Ukraine: Papst und Patriarch reden
Zwei Wochen nach Beginn des Krieges haben Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. erstmals direkt miteinander gesprochen. Anschließend hatte Kyrill I. auch ein Gespräch mit dem Ehrenoberhaupt der Anglikaner, Erzbischof Justin Welby. Franziskus telefonierte am Mittwoch noch mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Vatikan übt sich seit Beginn des Kriegs in stiller Krisendiplomatie. Der Papst verurteilte mehrfach scharf den Krieg. Die Namen der Verantwortlichen nannte er im Gegensatz etwa zu vielen Politikern nicht. Die vatikanische Diplomatie möchte Gesprächskanäle offen halten. Das gilt für die politische wie die religiöse Ebene.
Unterschiedliche Akzente
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat sich und seine Kirche durch den Schulterschluss mit Präsident Putin ins Abseits manövriert. Innerhalb der Orthodoxie wurden die Gräben durch die aktuellen Ereignisse vertieft, im Weltkirchenrat mehren sich die Stimmen, die einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche fordern. Und selbst Bischöfe sowie Gemeinden der eigenen Kirche stellen sich außerhalb Russlands gegen die eigene Führung, indem sie den Angriffskrieg scharf verurteilen, Kyrill zur Distanzierung von Putin auffordern und das Gebet für den Patriarchen im Gottesdienst verweigern.
Liest man die beiden Kommuniqués aus Moskau und dem Vatikan zur Videokonferenz von Papst und Patriarch fallen schnell die Unterschiede auf. Die russisch-orthodoxe Seite beschränkt sich auf wenige Sätze. Das Wort „Krieg“ kommt nicht vor. Es wurde demnach über die „Situation auf ukrainischem Boden“ gesprochen, die besondere Bedeutung der aktuellen Verhandlungen auf politischer Ebene hervorgehoben und darüber gesprochen, möglichst bald einen „gerechten Frieden“ zu erreichen. Die humanitären Aspekte der aktuellen Krise sowie die Aktionen der beiden Kirchen, um die Konsequenzen zu überwinden, waren ebenfalls Thema.
Papst über Krieg und Frieden
Ganz anders liest sich die Erklärung, die Vatikansprecher Matteo Bruni am frühen Abend den Journalisten schickte. Darin gibt es lange wörtliche Zitate des Papstes zum Thema „Krieg“. Was in wenigen Sätzen zusammengefasst ist, liest sich wie eine kleine Unterweisung des Pontifex in christlicher Friedensethik. „Die Kirche darf nicht die Sprache der Politik sprechen, sondern die Sprache Jesu“, wird Franziskus zitiert. „Diejenigen, die für den Krieg bezahlen, sind das Volk, sind die russischen Soldaten, sind die Menschen, die bombardiert werden und sterben.“ Als Hirten müssten sie den Menschen nahe sein, die unter dem Krieg litten, so das katholische Kirchenoberhaupt.
Man könne heute nicht mehr von einem heiligen oder gerechten Krieg sprechen, betonte Franziskus. „Kriege sind immer ungerecht. Denn es bezahlt das Volk Gottes. Wie können unsere Herzen nicht weinen angesichts der getöteten Kinder und Frauen, aller Opfer des Kriegs? Der Krieg ist nie ein Weg.“ Die Kirchen müssten sich gemeinsam für Frieden einsetzen. Über die Länge des Gesprächs ist nichts bekannt. Dass es stattfand, ist wichtig. Das Verhältnis zwischen Rom und Moskau ist seit jeher angespannt. 2016 gab es nach Jahrzehnten vergeblicher Versuche auf neutralem Boden auf Kuba erstmals eine Begegnung eines Papstes mit dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Die Kontakte blieben schwierig.
Rom und London im Dialog mit Moskau
Für diesen Sommer war ein zweites Treffen geplant. Ob das angesichts der aktuellen Ereignisse stattfinden wird, ist ungewiss. Zumal der Vatikan die bisherige Rhetorik des Patriarchen zur Begründung des Krieges nicht gutheißen kann. Kyrill hatte den russischen Angriff unter anderem damit gerechtfertigt, dass der Teil eines Kampfs gegen Sünde und den Druck liberaler Ausländer sei, „Schwulenparaden“ zuzulassen. Für den Vatikan ist es wichtig, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt. So lud man gestern auch die Botschafter der beiden Kriegsparteien zu einem Gottesdienst für die Ukraine in den Petersdom ein. Chefdiplomat Kardinal Pietro Parolin stellte in der Predigt fest, in der Ukraine gehe es „nicht nur um eine Militäroperation, sondern Krieg, der Tod, Zerstörung und viele Opfer bringt“. Jesus habe jene selig gepriesen, die Frieden stiften. „Wer sich für Frieden einsetzt, ist Kind Gottes“, so Parolin.
Dass neben Papst Franziskus gestern auch das Ehrenoberhaupt der Anglikaner, Erzbischof Justin Welby, mit Patriarch Kyrill I. sprach, dürfte kein Zufall sein. Die Achse London, Rom und Konstantinopel als Sitz des Ehrenoberhaupts der Orthodoxie ist unter Franziskus ausgebaut worden. Welby und der Papst planen Anfang Juli gemeinsam in den Südsudan zu reisen. Wenn es um Frieden und Versöhnung geht, sucht Franziskus den Schulterschluss mit anderen Kirchen und Religionsführern. Mehr als Worte und Gesten hat der Papst nicht, um sich in die Politik einzumischen. Doch diese Mittel versucht er zu nutzen.
13 Kommentare
Danke für diesen Kommentar – und nicht nur für diesen. Er tat wieder gut, zumal man über das Verhalten von Papst Franziskus zu diesem Krieg die unverständlichsten Berichte (in katholischen Medien) lesen kann, bis dahin, dass er mit der Meinung Kyrills konform zu sein scheint.
Habe schon einmal betont: die röm.-kath. Kirche hat sich selbst in den letzten Jahren für ihre vormals allgemein anerkannte Rolle einer moralische Institution als Vermittler disqualifiziert und unglaubwürdig gemacht. Wer nimmt sie in dieser Funktion denn noch ernst ? Franziskus sollte sich fragen, ob die zögerliche Haltung des Vatikan und der immer noch praktizierte Schutz von Klerikern bei der Aufarbeitung der Missbrauchsproblematik diesen Ansehensverlust wert ist/war ?
Auf internationaler Ebene ist der Vatikan anerkannt als Vermittler in Konflikten.
Lieber Herr Ebacher, fuerchte Sie verkennen die (verloren gegangene) Reputation der Kirche als moralische Instanz…
Meine Aussage begründet sich auf das, was ich seit über 25 Jahre beobachte und aus Gesprächen mit Diplomat*innen und Politiker*innen erfahre. Es gibt in vielen Ländern eine unterschiedliche Reputation der Kirche unter den Gläubigen und unter den politisch Handelnden.
Ich denke man muss das völlige Versagen von Päpsten und Bischöfen im Bereich klerikaler sexueller Gewalt und die Reputation des Vatikan in Sachen Krisen-Diplomatie auseinander halten.
Ein bezeichnendes Beispiel ist Johannes Paul II.. Er pflegte ein inniges Verhältnis zu dem Gründer der „Legionäre Christi“, Marcial Maciel Degollado, und wollte dessen dunkle Seite – Doppelleben, Sexualverbrechen und Polykriminalität – nicht wahrhaben.
Auf der anderen Seite hat er das Erstarken der antikommunistischen polnischen Gewerkschaft Solidarność bewirkt, was am Ende zum Fall des Eisernen Vorhangs führte.
Wenn jemand den Fall des Eisernen Vorhanges bewirkte, dann in erster Linie Herr Gorbachew, was ihm vom Westen nur schlecht gedankt wurde. Nicht ein sogenannter Wiedervereinigungskanzler Kohl und schon gar nicht JP II. Dass ein Präsident Reagan mit seiner Hochrüstung der UdSSR ihren Bankrott vor Augen führte, fall sie mithalten wollte, ist eine Ironie der Geschichte und Gorbachew hatte das sehr wohl verstanden.
Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa hat bestritten, dass der Mauerfall vor 20 Jahren vor allem dem früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zu verdanken sei. Es sei „eine Lüge“, dass Gorbatschow die Mauer zu Fall gebracht habe, sagte der Friedensnobelpreisträger dem polnischen Fernsehsender tvn24. Viel wichtiger sei die Rolle des damaligen Papstes Johannes Paul II. und der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc gewesen, die Walesa anführte. … „Die Wahrheit ist, dass Papst Johannes Paul II. zu 50 Prozent zum Mauerfall beigetragen hat, 30 Prozent die Solidarnosc und Lech Walesa und nur 20 Prozent der Rest der Welt“, sagte Walesa. Der polnische Papst habe seinerzeit die Völker Europas aufgerufen, das „Gesicht der Welt zu verändern“, und seine Botschaft habe die Menschen ermutigt, die Politiker zu Veränderungen zu zwingen. (SZ, 17.05.2000)
Nun ja, dazu hat die Welt ihre Sichtweise und eben auch Walesa als strammer polnischer Katholik mit seinen expliziten Erfolgs-Prozentzahlen. Ob speziell der polnisch-erzkonservative Papst die Völker Europas mit seinem Aufruf beeinflusst hat, darf man angesichts der sich im 20. Jahrhundert beschleunigen rasanten Säkularisation bezweifeln und auch seine Relevanz für die Protestanten des Kontinents. Weitere Fakten sind ua. das konflikthafte Verhältnis zwischen Kirche und Bevölkerung im Verlauf der Geschichte, was dazu geführt hat, dass sich die Menschen von der Religion distanzieren, – selbst unter kath. Gläubigen gibt es seit langem eine wachsende Kirchenferne (schon vor dem Missbrauchsproblem).
Anm.: am Rande, aber doch symptomatisch: in den „neuen“ Bundesländern gab/gibt es nachweislich die geringste religiöse Bindung weltweit und die hat sich ausgedehnt.
„Doch diese Mittel versucht er zu nutzen.“ Und er tut’s offenbar nicht schlecht.
Nun ja, Kyrill hat nicht anderes getan als die russische Invasion auf einer völkisch-religiösen Basis gerechtfertigt. Seine weiteren, grotesken Äusserungen (Schwulenparade) sprechen für sich. Franziskus sollte sich vielleicht doch andere und aussichtsreichere Gesprächspartner zu diesem Krieg aussuchen…
Kyrill und Putin haben in ihrer Biographie eine gemeinsame Vergangenheit- beide sind alte Genossen aus KGB Zeiten. Von daher gesehen ist es nicht verwunderlich, dass sich der Patriarch in dieser Weise äußert.
Es gibt noch weitere Gemeinsamkeite dieser Herren: Putin vertritt die unter „Großrussen“ verbreitete Ideologie, die Ukraine hätte nie eine eigene Zivilisation gehabt, wenn sie in der Vergangenheit nicht unter der „Obhut“ der russischen Machthaber gewesen wäre.
Was nun die Haltung des Patriarchen anbelangt, so sind seine Interessen fraglos auf die Zerschlagung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche ausgerichtet; diese steht in Gemeinschaft mit dem Patriarchat von Konstantinopel von der sie 2018 ihre Autokephalie(Eigenständigkeit) erhielt.
Seit dieser Entscheidung herrscht zwischen den beiden Patriarchaten ein äußerst gespanntes Verhältnis: Mehr als einmal wurde von Vertretern des Moskauer Patriarchats die Forderung zu einer „Bereinigung“ dieser ihrer Ansicht nach unkanonischen Situation erhoben.Solchen Kreisen kommt der Krieg durchaus nicht ungelegen: s´Sollte es Putin gelingen, in der Ukraine einen Vasallenstaat zu errichten, dann ist es wahrscheinlich, dass das Moskauer Patriarchat freie Hand zur „Rückgewinnung“ der abtrünnigen Brüder erhält.
Insofern richtig, als beide Kyrill und Putin eine KGB-Vergangenheit haben. Wiederhole mit anderen Worten meine Kritik vom 19. März: Man kann sich vielleicht seine Familie nicht aussuchen, seine Gesprächspartner (deren völlig inakzeptable Grundeinstellung allseits bekannt ist) allerdings schon. Das sollte auch ein Franziskus berücksichtigen. Sonst macht er sich nur lächerlich…
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