskus macht sich damit angreifbar. Erinnert sei nur an den Kaninchen-Vergleich bei der Frage nach Nachkommenschaft oder den Kinnhaken als Reaktion auf die Beleidigung der Mutter und seine Rede von spirituellem Alzheimer als Kritik an der Kurie. Mit dem „Erziehungs-Klaps“ ging er jetzt zu weit. Franziskus muss lernen, dass seine Worte Gewicht haben. Die Welt schaut auf ihn als moralische Instanz. Die sollte er nicht leichtfertig verspielen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.