Synode 2023: Papst will Kirche weder starr noch lau noch müde
Es klingt wie die Quadratur des Kreises, die Papst Franziskus mit der aktuellen Synode einmal mehr vollziehen will. Sie soll sich nicht vom Schatz der Tradition abwenden, zugleich aber der Gegenwart Rechnung tragen. Beim Gottesdienst zur Eröffnung der Weltsynode sprach das Kirchenoberhaupt am Mittwochmorgen über seine Vision von Kirche. Was das konkret für ihre Struktur und die Lehre bedeutet, ließ er offen. Das wird nun Inhalt der Beratungen sein, die am Nachmittag begannen. Dabei gibt es eine Neuerung. Die Synode tagt nicht mehr in der Synodenaula, die in den vergangenen Jahrzehnten genutzt wurde und wie ein klassisches Auditorium aufgebaut ist. Die Synodalen sitzen an runden Tischen. Dadurch soll der dialogische Charakter des Prozesses stärker zum Ausdruck kommen. Franziskus bat die Journalisten um ein „gewisses Informationsfasten“, um einen vertraulichen Rahmen zu ermöglichen für die Debatten. Am Mittwochabend wurde die Geschäftsordnung der Synode veröffentlicht. Darin wird den Synodalen untersagt, Informationen aus den Diskussionen in den Kleingruppen und im Plenum nach außen zu tragen. Gerade die Frage nach der Öffentlichkeit und Informationspolitik führt weiter zu kontroversen Debatten zwischen der Presse und dem Vatikan.
Vision der Kirche
„Wir sind nicht hier, um eine parlamentarische Sitzung oder einen Reformplan voranzubringen“, erklärte Papst Franziskus beim Eröffnungsgottesdienst am Morgen. Damit versuchte er gleich in zwei Richtungen mit falschen Vorstellungen aufzuräumen: einerseits gegenüber denen, die glauben, bei dem Treffen eine Reformagenda abarbeiten zu können; andererseits gegenüber denen, die glauben, der Papst selbst habe eine solche Reformagenda und wolle sie bei der Synode der Kirche überstülpen. Was Franziskus hat, ist eine klare Vorstellung, wie die Kirche sein soll: „Eine Kirche, die geeint und geschwisterlich ist, die zuhört und in Dialog tritt; eine Kirche, die segnet und ermutigt, die denen hilft, die den Herrn suchen, die die Gleichgültigen wohltuend aufrüttelt, die Wege eröffnet, um die Menschen in die Schönheit des Glaubens einzuführen. Eine Kirche, die Gott als ihren Mittelpunkt hat und die sich deshalb im Inneren nicht spaltet und nach außen hin niemals herb ist.“
Auf dem Weg dorthin warnte Franziskus bei der Eröffnungsmesse vor „einigen gefährlichen Versuchungen“: „Eine starre Kirche zu sein, die sich gegen die Welt wappnet und rückwärts schaut; eine laue Kirche zu sein, die sich den Moden der Welt ergibt; eine müde Kirche zu sein, die über sich selbst gekrümmt ist.“ In seiner Eröffnungsrede am Nachmittag betonte der Papst zum einen, dass es keine Tabus geben solle bei der Synode. Er berichtete über eigene Erfahrungen von früheren Synoden, bei denen der Kardinalstaatssekretär vorgegeben habe, über welche Dinge abgestimmt werden könne und über welche nicht. Alle sollten in Freiheit sprechen. „Das ist nicht einfach, aber es ist schön“, betonte Franziskus. Er versuchte noch einmal den Charakter des Treffens deutlich zu machen, das eben keine parlamentarische Versammlung sei und kein Treffen von Freunden, um Meinungen auszutauschen. Franziskus möchte, dass durch die Gespräche etwas Neues entsteht.
Der Geist als Garant der Dezentralisierung
Diese Form der Debatte hat er auch schon bei früheren Synoden immer wieder propagiert. Auch wenn es schwer zu verstehen ist, könnte darin die Chance für etwas Neues liegen. Denn so wie der Papst in seinem Eröffnungsstatement die Eigenschaften des Heiligen Geistes beschrieben hat, legt er eine Spur in Richtung einer Einheit in Verschiedenheit. Das öffnet Wege für eine stärkere dezentrale Verfasstheit der Kirche. Der Heilige Geist schaffe nicht Einheit sondern Harmonie. „Er schafft jene Harmonie, die keine Synthese ist, sondern ein Band der Gemeinschaft zwischen unähnlichen Teilen“, stelle Franziskus fest und präzisierte: „Jede christliche Gemeinschaft, jeder Mensch hat seine eigene Besonderheit, aber diese Besonderheiten müssen in die Symphonie der Kirche einbezogen werden, und die richtige Symphonie wird vom Heiligen Geist geschaffen: Wir können sie nicht machen.“
Der Generalrelator der Synode, der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, argumentierte bei der Eröffnungssitzung in eine ähnliche Richtung. Es gehe nicht wie in einem Parlament darum, einen Text A gegen einen Text B durchzusetzen oder aus beiden Texten einen Kompromiss zu erarbeiten. Vielmehr gehe es um einen gemeinsamen Prozess der Unterscheidung. Dabei gebe es in der Grammatik einige Regeln, die auch bei der neuen Form der Synode sich nicht änderten. Er sprach von den „Regeln der Katholizität“, „wie die aus der Taufe abgeleitete Würde, die Rolle Petri in der Kirche, die bischöfliche Kollegialität, das geweihte Amt, das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und die Tatsache, dass sie einander zugeordnet sind“. Nach den Worten Hollerichs geht es in den kommenden drei Wochen darum, einen Fahrplan für das kommende Jahr auszuarbeiten, der dem Papst Ende Oktober vorgelegt werden soll. Im Idealfall sollte dieser Fahrplan aufzeigen, wo bereits ein Konsens mit Blick auf das Thema Synodalität erreicht wurde und wo es Punkte gibt, die weiter vertieft werden müssten.
Ein Kommentar
EIN UMBAU DER KIRCHE BEDARF DER LEGITIMIERUNG DURCH EINE SYNODALE GESAMTKIRCHE
Manch einer wird das Wort SYNODALITÄT schon nicht mehr hören können. Und das hätte auch seine Berechtigung, weil die entscheidenden Weichenstellungen in Richtung von mehr Synodalität bereits vorgenommen wurden.
– Über das Instrument „Kardinalsernennung“ ist die europäisch dominierte Kirche zur Weltkirche geworden.
– Franziskus hat nicht nur dafür gesorgt, dass jeder Gläubige seine Stimme einbringen kann, sondern es können auch Ortskirchen und ganze Kontinente Stellung nehmen.
– Aus der Bischofssynode ist eine Kirchensynode geworden, in der Bischöfe, Ordensleute und Laien gleichberechtigt zusammenwirken und die Pars-pro-toto für die Gesamtkirche steht.
Wenn das Letztentscheidungsrecht des Papstes nicht in Frage gestellt wird, ist eine Grundstruktur von Synodalität bereits verwirklicht. Hinter dem MEGATHEMA SYNODALITÄT verbergen sich m.E. zwei andere:
1. Wieviel VIELFALT kann die Kirche zulassen, so dass es innerhalb der Kirche unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten geben könnte (DEZENTRALISIERUNG)?
2. Welche, das Verständnis des Evangeliums betreffenden, hermeneutischen PARADIGMENWECHSEL stehen an. Beispielsweise: Müsste die Kirche nicht ihr absolut gesetztes binäres Geschlechterkonzept, das Homosexualität ablehnt, relativieren? Steht die althergebrachte Männerkirche nicht im Widerspruch zu der aus der Taufe abgeleiteten Würde und dem gemeinsamen Priestertum sowohl von Frauen als auch Männern?
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