Kirche im freien Fall?

Die Kirchenaustrittszahlen drohen erneut zu steigen. In Köln musste das Amtsgericht zusätzliche Online-Termine anbieten, um den Ansturm bewältigen zu können. Der Streit um die Nicht-Veröffentlichung eines Missbrauchsgutachtens und das Vorgehen von Kardinal Rainer Maria Woelki und seinen Vertrauten bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hat das Image der katholischen Kirche in Deutschland weiter nachhaltig beschädigt. Dazu kommen scheinbar endlose Debatten um den Synodalen Weg, jenen Reformprozess mit dem die Kirche Vertrauen zurückgewinnen wollte, das Gemeinsame Abendmahl und die Frage, ob die Kirchen in der Pandemie versagt haben. Das ist der Rahmen für die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die ab heute stattfindet. Bis Donnerstag tagen die 68 Bischöfe digital.

Die neue Generalsekretärin der Bischofskonferenz – zum Artikel bei ZDFheute geht es hier.

In Köln gibt es einen Run auf die Termine beim Amtsgericht. (Quelle: dpa)

Zum x-ten Mal die „letzte Chance“

Von einer „letzten Chance“, die die Bischöfe nicht verspielen sollten, sprechen einmal mehr engagierte Laien in einem gemeinsamen Appell zum Auftakt der Versammlung. Die Reformbewegung engagierter katholischer Frauen Maria 2.0 manifestierte ihre Forderungen am Wochenende mit einem symbolischen Thesenanschlag an Kirchenportale im ganzen Land. Darin ging es unter anderem um gleiche Würde und gleiche Rechte für alle Menschen beim Zugang zu Ämtern in der Kirche, um einen respektvollen Umgang und Transparenz, um eine Reform der Sexualmoral, eine Aufhebung der Zölibatspflicht und ein nachhaltiges Wirtschaft. So hoffen sie, dass die Kirche wieder Glaubwürdigkeit gewinnen kann, um Gesellschaft mitzugestalten.

Die Bischöfe selbst sind sich uneins, wie mit den Reformforderungen umgegangen werden soll. Ein großer Teil zeigt Verständnis für die Anliegen und sieht selbst Handlungs- und Veränderungsbedarf. Dazu zählen etwa der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, aber auch sein Vorgänger, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, oder etwa die Bischöfe von Osnabrück, Franz-Josef Bode, Essen, Franz-Josef Overbeck, oder Mainz, Peter Kohlgraf. Nur an wenigen Stellen machen sie sich die Reformforderungen nicht zu eigen, etwa beim Thema Frauenpriestertum.

Rom wird instrumentalisiert

Eher die Minderheit ist gegen Reformen. Dazu gehören der Kölner Kardinal Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Sie spielen gerne über die Bande „Vatikan“ und versuchen so die Gräben zwischen der römischen Zentrale und der Kirche Deutschland zu vertiefen. Der Theologe Hans Urs von Balthasar prägte in den 1970er Jahren den Begriff des „antirömischen Affekts“ der Deutschen gegenüber dem Vatikan. Genauso gibt es umgekehrt einen „antideutschen Affekt“ an der Römischen Kurie. Dieses Grundmisstrauen, das in vielen Amtsstuben des Vatikans gegenüber dem, was sich in der Kirche in Deutschland tut, vorherrscht, machen sich aktuell die Gegner von Veränderungen zu nutzen.

Die Beratungen der katholischen Bischöfe in den nächsten drei Tagen werden nicht einfach. Der Druck ist groß, die Erwartungen immens. Dazu sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. 2019 prognostizierte der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen den Kirchen, dass bis 2060 sowohl die Mitgliederzahlen als auch das Kirchensteueraufkommen auf etwa die Hälfte zurückgehen werden. Das war noch vor der Pandemie, die sich ebenfalls auf die kirchlichen Finanzen auswirken wird. Schon heute müssen sich die Kirchen aus wichtigen Bereichen zurückziehen oder kürzer treten, weil die finanziellen Mittel fehlen: Trägerschaften von Schulen werden abgegeben oder die Einrichtungen ganz geschlossen, gleiches gilt für Krankenhäuser und andere Sozialeinrichtungen.

Nur mutige Entscheidungen helfen

Wenn die Bischöfe einen freien Fall der Kirche in die Bedeutungslosigkeit verhindern wollen, müssen sie konsequent handeln. Viel Gutes passiert bei der Aufarbeitung von Missbrauch und Prävention, doch Vorgänge wie in Köln überdecken alles und zerstören weiter Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Mit Blick auf die Frauen werden Mentoringprogramme und Frauenförderpläne nicht ausreichen, es braucht theologische Veränderungen und eine Gleichberechtigung beim Weiheamt. Machtverteilung, Partzipiation usw. die Themen liegen auf dem Tisch. Es braucht beherzte und mutige Entscheidungen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

16 Kommentare

  • Novalis
    23.02.2021, 12:49 Uhr.

    Mei, vielleicht würde dem Reformwillen von Bischof Voderholzer aufhelfen, wenn man sich die Missbrauchsfälle jenseits der Domspatzen anschauen würde. Da wären auch die Medien und die Presse gefragt – alles hat sich ja auf die medienwirksamen Domspatzen konzentriert. Es gibt aber noch eine Fülle von durch Priester missbrauchten Frauen, Männern und Kindern in der Diözese Regensburg, von denen niemand redet. Die Mittelbayerische hat ja reumütig schon eingeräumt, dass man jahrelang die Domspatzen als Aushängschild Regensburgs nicht beflecken wollte. Den Schaden hatten die Opfer. Auch die Staatsanwaltschaften waren viel zu nachsichtig – hat man da eigentlich schon konservative katholische Seilschaften untersucht? Mir ist nichts bekannt!
    Der Zölibat ist jedenfalls ein geladenes und entsichertes Maschinengewehr. Das muss niemanden umbringen. Aber die Gefahr steht allen vor Augen. Verantwortlich den Zölibat leben kann nur eine verschwindende Minderheit der Priester. Ich rechne nicht mit mehr als 5% – die meisten brechen den Zölibat, weil sie ihn nicht halten können, sei es durch Masturbation (das sollten die Erzkonservativen einmal vor der Kommunion bedenken, was da an den Fingern des Pfarrer so alles geklebt hat, ehe eben diesselben Finger den Leib Christ austeilen), sei es, weil sie eine*n Freund*in haben, oder eben auch – siehe Maschinengewehr -, indem sie sich an Schutzbefohlenen vergreifen. Gebt den Zölibat frei – und nicht alles wird besser, nein. Aber vieles ehrlicher und weniger verlogen.

  • ZufälligerGastleser
    23.02.2021, 13:56 Uhr.

    „Vorgänge wie in Köln“ – dazu bemerkte gestern, in der Ausgabe vom 22. Februar, im FAZ-Feuilleton Christian Geyer über die Fixierung der Öffentlichkeit auf Woelki: „Inzwischen vergeht kein Tag an dem ihm nicht jemand eine Abreibung verpasst. Vor dem Kölner Kardinal Woelki …. schickt es sich im Vorbeigehen etwas fallen zu lassen, und sei es nur den Hinweis auf die „Lage in Köln“ (so Bischof Bätzing „als Nachbar“ den Amtsbruder mahnend, nicht aber amtierende Amtsbrüder in Essen und Osnabrück, denen nachgewiesen wurde, dass sie bei Missbrauchsfällen Verantwortung trugen). Warum gibt es keine „Lage in Berlin“, wo der dortige Erzbischof vor drei Wochen sein Gutachten zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs veröffentlichte …. bei der freilich mehr als vierhundert Seiten personenbezogener Schilderungen unveröffentlicht blieben? usw.“. In diesem Sinne also, Welcome to the club! – Warum nehmen die öffentlich-rechtlichen Medien seit langem, es sei erlaubt am Beispiel fragend darauf hinzuweisen, links oben steht auch hier das ZDF-Logo, durchgehend und nahezu ausschließlich, weniger oder (eher) mehr Partei für die sich als „progressiv“ verstehende Kräfte in der Katholischen Kirche, insbesondere für deren weitestgehende Forderungen nach Frauenpriestertum, Zölibatsaufgabe und Reform der Sexualmoral? Wo bleibt die auch in catholicis zu erwartende und – nicht zuletzt von ebenfalls GEZ-zahlenden Andersdenkenden -einzufordernde binnenplurale Meinungsvielfalt der gebührenfinanzierten Medienmacher, woher nehmen die öffentlich-restlichen Anstalten das kulturkämpferische Mandat zu dieser nahezu durchweg und forciert einseitigen Parteinahme? Wieder ist auch hier pauschalierend anklägerisch von den „Gegnern von Veränderungen“ die Rede, die „instrumentalisieren“, „gerne über Bande spielen“ und ein in gewissen „Amtsstuben des Vatikan“ herrschendes „Grundmisstrauen“ „benutzen“. Wohingegen die Reformkräfte wie immer „engagiert“ sind – eine Vokabel, die ich selten bis nie von Altritualisten oder Lebensschützern wie den Teilnehmern des „Marsches für das Leben“ lese. Nicht nur Argumente, auch Sprache tragen zu einem Meinungsklima bei. Sehr geehrter Herr Erbacher, selbstverständlich stelle ich nicht Blog und Äußerung Ihrer Meinung in Frage, aber diese fügen sich beispielhaft in eine extreme Schlagseite besagter Medien gegen den überlieferten Katholizismus ein. Dieser antirömische, ein historisch gebildetes und abwägendes Verständnis für abendländische Kulturerscheinungen verweigernde Meinungskonformismus, der mit weiter zurückreichenden Unterströmungen in Deutschland nicht ungefährlich zumindest spielt, ist m.E. ein heute in seinen Ausmaßen noch nicht wahrgenommenes Ärgernis, das eine spätere, gerechter abwägende Medienkritik und Kirchengeschichte hoffentlich einmal aufarbeiten wird. „Kirche in freiem Fall“ – sie wurde und wird gestoßen, von innen und von außen, von wem, warum und wozu; darüber ließe sich spekulieren. Daran, daß Biopolitik und Geld eine Rolle spielen, habe ich keinen Zweifel.

    • Novalis
      23.02.2021, 21:40 Uhr.

      Das ist ja eine echt saukomische Trollerei. Glückwunsch, es ist echt gelungen den ganzen rechts-reaktionären Irrsinn in wenigen Zeilen so darzustellen, dass aber wirklich der letzte merkt, dass es mit Piusbrüdern, Ratzinger und Co. eben nicht ganz just ist. Ganz herzlichen Dank!

      • Jürgen Erbacher
        Jürgen Erbacher
        24.02.2021, 8:12 Uhr.

        Jede und jeder hat hier die Möglichkeit, sich zum Artikel zu positionieren. Dazu gehören auch Kritik und die Darstellung einer anderen Sichtweise.

        • Novalis
          24.02.2021, 9:55 Uhr.

          Ach, Sie glauben, dass das ernstgemeinte Kritik war? Das wäre ja noch lustiger. Zeigt natürlich dann den ganzen pseudoargumentativen Abgrund von Rechts auf. Wenn man keine Gründe hat, schimpft man auf die Medien und ihre angebliche Nazipolitik. Naja, glaubwürdig ist das nicht, christlich schon gar nicht. Jesus hat das Heuchelei genannt. Und das ist es ja auch. Schwere Sünde.

    • Wanda
      27.02.2021, 15:11 Uhr.

      @Zufälliger Gastleser 23. 02. 13:56
      – Was ist denn überlieferter Katholizismus ? Der, den die Konservativen (vorsichtig ausgedrückt) in der Amtskirche vertreten ? Christlich ist diese Art Katholizismus wohl nicht: denn der ist in so vielen Aspekten der Praxis des damals arrogant herrschenden und vom Volk weit entfernten jüdischen Priesteradels mit seinen überbordend unsinnigen Regeln vergleichbar, wogegen Jesus rebellierte, ihn seiner Heuchelei wegen anprangerte und ablehnte. Bin überzeugt, er würde heute ähnlich reagieren. Was ihn damals sein Leben kostete. P.S. auch dazu gibt es leider Parallelen zur späteren kath. Amtskirche, die sich in ihrer Macht auf ähnliche Weise so manch unbequemen Mahner als Ketzer und Häretiker sehr unchristlich mit dem Henker vom Halse schaffte…

      • Novalis
        27.02.2021, 17:57 Uhr.

        Auch hier: Gute Ansätze, richtige Anfrage an die vermeintlich so Treuen (die in Wirklichkeit nicht Gott, sondern einem Götzen treu sind). Und viel Falsches. Jesus rebellierte mitnichten gegen einen Priesteradel (so etwas gab es gar nicht in Israel). Seine theologischen Diskussionen focht er in der überwältigen Mehrzahl mit den Pharisäern aus. Den Tempel und sein Kultpersonal respektierte er, aber mehr auch nicht.

        • Wanda
          28.02.2021, 20:41 Uhr.

          Novalis 27.02. 17:57
          – Sie sollte die geschichtlichen Fakten und die oft sinnbildlichen Schilderungen der Bibel besser auseinander halten, wie es auch im Vatikan 2 Institute gibt, die das sorgfältig beachten: eines, welches sorgfältig die rein historischen Fakten sammelt und untersucht und die andere, die versucht neutral den religiösen Gehalt der Bibel damit in Deckung zu bringen soweit es überhaupt geht.
          – Also: einen Priesteradel gab es sehr wohl. Der Hohepriester Kaiphas (gibt mehrere Schreibweisen, sein Ossarium in Jerusalem ist identifiziert) war Schwiegersohn des Hohepriesters Hannas, der selbst 9 Jahre dieses Amt ausübte. Dieser Hannas war Patriarch einer Hohepriester“dynastie“ zu der eben auch Kaiphas gehörte. Auf Hannas folgten ua. mehrere Söhne als Hohepriester bis zum Ausbruch des 1.jüdischen Krieges 66 n.Chr. Übrigens war das Amt des Hohepriesters seit Herodes des Grossen kein erbliches Amt mehr sondern wurde zwar nach politischer Opportunität, jedoch „immer“ an ein Mitglied der Priester-„Aristokratie“ vergeben, die häufig mit der Gruppe der Sadduzäer identifiziert wird. Letztere hielten auch die machtvolle Mehrheit im Sanhedrin, dem Grossen Rat und besetzten logischerweise die Rolle des Obersten Priesters mit einem der ihren. Obwohl Herodes verdächtig, konnten sie unter den Römern die wichtigsten Ämter bekleiden. Ihren Spagat zwischen Eigeninteressen und denen der röm. Besatzungsmacht machte sie beim jüdischen Volk zu Kollaborateuren.
          P.S. bedaure Ihnen nicht in Hebräisch antworten zu können, aber Sie sollten vielleicht etwas bescheidener sein: Hochmut ist Christen doch eine Sünde, oder ?

        • Wanda
          28.02.2021, 21:09 Uhr.

          Novalis 27.02. 17:57
          – Israel ? Existierte schon seit 722/21 v. Chr. nicht mehr und Juda wurde 587/86 v.Chr. als selbstständiger Staat ausgelöscht. Blieben Sie doch bitte bei den historischen Fakten…

      • ZufälligerGastleser
        02.03.2021, 19:40 Uhr.

        „Überlieferter Katholizismus“ ist, auch, die durch Höhen und Tiefen gewordene und mehr und mehr und accelerando allen möglichen, ihrerseits zeitkritisch fragwürdigen Zersetzungskräften preisgegebene Kulturgestalt und Lebensraum eines zweijahrtausendealten Erbes. Dafür tritt meine sympathisierende Wortmeldung, eines „frommen Agnostikers“ nicht anders, intuitiv und aufwerfend, dem kleinen Rahmen geschuldet nicht argumentativ, ein. Mein Punkt ist dabei die abkürzend sogenannte „progressive“ Schlagseite der von mir mitfinanzierten Medien hinsichtlich rechtfertigend selbsterklärter, idealisierter journalistischer Standards. Diesen habe ich hier hinein- und dem sehr geehrten Herrn Erbacher, der mir in keiner Weise in persona ein polemisches Telos ist, anlässlich vor-geworfen. Darüber mag jeder denken, wie er will. Meine Diktion und Empörung sind echt. Die, in meiner Wahrnehmung, doch recht unveranlasst aggressiven und arroganten Responsen anderer Kommentatoren zu „trollen“, liegt mir fern, sprechen aber, leider auch „durchgängig“, für sich selbst und das zu Erwartende, zumal im Sinne der ohnehin herrschenden Narrative.

  • Silberdistel
    23.02.2021, 19:57 Uhr.

    So langsam muß man sich Sorgen machen, daß das Christentum insgesamt – zumindest hierzulande, wennauch international zunehmend wiedermal verfolgt – Schaden nimmt. Hat sich die rk-Kirche mit ihren Päpsten doch über Jahrhunderte als deren einzige legitime Vertretung produziert. Und spätestens jetzt in gebetsmühlenhaft wiederholten Skandalen feststellen muß, das man an den eigenen erhobenen moralischen Ansprüchen, gescheitert ist.
    Zu hoffen ist, das die Öffentlichkeit realisiert, daß das Christentum nicht das ist was Glaubensgemeinschaften über Jahrhunderte daraus gemacht haben, nicht zuletzt zum Eigennutz. Sondern heute unser aller Fundament des s.g. „christlichen Abendlandes“ darstellt.

    • Wanda
      25.02.2021, 16:00 Uhr.

      Bin wie schon oft betont nicht mehr gläubig. Ist mir vor Jahren abhanden gekommen. Trotzdem sehe ich in einer wirkungsvollen echten Glaubensgemeinschaft, die in ihren Reihen die Vorgaben des Jesus von Nazareth tatsächlich soweit als möglich vorlebt und verwirklicht, einen Gewinn für die menschliche Gesellschaft. Aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit steht die Amtskirche und der grösste Teil des Klerus. Unerquickliche Einzelheiten, Gebaren und Ursachen sind hier oft genug und auch kontrovers diskutiert worden. Habe mich immer gewundert, dass uns im Religionsunterricht die krasse Abneigung des Jesus gegen die Priester „als Schlangen und Otterngezücht“ nie deutlich gemacht wurde und auch seine Verweigerung der meist unsinnigen Regeln (z.B. Heilen am Sabbath). Was er seinen Jüngern auftrug „Und niemand soll euch Vater (Papa/Papst) nennen, denn es gibt nur einen Vater und der ist im Himmel“…usw. wird auch nicht gern vom Klerus zitiert. Habe es schon öfter zitiert: meine leidgeprüfte, unbeirrbar gläubige Mutter wies einmal unseren Pfarrer zurecht „Wenn ich mit meinem Herrgott etwas auszumachen haben und da gibt es eine Menge, dann tue ich das persönlich und dulde zwischen ihm und mir weder Türsteher noch Vorzimmer noch selbsternannte Sekretäre“…

      • Novalis
        27.02.2021, 11:09 Uhr.

        Ich wollte diesesmal @Wanda für eine treffende Antwort sehr loben – wenn Jesus wahrlich etwas nicht haben konnte, dann Heuchelei. Und dann kam so viel falsch und aus dem Zusammenhang gerissen Zitiertes. Mei, wenn man nicht Hebräisch kann, dann weiß man halt nicht, dass S(c)habbat mit Taw, nicht mit Thet geschrieben wird. Das ist verzeihlich. Aber schon, dass das Heilen am Sabbat als unsinnige Regel bezeichnet wird… NEIN, Jesus kritisiert das Verbot des Heilens am Sabbat und das war damals keine Regel, sondern eine zur Zeit Jesu umstrittene Auslegungsfrage des Sabbatgebotes. Und Jesus vertritt hier die jüdische Mehrheitsmeinung. Dass die Evangelisten durchaus auch Leserlenkung betreiben, indem sie die Pharisäer ein gehörig Maß schwärzer darstellen, als sie waren, ist @Wanda auch nicht in den Sinn gekommen. Dass er damit auch noch antijudaistische Stereotype weitertransportiert (@Herr Erbacher, so etwas sollte der Redaktion nicht durchrutschen), sei nur am Rand erwähnt.
        Schlimmer noch aber ist das: „Abneigung des Jesus gegen die Priester ‚als Schlangen und Otterngezücht'“.
        Hier wird vom eigenen auf den fremden Religionsunterricht geschlossen. Solche Fehlschlüsse sind verzeihlich, wir machen sie alle. Aber Jesus bezeichnet eben gerade nicht Priester als Schlangen und Nattergezücht, sondern die Laientheologen, sprich die Pharisäer (vgl. Mt 23,27-23,33).
        Sehr richtig wird aber die Ablehnung der Vateranrede gebracht. Ordenspatres und der Papst wären wirklich gut beraten, auf diesen Titel zu verzichten. Er ist unjesuanisch. Immerhin kann man sagen, dass Franziskus ja „Bischof von Rom“ vorzieht, was ihm die Ultras von Rechts übel nehmen.
        Es wäre manchmal echt sinnvoller, nochmal in die Bibel zu schauen, ehe man einfach seiner Fabulierlust nachgibt. Mit DIESER Form von theologische Unbildung verratendenden Kritik macht man jedenfalls noch die berechtigtste Form von Kritik (und die ist an den Pfaffen und ihren allzu häufigen geistigen wie körperlichen Übergriffen mehr als angebracht) kaputt. Leider.

        • SuNuraxi
          28.02.2021, 15:06 Uhr.

          Ihre Arroganz wird schön langsam unerträglich. Sie meinen also, nur studierte Theologen dürfen sich an diesem Forum beteiligen? (Ja, Herr Erbacher, ich weiß, dass es sich hier um einen persönlichen Angriff auf einen Mitposter handelt und Sie dieses Posting möglicherweise nicht veröffentlichen werden. Aber sind die [veröffentlichten] Anwürfe von @Novalis, wenn er nicht nur korrigiert, sondern den entsprechenden Leuten auch den Mund verbietet, etwas Anderes?).
          Und ja, @Novalis, wenn wir schon beim Thema sind: Hätten Sie eventuell die Güte, mein Posting unter „Papst zu Frauen…“ vom 15.1., 16:59, auf das Sie mir so nett geantwortet haben, nochmals und etwas genauer zu lesen? Dann fällt Ihnen vielleicht sogar auf, dass ich geschrieben habe: Auf Griechisch ist „Geist“ (zumindest in diesem speziellen Sinne) ein Neutrum.
          Ich habe bewusst das deutsche Wort verwendet, weil es im Griechischen mehrere Wörter für „Geist“ gibt (und jedes dieser Wörter hat noch andere Bedeutungen, die man ins Deutsche nicht immer als „Geist“ übersetzen kann), und die sind eben nicht alle Neutra (ψυχή, δαίμων, γνῶμαι). „Geist in diesem speziellen Sinn“, nämlich πνεῦμα, ist ein Neutrum, und stellen Sie sich nur vor, das war mir schon vor Ihrer werten Korrektur bekannt.
          Ach ja, da Sie ja zur i-Tüpferl-Reiterei neigen, sollte ich noch klarstellen, dass ich mit „Griechisch“ natürlich „Altgriechisch“ (pardon, vielleicht sollte ich in diesem Zusammenhang lieber „Koine“ schreiben, damit Sie nicht wieder ein Haar in der Suppe finden) gemeint habe.
          Viel Spaß bei der Fehlersuche in diesem Posting. Ich freue mich schon auf Ihre weiteren Weisheiten.

      • Silberdistel
        27.02.2021, 19:35 Uhr.

        @Wanda
        25.02.2021, 16:00 h
        Muß man sich nicht wundern wie einfache Worte, meistens jedoch in nicht einfach zugänglichen Gleichnissen formuliert, einen solch gewaltigen Nachhall bis in das 3. Jahrtausend hinein finden? Worte und Gleichnisse, die in der Lage waren nicht nur sämtliche Götter des alten Europas hinweg zu fegen mit nicht überwiegend plumper Gewalt oder Repräsalien, wie sonst seit Urzeiten. Weil diese Worte und Gleichnisse zu jeder Zeit ein „Querdenken“ mit ganz besonderem positiven Klang markierten, die jeden Menschen zu jeder Zeit erreichen vermochten. Offensichtlich sogar wenn er sich selbst als ´Agnostiker´ sieht.

        @Novalis
        27.02.2021, 11:09 h
        Würde(n) sich die Kirche(n) – fast alle sind sie davon betroffen – mehr an das Jesuanische halten, als an die Kreation von menschlichem Brimborium und Bimbam, bishin zu logosgeprägten „Theologien“ und heutigen Konzernstrukturen, dann müßte man nicht in der Weise derart fatal an seinen eigenen aufgestellten Fallstricken stolpern. Denn dann wäre einfach die Liebe zu groß. Zu dem, der als Menschensohn zu den Menschen aus Liebe kam, wie auch zu den Menschen selbst. Vermutlich.

        • Wanda
          28.02.2021, 23:14 Uhr.

          @Silberdistel 27.02. 19:35
          – Kann mir angesichts der unerschöpflichen Kreation von von menschlichem Brimborium in so manchen Amtsreligionen (damals wie heute) nicht versagen, einigen besonders kuriose Beispiele rabbinischer Einschränkungen des Sabbat zu Jesu Zeiten anzuführen: Wie vernünftig ist ein Gesetz, das einem Gläubigen erlaubte am Sabbat 18 km weit zu reisen, aber keinen Kilometer weiter ? Oder das Gesetz, welches der Hausfrau erlaubte während der Sabbat-Stunden ein Seil an dem Wassereimer zu befestigen, aber kein Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen ? Noch komischer: ein Musiker durfte die Enden seiner gerissenen Lautensaite zusammenknüpfen aber nicht ersetzen. Jesus reagierte darauf angeblich sehr harsch mit dem Satz: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht worden und nicht der Mensch um des Sabbat willen.“ Dabei gab/gibt es noch unzählig weitere, groteske Regelverirrungen, die in den christlichen Amtskirchen eine fröhliche Fortsetzung fanden, wobei der hierarchisch höchste Klerus die entscheidende Rolle spielte. Wie Sie richtig feststellen: Brimborium, Bimbam, Pomp und weihrauchumnebelte Circumstances. Dabei könnte alles so einfach sein…

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