Ex-Ölmanager wird Anglikanerprimas
Was für eine Karriere: Justin Welby ist erst seit einem Jahr anglikanischer Bischof und jetzt soll er geistliches Oberhaupt der rund 80 Millionen Anglikaner weltweit werden. Am Vormittag wurde in London offiziell bestätigt, dass der 56-Jährige Nachfolger von Rowan Williams als Erzbischof von Canterbury werden soll. Williams (60) gibt sein Amt zum Jahresende auf und kehrt in die Wissenschaft zurück. Welby ist Jurist, Theologe und fünffacher Familienvater. Bevor er 1993 zum Priester geweiht wurde, war er elf Jahre als Finanzmanager in der Ölbranche tätig. Erst seit Oktober 2011 ist er Bischof von Durham im Nordosten Englands.
Seine Managementqualitäten wird der Quereinsteiger in den nächsten Jahren gut brauchen können. Als Ehrenoberhaupt der Anglikaner hat er eigentlich keine Macht; muss aber trotzdem die 80 Millionen Anglikaner zusammenhalten. Und das ist nicht immer einfach. Das musste der scheidende Primas, Rowan Williams, in den letzten Jahren immer wieder schmerzlich erfahren. Am Streit um die Bewertung der Homosexualität und die Frage der Bischofsweihe für Frauen droht die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahren zu zerbrechen. Im Moment herrscht Waffenstillstand zwischen den Streitparteien innerhalb der Kirche.
Diese internen Schwierigkeiten brachten das ökumenische Gespräch nahezu zum Erliegen. Zwar blieb der Kontakt etwa zwischen Rowan Williams und dem Vatikan immer sehr eng – jüngstes Beispiel ist die Teilnahme des Primas am Gottesdienst zum 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 2012 auf dem Petersplatz im Vatikan; doch theologisch kam man in den letzten Jahren nicht viel weiter. Einige konservative Anglikaner sind in den letzten Jahren zur katholischen Kirche übergetreten. Der Vatikan hatte eigens für die eine Struktur geschaffen, die mit dem Kurs einiger Nationalkirchen der Anglikaner – etwa der Öffnung für Frauen im Priesteramt und der positiven Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – nicht einverstanden waren. Dieser Schritt führte ebenfalls zu Verstimmungen im Dialog zwischen Canterbury und Rom.
Ob sich das ökumenische Klima unter Welby ändern wird, ist noch nicht abzusehen. Welby gehört eher dem evangelikalen Flügel an, die traditionell eher konservative Positionen vertreten. So lehnte er etwa wiederholt die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab; zugleich zeigte er sich aber in der Vergangenheit bei der Frage der Bischofsweihe für Frauen kompromissbereit. Welby ist ein großer Freund der katholischen Liturgie. Vielleicht findet sich ja darüber eine Brücke für den Dialog.