Papst bittet Indigene Kanadas um Entschuldigung

Das Bild war bunt und wirkte heiter, das heute im Vatikan zu sehen war. Papst Franziskus traf sich mit Vertretern indigener Volksgruppen im Apostolischen Palast zu einer öffentlichen Audienz. Doch der Anlass war ernst: der Missbrauch von Indigenen in kirchlichen Einrichtungen, der bis in die 1990er Jahre hineinreicht. Der Skandal erschüttert Kanada seit Jahren tief. Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und den Indigenen ist tief zerrüttet. Die Audienz heute stand am Ende einer Woche mit mehreren Begegnungen des Papstes mit verschiedenen indigenen Volksgruppen im Vatikan. Franziskus bat um Entschuldigung für den jahrzehntelangen Missbrauch und kündigte an, dass er Ende Juli Kanada besuchen möchte.

Bei der Begegnung im Vatikan sprachen Vertreter der Ureinwohner Gebete. (Quelle: epa/VaticanMedia)

Papst warnt vor ideologischer Kolonisation

Im Mai vergangenen Jahres wurden erstmals hunderte Kinderleichen in der Nähe früherer katholischer Internate entdeckt. Die Funde lösten Entsetzen aus und richteten die Aufmerksamkeit auf die Praxis, indigene Kinder ihren Familien zu entreißen und in Heime zu bringen, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele wurden misshandelt. Ein großer Teil der landesweit 130 Einrichtungen war in kirchlicher Trägerschaft. Der Skandal hat das Vertrauen in die katholische Kirche in Kanada schwer erschüttert. Vertreter der Ureinwohner fordern von der Kirche eine lückenlose Aufarbeitung sowie eine Entschädigung für das erfahrene Leid. Schätzungen gehen von bis zu 150.000 Kindern aus, die von ihren Eltern getrennt wurden. Wie viele von Misshandlungen betroffen sind, ist bisher offen.

Franziskus sicherte den Vertretern der indigenen Volksgruppen die Unterstützung der Kirche bei der Aufarbeitung zu. Es sprach von „transparenter Suche der Wahrheit, um die Heilung der Wunden sowie die Versöhnung voranzubringen“. Er hoffe, dass die Begegnungen im Vatikan diese Woche Wege geöffnet hätten, um gemeinsam vor Ort voranzukommen. Scharf verurteilte er eine „ideologische Kolonisation“, die er als Ursache für das Unrecht gegenüber den Ureinwohnern in der Vergangenheit am Werk sah, die es aber auch heute noch gebe. Man habe versucht, die Ureinwohner zu einer anderen Mentalität umzuerziehen. So sei ihre Identität und Kultur verletzt worden.

Empörung und Scham

Die Berichte der Ureinwohner während der Treffen im Vatikan hätten ihn mit Empörung und Scham erfüllt, erklärte Franziskus. Mit Blick auf das Handeln der Kirchenmitarbeiter in den Heimen stellte er fest: „Für das beklagenswerte Verhalten dieser Mitglieder der katholischen Kirche bitte ich Gott um Vergebung. […] Ich schließe mich den kanadischen Bischöfen an und ihrer Bitte um Vergebung.“ Es sei offensichtlich, dass man die christliche Botschaft nicht in einer Weise weitergeben könne, die dem Glauben widerspreche, betonte das Kirchenoberhaupt. Franziskus sieht in den Treffen im Vatikan einen ersten Schritt des aufeinander Zugehens. Den eingeschlagenen Weg möchte er bei einem Besuch Ende Juli in Kanada fortsetzen. Auch Vertreter der Ureinwohner werteten die Gespräche in dieser Woche positiv.

Einmal mehr blickt die katholische Kirche in einen tiefen Abgrund. Doch es gibt keinen anderen Weg, als auch dieses dunkle Kapitel der Kirchengeschichte konsequent und transparent aufzuarbeiten. Die Ureinwohner erwarten nun konkrete Schritte von Seiten der Kirche. Dazu gehören die Öffnung der Archive sowie finanzielle Hilfen. Die Bischöfe Kanadas hatten vor einigen Wochen die Einrichtung eines Fonds angekündigt. Den Worten müssen nun konkrete Taten folgen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Ein Kommentar

  • Wanda
    10.04.2022, 1:57 Uhr.

    Die Fakten sind bekannt, wobei das Ausmass oft nicht einmal geklärt ist und im Dunkeln bleibt. Was sollte hier ein Kommentar bewirken ? Das gleiche wie bei den irischen Magdalenenheimen ? Nichts geschieht, ausser der gespielten Betroffenheit und den zu nichts verpflichtenden Entschuldigungen…

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