Ruhig und aufmerksam – 100 Tage Papst Leo XIV.
Ein Gottesdienst in Castel Gandolfo, dazu ein paar Tage Entspannung fern vom Vatikan. So begeht Papst Franziskus die 100-Tage-Marke seines Pontifikats an diesem Freitag. Er setzt sich damit von seinem Vorgänger ab, der die päpstliche Sommerresidenz in den Albaner Bergen mied. In vielen organisatorischen und auch protokollarischen Dingen geht Leo XIV. eigene Wege, knüpft an frühere Traditionen an. Inhaltlich ist er bisher nah an den Themen seines Vorgängers unterwegs. Zu Frieden, Gerechtigkeit und Klimawandel äußerte er sich wiederholt. Im Herbst will er ein Dokument veröffentlichen, das Franziskus bereits vorbereitet, aber nicht mehr publiziert hat. Es soll um Armut gehen. Zu innerkirchlichen Fragen war bisher wenig zu hören. Klar ist, dass der Synodale Prozess auf Weltebene weitergeht. Zu Details äußerte sich Leo XIV. aber auch hier nicht. Manche sprechen mit Blick auf den 69-Jährigen von einer Blackbox auch nach 100 Tagen, andere können der Tatsache viel abgewinnen, dass nach dem Wirbelwind Franziskus Papst Leo XIV. die Kirche wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen scheint. Doch ganz so untätig, wie es auf manche wirkt, war er nicht.
Zeit, um Brücken zu bauen
Die Kardinäle suchten im Vorkonklave einen, der Brücken bauen kann angesichts der Grabenkämpfe in der katholischen Kirche in den vergangenen Jahren. Das scheint sich Leo XIV. zu Herzen zu nehmen. Denn Brücken baut man nicht, indem man vom ersten Tag an Entscheidungen fällt wie ein Monarch, sondern indem man zuhört, abwägt und diskret nach Lösungswegen sucht. Das braucht Zeit. Dabei dürften für Leo in der Anfangsphase des Pontifikats weniger die inhaltlichen Fragen im Mittelpunkt stehen, vielmehr gibt es strukturelle Fragen zu klären. Die Kardinäle forderten im Vorkonklave eine Rückkehr zu einer stärker kollegialen Beratungsstruktur. Die K9 war sicher eine gute Einrichtung, doch am Ende entschied Franziskus nach eigenem Gutdünken. Das frustrierte selbst engagierte Mitarbeiter des Kardinalsrats. Zudem ist noch zu klären, wie die Bischofssynode in der Form, in der sie im Rahmen des Synodalen Prozesses praktiziert wurde, einzuordnen ist. Laien mit Stimmrecht bei einer Bischofssynode mag für viele wünschenswert sein, doch braucht es eine theologische und kirchenrechtliche Grundlegung.
Die Kurie ist eine weitere Baustelle. Hier läuft auch nach der Reform durch Praedicate evangelium vieles nicht rund. Es könnte im Herbst bereits erste kleinere Korrekturen geben – ein Beispiel ist die Organisation des Weltkindertags, die vor wenigen Tagen von der Dombauhütte von Sankt Peter zum Dikasterium für Laien, Familie und Jugend übergegangen ist. Allein, dass Leo XIV. den Mitarbeitenden der Kurie bei mehreren Begegnungen Respekt für ihre Arbeit zollte, bewirkte einen kleinen Klimawandel in der römischen Zentralverwaltung. Die Worte „Päpste kommen und gehen, die Kurie bleibt,“ wirkte wie Balsam auf geschundene Seelen. Neben den strukturellen Dingen müssen die Finanzen sortiert werden, braucht der Vatikan Geld. Ob es hier von Vorteil ist, dass Leo Amerikaner ist und somit die unter Franziskus etwas versiegten Geldquellen der finanzkräftigen konservativen US-amerikanischen Katholiken wieder zum fließen bringen kann, bleibt abzuwarten.
Freundlich und verbindlich
Inhaltlich hielt sich Leo bei innerkirchlichen Fragen zurück. Er bestätigte den Synodalen Prozess auf Weltebene. Offen bleibt aber nach wie vor, in welchem Umfang Laien an Beratung und Entscheidung beteiligt werden. Auch bei der Frauenfrage gibt es bisher keine belastbaren Aussagen des Pontifex. Dass er bei einem Treffen mit Seminaristen den Zölibat verteidigte, bei einem Treffen mit Familien die Ehe von Mann und Frau hervorhob, blieb weitestgehend unbemerkt und sagt auch wenig darüber aus, ob er sich etwa beim Zölibat auch Änderungen vorstellen kann. Dazu ist das Pontifikat zu jung. Mit Blick auf die Reformanliegen aus Deutschland hatte Kardinal Prevost bei den Gesprächen stets eine vermittelnde Rolle eingenommen, ist zu hören. Daher wird es spannend sein, wenn er im Herbst jetzt erste größere Entscheidungen wird treffen müssen, ob es ihm dann gelingt, Brücken zwischen den verschiedenen Lagern zu bauen.
Das Weltjugendtreffen hat gezeigt, dass er mit großen Mengen umgehen kann. Zugleich ist deutlich geworden, dass er eher etwas distanzierter ist im direkten Kontakt mit seinem Gegenüber. Er ist weniger der Typ herzlicher Umarmungen, eher des freundlichen und verbindlichen Handshake. Auch auf der großen Bühne bewegt er sich zielgerichtet, zugleich sieht man ihm den großen Druck an, den er auf seinen Schultern spürt. Vermutlich hält er sich bisher bei seinen Reden und Predigten eher strikt an das vorbereitete Manuskript. Oder ihm ist noch die Kritik vieler Kardinäle aus dem Vorkonklave präsent, die sich über Franziskus beschwerten, seine verbalen „Ausrutscher“ und die unzähligen Interviews, die er meist am Presseapparat vorbei gegeben hat und die nicht selten auch zu widersprüchlichen Positionen zu eigenen Aussagen oder gar dem Lehramt führten.
Wunschkandidat von Franziskus
Franziskus und Leo – in den vergangenen Wochen wurde hier in den Kommentaren intensiv diskutiert. Vielleicht kann man das, was Kardinal Lehmann einmal über Johannes XXIII. im ZDF sagte, auch gut auf Franziskus übertragen. Er wurde zum rechten Zeitpunkt gewählt und ist zum rechten Zeitpunkt gestorben. Nur ein Johannes XXIII. hatte den Mut und die Festigkeit im Glauben, ein Konzil einzuberufen. Aber er hätte es nie geordnet zu Ende bringen können. Dafür habe es eines Paul VI. bedurft, so Lehmann. So tat es der Kirche sicher gut, einen Franziskus gehabt zu haben, der Luft in verstaubte Kirchbauten lies, Diskussionen öffnete, Althergebrachtes in Frage stellte. Der Typ, das Ganze theologisch und kirchenrechtlich zu ordnen, war er nicht.
Das ist jetzt Leo XIV., der sicherlich zu den Wunschkandidaten von Franziskus für seine Nachfolge zählte, wenn er nicht sogar der Favorit war. Franziskus ernannte ihn 2014 zum Bischof in Peru, 2023 holte er ihn als Präfekt der Bischofskongregation nach Rom, nach noch nicht einmal zwei Jahren im Kardinalskollegium erhob er ihn im Februar 2025 zum Kardinalbischof. Zumindest dieser letzte Schritt war ungewöhnlich, auch wenn er einem wichtigen Dikasterium vorstand. Ganz gleich, ob Franziskus ihn favorisierte, jetzt muss er die Geschicke der katholischen Kirche lenken. Die Herausforderungen sind groß innerhalb der Kirche, aber auch angesichts der vielen Konflikte und großen politischen Verwerfungen weltweit. Da kann die ruhige Art des Leo XIV. auch ein Vorteil sein, wenn er mit Bedacht agiert und sich so absetzt von Entscheidern, die die kurzfristigen Erfolge und das Rampenlicht suchen.
3 Kommentare
Ich lese täglich auf katholisch.de und da hatte ich gestern den Eindruck, dass die Journalisten sich etwas schwer mit ihm tun, weil er bisher keine irgendwie gearteten Aufreger geliefert hat.
Royals werden von klein auf auf ihre Aufgaben vorbereitet, Päpste nicht. Die erwischt es immer kalt.
Franziskus ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Damit will ich sagen, dass er von Anfang an und immer wieder große Erwartungen geweckt hat denen keine nennenswerten Taten / Ergebnisse folgten.
Ich befürchte nur, dass Leo tatsächlich einen „eigenen Weg“ findet, mit dem er sich von Franziskus immer deutlicher absetzen wird.Heute ist es beispielsweise die Wiederbelebung von früher gepflogenen Traditionen – siehe die Sommerfrische in Castelgandolfo oder die Rückkehr in den „Apostolischen Palast“. Früher oder später könnte es dann zu massiveren Eingriffen kommen, von denen Reformansätze betroffen wären , die sich unter Franziskus gerade zu entwickeln begannen.
Leo XIV macht zwar eine „bella figura“ und hat es relativ rasch geschafft populär zu werden, sodass man sich (wie gerade auch in diesem Blog) mit Kritik an Franziskus geradezu übertrifft. Ob das aber so bleiben wird und Papst Prevost, wenn er den Erwartungen nicht entspricht, weiterhin allgemeine Popularität genießen wird ist mehr als fraglich. Ich bleibe skeptisch und halte es da eher mit mit Wilhelm Busch wenn er in Max und Moritz schrieb „Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe…“.
Schade, dass Her Erbacher die kleinen optischen Signale des neuen Papstes nicht würdigt. Allein sog. „Äußerlichkeiten“ sagen aber oft mehr aus als aus der Luft gegriffene Vermutungen oder Hypothesen. Ich finde, Leo XIV. ist sich der hohen Würde seines Amtes bewusst und bricht endlich mit den geschwätzigen Bergoglio-Jahren, wo ständig neue Türen aufgerissen wurden, durch die der Papst selbst gar nicht gegangen ist. Die demonstrative „Billigkeit“, mit der Franziskus aufgetreten ist, hat Gott sei Dank ein Ende. Die Spontaneität des Südamerikaners war eher lästig und hat vielleicht die große Masse des naiven Volkes begeistert. Ein Beitrag zur Wahrung des Glaubens und der Tradition war das Pontifikat ganz sicherlich nicht. Seien wir dankbar, dass wir in Leo XIV. einen Vicarius Christi haben, der seine Worte abwägt und erst denkt, bevor er spricht.