Ein Kardinal wird gefeuert

„Der Papst hat heute den Rücktritt von Kardinal Giovanni Becciu vom Amt des Präfekten der Heiligsprechungskongregation und den Verzicht seiner Kardinalsrechte angenommen.“ Kurz und knapp war die Meldung des Vatikans gestern Abend. Sie schlug rund um die „Heiligen Paläste“ ein wie eine Bombe. Becciu gehörte zu den mächtigsten Männern im Vatikan, kennt viele Interna. Von 2011 bis 2018 war er Substitut und damit einer der zentralen Amtsträger in der Machtzentrale des Vatikans, dem Staatssekretariat. Offiziell machte der Vatikan keine Angaben zu den Gründen des ungewöhnlichen Schritts. Becciu selbst erklärte heute bei einer Pressekonferenz, der Papst werfe ihm Veruntreuung von Geldern vor. Der entmachtete italienische Monsignore weist das entschieden zurück.

Undurchsichtige Finanzgeschäfte – Kardinal Becciu tritt zurück. (Quelle: dpa)

Hat er Gelder veruntreut?

Kardinal Becciu galt bis gestern als einer der engsten Vertrauten des Papstes. In diesem Glauben ging er gegen 18 Uhr zur traditionellen „Tabellaraudienz“, um mit Franziskus über die Anerkennung von Wundern und Tugendgraden neuer Seliger und Heiliger zu sprechen. 20 Minuten später verlässt er das Gästehaus Santa Marta als einfacher Monsignore mit Kardinalstitel ohne Rechte. Seit Mitte 2019 stand er im Visier der vatikanischen Fahnder wegen eines Immobiliengeschäfts in London, bei dem Verluste in Millionenhöhe entstanden sind. Doch das habe Franziskus gar nicht als Grund genannt, berichtet Becciu heute bei der Pressekonferenz. Vielmehr werfe man ihm Veruntreuung von Geldern vor.

Es gehe unter anderem um eine Zahlung von 100.000 Euro im Jahr 2017 an sein Heimatbistum Ozieri auf Sardinien. Der italienischen Bischofskonferenz habe er empfohlen, ebenfalls 300.000 Euro dorthin zu überweisen. Es soll um ein Sozialprojekt für Arbeitslose gegangen sein. Der zuständige Ortsbischof bestätigte heute gegenüber Medien, dass das Geld noch auf einem Konto des Bistums liege und alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Interessant ist allerdings, dass ein Bruder Beccius in das Sozialprojekt involviert ist. Ein weiterer Vorwurf betrifft Aufträge an einen anderen Bruder Beccius für Schreinerarbeiten in Päpstlichen Nuntiaturen. Auch hier sei alles mit rechten Dingen zugegangen, so der Kirchenmann.

Gibt es ein faires Verfahren?

Ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht, lässt sich bisher nicht beurteilen. Der Vatikan hüllt sich in Schweigen. Laut Vatikanrecht ist es nicht möglich, gegen einen Kardinal zu ermitteln. Daher können die Untersuchungen jetzt eigentlich erst richtig starten, nachdem Becciu seine Kardinalsrechte abgegeben hat. Ungewöhnlich ist der Vorgang von außen betrachtet allerdings schon. Der 72-jährige Italiener wurde mit den Vorwürfen konfrontiert und unmittelbar gebeten, seinen Rücktritt anzubieten. Er hatte keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, bevor das Urteil über ihn gesprochen wurde. Anders als etwa bei den Kardinälen Pell oder Barbarin wartete Franziskus nicht ab, was ein ordentlicher Prozess als Ergebnis bringt. Die Unterstützer Beccius wittern daher hinter der ganzen Aktion eine Verschwörung. Der Entlassene will nun seine Unschuld beweisen. Das letzte Wort scheint in der Causa noch lange nicht gesprochen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Novalis
    26.09.2020, 21:08 Uhr.

    „Laut Vatikanrecht ist es nicht möglich, gegen einen Kardinal zu ermitteln. Daher können die Untersuchungen jetzt eigentlich erst richtig starten, nachdem Becciu seine Kardinalsrechte abgegeben hat. Ungewöhnlich ist der Vorgang von außen betrachtet allerdings schon. Der 72-jährige Italiener wurde mit den Vorwürfen konfrontiert und unmittelbar gebeten, seinen Rücktritt anzubieten. Er hatte keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, bevor das Urteil über ihn gesprochen wurde. Anders als etwa bei den Kardinälen Pell oder Barbarin wartete Franziskus nicht ab, was ein ordentlicher Prozess als Ergebnis bringt.“
    Naja, was jetzt? Wenn ein Prozess starten soll NACH Vatikanrecht, dann muss ein Kardinal Titel und Rechte verlieren, damit prozessiert werden kann; sonst gibt es doch keinen Prozess. Unser Franz kann ihm ja nach erwiesener Unschuld Titel und Rechte zurückgeben. Das ist ja auch schon vorgekommen. Gegen Pell und Barbarin hat ja auch ein anderer Staat als der Vatikan ermittelt und prozessiert; hier ist doch der Vatikan selbst der Kläger.

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      27.09.2020, 12:31 Uhr.

      Es hätte sicherlich eine Möglichkeit gegeben, die Ämter ruhen zu lassen, bis zur Klärung der Vorwürfe. Doch diesen Weg hat man nicht gewählt.

      • Novalis
        27.09.2020, 15:33 Uhr.

        Ein ruhendes Amt ist dennoch ein Amt. Wenn nach Vatikanrecht kein Gerichtsverfahren gegen einen Kardinal geführt werden kann, wird eben kein Verfahren geführt – oder der Kardinal gibt sein Amt auf, damit prozessiert werden kann.
        Mit Verlaub: Beim den beiden freigesprochenen Kardinälen waren Sie es, der von einem hohen Preis sprach, weil Franziskus die Kardinäle Kardinäle sein ließ – aus Respekt gegenüber einem rechtsstaatlichen Verfahren, dem der Papst nicht vorgreifen wollte. Jetzt sorgt der Papst dafür, das ÜBERHAUPT ein rechtsstaatliches Verfahren (wenn man so etwas in einem Staat ohne Gewaltentrennung annehmen darf) gegen einen Kardinal BEGINNEN kann und jetzt ist es auch wieder nicht recht.
        Natürlich kann man auch Anlassgesetzgebung betreiben und die Exemption der Kardinäle vor Gerichtsverfahren abschaffen. Dann hätten sicher wieder irgendwelche Rechte und Traditionsvernarrte geschrieen, dass der Papst nichts auf Traditionen hält (eine seltsame und vorsintflutliche in diesem Falle). Unter den Maßgaben des Möglichen ist der vom Papst gewählte Weg der legale und legitime.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.