Synode 2023: Der Tag der Zweifel
Fünf Kardinäle haben sich mit „Dubia“, Zweifeln, zu dogmatischen Fragen, an Papst Franziskus gewendet. Es geht unter anderem um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, das Frauenpriestertum und das Verhältnis von Synodalität einerseits und Autorität des Papstes und des Bischofskollegiums andererseits. Anders als 2016 im Kontext der Familiensynode reagierte der Pontifex dieses Mal – und zwar prompt. Das Schreiben der Kardinäle ist auf den 10. Juli datiert, die Antwort auf den Tag danach. Die Reaktion des Papstes wurde heute von der Glaubenskongregation veröffentlicht. Das sieben Seiten umfassende Schreiben ist nicht uninteressant, denn es zeigt, Franziskus schließt eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht aus und sieht es nicht als klar erwiesen an, dass beim Frauenpriestertum durch Johannes Paul II. das letzte Wort gesprochen wurde. Einmal mehr betont er die Notwendigkeit, dass das ganze Volk Gottes an der Mission der Kirche teilnehmen müsse und dass die Heilige Schrift im jeweiligen kulturellen und historischen Kontext ausgelegt werden müsse. Damit weist er die Zweifel der fünf Kardinäle zurück. Bei den Einkehrtagen der Synodalen in Sacrofano vor den Toren Roms forderte heute der Dominikaner Timothy Radcliffe diese auf, sich ihre Zweifel zu erzählen. „Freundschaft gedeiht, wenn wir es wagen, unsere Zweifel zu teilen und gemeinsam nach der Wahrheit zu suchen.“
Vor Synode Zweifel klären
Bisher hat Papst Franziskus nicht reagiert, wenn hochrangige Kirchenmänner sein Handeln in Zweifel gezogen haben. Daher überrascht es, dass er jetzt auf die Einwürfe der Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond L. Burke, Juan Sandoval Iniguez, Robert Sarah und Joseph Zen Ze-Kiun antwortet und die Ausführungen des Papstes auch veröffentlicht werden. Es sei nicht immer klug, auf direkt an ihn gerichtete Fragen zu antworten, schreibt Franziskus in der kurzen Einleitung, doch angesichts der bevorstehenden Synode erscheine es ihm angebracht. Bei aller Offenheit in einzelnen Fragen setzt er auch klare Grenzen. Die von den Kardinälen angesprochenen Themen betreffen im Kern nicht alle das Thema, das Franziskus bei der anstehenden Synode besprechen möchte. Hier soll es vor allem um strukturelle also ekklesiologische Fragen gehen, weniger um Lehrfragen aus dem Bereich der Moral.
Als Antwort auf die erste Frage der Kardinäle betont Franziskus, dass die Offenbarung nicht veränderbar sei, dass sie allerdings im kulturellen und historischen Kontext immer wieder neu und besser ausgelegt werden müsse. Er verweist auf lehramtliche Aussagen zur Sklaverei oder zu Frauen. Die Kirche müsse immer unterscheiden, was für das Heil der Menschen essentiell sei und was eher sekundär sei. Er verweist auf das Prinzip der „Hierarchie der Wahrheiten“, auch wenn das letztlich dazu führen könne, „dass ein und dieselbe Lehre auf unterschiedliche Weise dargelegt wird, denjenigen, die sich eine monolithische, von allen ohne Nuancierungen verteidigte Lehre erträumen, das als Unvollkommenheit und Zersplitterung erscheinen mag“. In Wirklichkeit helfe diese Vielfalt aber, „die verschiedenen Aspekte des unerschöpflichen Reichtums des Evangeliums besser zu zeigen und zu entwickeln“, so Franziskus mit Verweis auf sein Schreiben „Evangelii gaudium“ (40).
Segnung möglich
Die zweite Frage der Kardinäle bezieht sich auf eine mögliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Hier betont Franziskus, dass die Kirche nur eine Verbindung von Mann und Frau als Ehe bezeichnen kann. Zugleich müsse aber jedes kirchliche Handeln und Entscheiden von einer Pastoral der Nächstenliebe gekennzeichnet sein. „Deshalb muss die pastorale Klugheit richtig unterscheiden, ob es Formen der Segnung gibt, die von einer oder mehreren Personen erbeten werden und die nicht eine falsche Vorstellung von der Ehe vermitteln“, erklärt Franziskus. Schließlich gehe es bei der Bitte um den Segen um eine Bitte um die Hilfe Gottes. Allerdings unterstreicht Franziskus, dass kein Bistum und keine Bischofskonferenz offizielle Regelungen für solche Feiern erlassen könne. Dabei verweist er auf „Amoris laetitia“ (304), denn alles, „was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer Sondersituation ist, kann nicht in den Rang einer Norm erhoben werden.“ Dies gäbe sonst „Anlass für eine unerträgliche Kasuistik“. Das Kirchenrecht solle und könne nicht alles abdecken, erklärt Franziskus.
Die Kardinäle sehen drittens durch die Synodalität die oberste Autorität in Gefahr, die nur durch den Papst oder das Bischofskollegium als Ganzes ausgeübt werden könne. Hier spielt der Papst den Ball zurück. Mit ihrer Anfrage drückten sie ihr Bedürfnis aus, sich zu beteiligen, ihre Meinung frei zu äußern und mitzuarbeiten, und verlangten damit eine Form von Synodalität bei der Ausübung des päpstlichen, seines Amtes. Es sei notwendig, dass „nicht nur die Hierarchie, sondern das ganze Volk Gottes auf verschiedene Weise und auf verschiedenen Ebenen seine Stimme erheben und sich als Teil des Weges der Kirche fühlen kann“. In diesem Sinne sei die Synodalität als Stil und Dynamik eine wesentliche Dimension des Lebens der Kirche.
Frauenpriestertum offen?
Schließlich kommen die Kardinäle in ihrem vierten „Zweifel“ auf das Frauenpriestertum zu sprechen. Ob denn die Lehre des II. Vatikanischen Konzils noch gelte, dass es zwischen allgemeinem und besonderem Priestertum einen essentiellen Unterschied gebe, und ob das definitive Nein zum Frauenpriestertum durch Johannes Paul II. in Ordinatio Sacerdotalis noch Gültigkeit habe? Die Unterscheidung des II. Vatikanums sei keine graduelle, erklärt der Pontifex. „Beide Formen des Priestertums erleuchten und unterstützen sich gegenseitig.“ Mit Blick auf die Entscheidung von Johannes Paul II. vermeidet Franziskus eine Festlegung. Es sei unklar, was unter einer „definitiven Entscheidung“ zu verstehen sei. Es handle sich nicht um eine dogmatische Definition, die jedoch von allen befolgt werden müsste. Die letzte Frage der fünf Kardinäle handelt von der Bedeutung der Reue bei der Beichte. Diese sei natürlich notwendig, um Sünden zu erlassen, erklärt Franziskus. Doch es gebe unterschiedliche Wege, diese Reue auszudrücken.
Die Themen des Dubia-Briefes sind nicht neu. Franziskus wird zu den benannten Punkten schon lange aus der konservativen Ecke bedrängt und um Klarstellung gebeten. In dem sieben Seiten umfassenden Papier des Papstes finden sich keine großen Neuigkeiten. Zu allen Punkten hatte sich Franziskus bereits wiederholt in dem angeführten Sinn geäußert. Die Frage ist, warum die Glaubenskongregation heute den Sachverhalt veröffentlicht. Am Morgen hatten zunächst die Kardinäle ihren Brief publiziert. Vermutlich wollte der neue Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández, verhindern, dass es Spekulationen über die Position des Papstes gibt. Er hatte sich bereits vor einer Woche die Erlaubnis zur Publikation von Franziskus geben lassen. Die Antworten des Papstes räumen Zweifel aus und sind in einigen Punkten klar, etwa mit Blick auf den Segen gleichgeschlechtlicher Paare. Hier steht seine Position übrigens klar dem geplanten Vorgehen der Deutschen Bischofskonferenz entgegen. Zugleich haben die Kardinäle nicht die Antwort erhalten, die sie wollten. Denn für Franziskus ist ein Segen in dieser Situation möglich. Damit sind vielleicht einige Zweifel ausgeräumt. An anderer Stelle bleibt aber viel Spielraum, etwa beim Priestertum für die Frau.
P.S. Warum es auch bei den Einkehrtagen der Synodalen heute um Zweifel ging, wird noch einmal in einem eigenen Blogeintrag behandelt.
10 Kommentare
Ich verstehe das jetzt so, dass Papst Franziskus die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht grundsätzlich ausschließt sondern es dem Gewissen der Seelsorger in pastoralen Einzelfällen (oder Ausnahmefällen?) überlässt.
Öffentliche Segensfeiern in größerem Stil für „alle, die sich lieben“ dürften nach meiner Interpretation damit aber ausgeschlossen sein. Zumal der Papst dem Vorpreschen der DBK, die eine spezielle Liturgie für diese Feiern ausarbeiten will, eine eindeutige Absage erteilt.
Die fünf Kardinäle beziehen sich explizit auf die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Auch nur für diese gilt die Antwort. Was mit den anderen Paaren, die sich lieben ist, wird in der Antwort nicht behandelt.
Diese öffentlichen Segensfeiern, bei denen primär gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden, nennen sich aber „für alle, die sich lieben“, so habe ich das gemeint.
„Öffentliche Segensfeiern in größerem Stil für „alle, die sich lieben“ dürften nach meiner Interpretation damit aber ausgeschlossen sein“.
Diese Interpretation ist offenkundig falsch, weil der Text, den Papst Franziskus geschrieben hat, genau das Gegenteil besagt. Es ist nur Bischöfen verwehrt, einen eigenen Ritus auszuarbeiten und vorzuschreiben. Dass die Pfarrer Lesben und Schwule und deren Ehe segnen, ist ihnen nicht mehr verwehrt.
„was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer Sondersituation ist, kann nicht in den Rang einer Norm erhoben werden.“ (Zitat Papst Franziskus)
Es geht dem Papst um pastoral begründete Einzelfälle.
Auch betont er, dass eine (kirchliche) Eheschließung nur zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist.
Für solche Segnungen, die kein Sakrament sind, braucht es meiner Meinung nach auch keinen Priester. Eine solche Segnung könnte auch ein Diakon oder Pastoralreferent vornehmen.
Schön, dass Sie Ihre falsche Interpretation eingestanden haben. Übrigens kann im Geltungsbereich des lateinischen Kirchenrechts (nicht aber im Bereich der mit Rom geeinten Ostkirchen) jeder mit entsprechender Beauftragung die Assistenz bei einem Eheschluss vornehmen.
Vielleicht wollen aber auch Lesben und Schwule genauso wie die Heterosexuellen einen Pfarrer für den Segen ihrer Ehe. 🙂
@Novalis
„eingestanden“ habe ich nichts, nur akzeptiert, dass die Äußerungen von Papst Franziskus, so wie meistens, mehrdeutig sind und man sie je nach persönlichem Standpunkt interpretieren kann.
In einem Punkt irren Sie aber: Auch für Papst Franziskus gibt es keine (kirchliche) Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Eine solche Ehe gibt es nur im Zivilrecht.
Es gäbe also für gleichgeschlechtliche Paare maximal eine Segnung ihrer Verbindung, eventuell auch im Rahmen einer Feier in der Kirche.
DIE WELTSYNODE NIMMT FAHRT AUF
Die Offensive von fünf Kardinälen, die Franziskus mit ihren DUBIA konfrontieren, widerlegt m.E. jene Skeptiker, die die römische Weltsynode im Vorfeld zum Nicht-Ereignis erklärten und als „pseudodemokratische Illusion“ (Reinhardt), „Beteiligungssimulation“ (Lüdecke) und „Debattierclub“ (Wolf) etikettierten. Es geht offensichtlich um etwas. Der 2021 begonnene weltsynodale Prozess hat eine spürbare Dynamik ausgelöst, die nach meiner Einschätzung in einem Jahr zu relevanten Ergebnissen führen wird.
Die DUBIISTEN haben allerdings schlechte Karten. Als sich im Jahr 2016 die Kardinäle Burke, Brandmüller, Caffarra und Meisner an Franziskus‘ nachsynodalem Schreiben „Amoris Laetitia“ stießen und fünf Dubia bei Papst Franziskus einreichten, hatten sie noch den Glaubenspräfekten GERHARD LUDWIG MÜLLER und BENEDIKT XVI. hinter sich. Es verwundert nicht, dass sie keine Antwort erhielten.
Im Herbst 2023 ist ein Vertrauter des Papstes Glaubenspräfekt und der HEILIGE STUHL geht in die Offensive. Es ist ein gelungener Move, die Bezweiflung von Synodalität als einer „konstitutiven Dimension der Kirche“ mit der Tatsache zu konfrontieren, dass die Dubiisten mit ihrem Bedürfnis, sich zu beteiligen, ihre Meinung frei zu äußern und mitzuarbeiten, ja selbst vom Papst einen Modus von Synodalität bei der Ausübung seines Amtes einforderten.
Es erweist sich als weitsichtig, die Weltsynode in einem von der Medienöffentlichkeit abgegrenzten Rahmen stattfinden zu lassen, so dass es den Dubiisten und anderen traditionalistischen Kreisen verwehrt bleibt, über mediale Skandalisierung auf die synodale Versammlung Einfluss zu nehmen.
Es verwundert freilich nicht, dass man von einem Peronisten wie Papst Bergoglio kein Ja oder Nein zur Antwort erhält, selbst wenn dies kirchenrechtlich geboten ist.
Zweifel zu äußern, ist in der (…)* Kirche inzwischen Hochverrat.
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Interessant ist übrigens auch, dass es bei dieser zweiteiligen Weltsynode zumindest in dem gerade angelaufenen ersten Teil keine deutsche Sprachgruppe für die Beratungen in Kleingruppen gibt. Und das, obwohl es genügend Synodale aus dem deutschen Sprachraum gibt.
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