Papst Franziskus in Fernost – die Pressekonferenz

Atomwaffen, Atomenergie und die Finanzskandale im Vatikan waren die Schwerpunkte der fliegenden Pressekonferenz von Papst Franziskus auf dem Rückweg von Tokio nach Rom. Eine Stunde nahm sich das Kirchenoberhaupt Zeit, um die Fragen der Journalisten zu beantworten. Zu Thailand kam keine Frage. Hier betonte der Papst dann selbst noch einmal, dass ihm das Thema der Ausbeutung besonders wichtig war. Mit Blick auf die Atomwaffen kündigte Franziskus an, dass er die Position, die er am Sonntag in Hiroshima vertreten hat, in den Katechismus aufnehmen möchte: der Gebrauch und der Besitz von Atomwaffen ist unmoralisch. Hier sind Diskussionen vorprogrammiert, auch bezüglich der Aussagen des Papstes zur friedlichen Nutzung der Atomenergie, der er skeptisch gegenübersteht.

Papst Franziskus erläuterte den Journalisten bei der fliegenden Pressekonferenz seine Sicht der Dinge. (Quelle: Erbacher)

Papst bekräftigt Verurteilung der Atomwaffen

Lange wurde unter den Journalisten am Wochenende gerätselt, ob die Aussagen von Franziskus in Nagasaki und Hiroshima zu den Atomwaffen etwas Neues darstellten oder er gar hinter seine Vorgänger zurückgefallen sei. Als Franziskus dann in Hiroshima nicht nur den Gebrauch von Atomwaffen als Verbrechen und unmoralisch bezeichnete, sondern über den vorbereiteten Text hinaus hinzufügte, dass dies auch für den Besitz gelte, war allen klar, er meint es ernst. „Das muss in den Katechismus der katholischen Kirche kommen“, erklärte er dann heute gegenüber den Journalisten. Für genaue Beobachter des Papstes, ist das nicht überraschend. Mehrfach hatte er sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber dem Gebrauch und dem Besitz von Atomwaffen geäußert. Mit der Rede von Hiroshima hat er gleichsam einen lehramtlichen Fakt geschaffen.

Bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie wollte Franziskus bei der Pressekonferenz nicht so weit gehen. Allerdings machte er deutlich, dass er diese kritisch sieht. „Der Gebrauch ist hart an der Grenze, denn bisher haben wir noch nicht die absolute Sicherheit erreicht“, erklärte Franziskus seine Position. Man könne einwenden, dass auch Elektrizität unsicher sei. Allerdings könne man damit nur eine kleine Katastrophe anrichten. „Eine nukleare Katastrophe in einem Atomkraftwerk wäre eine große Katastrophe“, so Franziskus weiter und verwies auf die Katastrophe von Fukushima.

„Es ist meine persönliche Meinung, aber ich würde die Atomenergie nicht nutzen bis es nicht eine totale Sicherheit bei der Nutzung gibt.“ Der Papst betonte, dass sich sein Urteil auf den Aspekt der Sicherheit gründet. Es gebe auch Diskussionen, die Atomenergie zerstöre die Umwelt. Das sei in der Diskussion. Er beschränke sich auf den Sicherheitsaspekt. „Ja, nur eine (Katastrophe) in zehn Jahren. Aber auch das hat Auswirkungen auf die Schöpfung“, fügte Franziskus hinzu und verwies auf die Reaktorkatastrophe in der Ukraine.

Vorerst keine Friedensenzyklika

Auf die Frage, ob er an einer Friedensenzyklika arbeite, erklärte Franziskus mit einem Schmunzeln: „Das Projekt gibt es, aber das macht der nächste Papst.“ Es gebe viele Projekte in der Schublade. Dazu gehöre auch die Friedensenzyklika. „Und dort reifen sie“, so Franziskus. Er spreche oft über das Thema. Auch bei seiner Rede über Mobbing bei den Jugendlichen in Tokio sei es um Gewalt gegangen. Man müsse über Gewalt sprechen; aber das Projekt sei noch nicht reif.

Franziskus kam in diesem Kontext auch auf den Weltsicherheitsrat zu sprechen. Dort gebe es oft das Problem, dass sich alle einig seien, eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, und dann lege ein Staat ein Veto ein. „Es wäre gut, wenn alle das gleiche Recht hätten.“ Sprich Franziskus plädiert für die Abschaffung des Vetorechts im Weltsicherheitsrat. Aktuell haben die fünf ständigen Mitglieder (USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich) dieses Recht, durch ein Veto einen verbindlichen Beschluss des Gremiums zu verhindern.

Scharfe Verurteilung des Waffenhandels

Der Papst nutzt noch einmal die Gelegenheit, um den Waffenhandel scharf zu verurteilen. „Christliche Länder oder zumindest von der christlichen Kultur geprägte Länder in Europa sprechen vom Frieden und Leben von Waffen“, kritisierte er. Das sei Hypokrisie, sprich Heuchelei. Die Nationen sollten den Mut haben zu sagen: „Ich kann nicht von Frieden reden, denn meine Wirtschaft verdient viel mit der Produktion von Waffen.“ Franziskus berichtete von einem Hafen, in den ein Schiff eingelaufen sei mit Waffen für den Jemen. Die Arbeiter im Hafen hätten sich geweigert, diese auf ein anderes Schiff umzuladen. So seien die Waffen wieder in das Herkunftsland zurückgegangen. „Ein Fall, aber er zeigt, wie man in dieser Frage handeln muss“, lobte der Papst die Arbeiter.

„Die Hypothese der legitimen Verteidigung [mit Waffen] bleibt immer“, fügte Franziskus auf Nachfrage hinzu. Es sei eine Hypothese, die auch in der Moraltheologie behandelt werde. „Letztes Mittel, die legitime Verteidigung, aber ich betone, letztes Mittel.“ Der Papst wertete es als positiv, dass über diese Fragen gesprochen werde. Er sehe das als einen „ethischen Fortschritt“. Es bedeute, dass die Menschheit auch im Blick auf das Gute voranschreite, nicht nur im Blick auf das Schlechte.

Vatikanfinanzen

Was die Berichte über Skandale im Finanzmanagement des Vatikans anbetrifft, stellte Franziskus zunächst einmal klar, dass es zu einer guten Administration gehöre, das vorhandene Geld nicht in die Schublade zu legen, sondern zu investieren, bis man es brauche. Dabei müsse das Geld sicher angelegt sein und ethisch sauber. Das gelte auch für den Peterspfennig. Bis er ausgegeben werde, was bis zu einem oder eineinhalb Jahre dauern kann, ist es für den Papst okay, wenn das Geld arbeitet.

Detailreich erklärte Franziskus dann das Vorgehen rund um den jüngsten Skandal um eine Immobilie in London. Dabei betonte er zum einen, dass die Anzeige aus dem Innern des Vatikans gekommen sei und nicht von extern. Das ist für ihn ein Beweis, dass die Finanzreformen, die Benedikt XVI. begonnen habe, greifen. Zum anderen legte der Papst Wert darauf, dass für die Anfang Oktober im Rahmen einer Razzia suspendierten Vatikanmitarbeiter die Unschuldsvermutung gelte bis zum Erweis des Gegenteils.

Zuversicht trotz Krise bei der Finanzaufsicht

Was die Krise bei der Vatikanischen Finanzaufsicht AIF anbetrifft, zeigte sich Franziskus zuversichtlich, dass mit der Ernennung eines neuen Präsidenten morgen, die Behörde wieder in ruhigere Fahrwasser kommen werde. Vergangene Woche hatte der Vatikan bekannt gegeben, dass der bisherige Präsident, der Schweizer Rene Brülhart, nicht verlängert werde. In der Folge waren mehrere Mitglieder des Board zurückgetreten. Zu diesen Details äußerte sich Franziskus nicht. Zuversichtlich scheint er aber zu sein, dass der nächste Prüfbericht von Moneywal, einer Institution des Europarats zur Einhaltung internationaler Standards gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, positiv ausfallen werde.

Dass der Vatikan von der Egmont-Gruppe aktuell ausgeschlossen ist, scheint ihn nicht zu bedrücken. Dabei handle es sich um eine, zwar gewichtige, aber doch private Initiative, entscheidend sei der Bericht von Moneyval Anfang 2020. Die Mitglieder der Egmont-Gruppe tauschen untereinander sensible Informationen über internationale Finanzaktivitäten aus. Nach der Razzia Anfang Oktober, die auch den Direktor der vatikanischen Finanzaufsicht AIF betraf, wurde der Vatikan bis auf Weiteres ausgeschlossen.

Ausweichende Antwort zu Hongkong

Auf die Frage zur Situation in Hongkong wollte Franziskus nicht wirklich eingehen. Es gebe nicht nur in Hongkong Demonstrationen. Man solle an Chile denken, an Frankreich, „das demokratische Frankreich, ein Jahr Gelbwesten“, an Nicaragua und andere lateinamerikanische Länder. Der Heilige Stuhl rufe in solchen Fällen immer zum Dialog und zum Frieden auf, so der Papst. Für die mitreisenden Journalisten war diese Antwort wenig zufriedenstellend. Es ist offensichtlich, dass sich der Papst um eine Antwort und klare Positionierung drückt. Es bleibt immerhin der Aufruf, der auch für Hongkong gilt: Dialog. Beim Treffen mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft sagte Franziskus gestern, der Dialog sei die „einzige Waffe, die des Menschen würdig ist und einen dauerhaften Frieden gewährleisten kann“. Auf Nachfrage, wann die Journalisten mti ihm nach Peking reisen könnten, erklärte er, dass er sehr gerne nach Peking reisen würde. „Ich liebe China.“

Fazit der Reise

Genau eine Woche war Franziskus unterwegs. In Europa hat man wenig Notiz genommen von der Reise. Einzig die Aussagen zu den Atomwaffen sorgten für Aufmerksamkeit. Für die Menschen vor Ort war der Besuch wichtig. Die Bestärkung der katholischen Minderheiten lohnt allein eine solche Reise. Dazu der moralische Appell in Thailand, sich der sozialen Probleme anzunehmen, allem voran der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern sowie der Armut in großen Teilen des Landes. In Japan verhalf er den Opfern der Dreifachen Katastrophe zur Aufmerksamkeit, denn ihr Schicksal droht in Vergessenheit zu geraten. Er hielt der Gesellschaft den Spiegel vor und kritisierte den Leistungsdruck, unter dem viele Japaner leiden, der zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft führt und Institutionen wie die Familie auszuhöhlen droht.

Über allem lag die Rede von der Kultur der Begegnung und des Dialogs. Mehrfach betonte Franziskus auf der Reise die Rolle der Religionen für eine friedliche Zukunft. Immer wieder verwies er auf das Dokument von Abu Dhabi über die „Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“. Für ihn ist das eine Magna Charta für das Zusammenwirken der Religionen angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart. Die Religionen haben bei der Bewältigung eine entscheidende Rolle, ist Franziskus überzeugt. Deshalb reist er unermüdlich um den Globus, um diese Vision einer Welt in Frieden und Gerechtigkeit unters Volk zu bringen und Verbündete zu finden. Er agiert dabei nach dem Prinzip „steter Tropfen …“. Wichtig ist für ihn, dass Prozesse in Gang kommen. Er erhebt nicht den Anspruch, sofort das Ziel erreichen zu müssen. Das ist eines der Grundprinzipien seines Handelns. Ob die Samen aufgehen und wann, darauf hat er keinen Einfluss. Hier vertraut er auf eine höhere Macht. Wer, wenn nicht das Papst, hat gerade darauf ein Recht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Wanda
    27.11.2019, 17:29 Uhr.

    Interessante Moral dieses Franziskus: nicht die Finanzierung der Luxusimmobilien in London mit Kirchengeldern/-spenden sind der Skandal sondern die bösen Whistleblower aus dem Vatikan, die ihn publik machten…
    Frei nach dem Motto: nicht wer ist oder warum gibt’s da eine Leiche sondern wie kommt jemand überhaupt dazu diese Leiche zu finden und dann auch noch zu melden ? Geradezu unverschämt…

    • neuhamsterdam
      02.12.2019, 23:47 Uhr.

      Diese ganze Vatikanfinanzaufräumerei kommt mir inzwischen vor wie treffend im Taxi-Lied von Fredl Fesl beschrieben. Es wird viel Aktion geboten und ein Ziel versprochen, während man öfter am Ausgangspunkt vorbeirast.
      Der Taxifahrer wird schon seinen Nutzen davon haben.
      Ich bin mir sicher, es gibt gar keinen Skandal. Es wird nur einer daraus gemacht. Darum soll man auch heftig Unschuld vermuten. Bis zum Beweis des Gegenteils läuft der Zähler. Ziel erreicht. Das konnte keiner wissen. Man ist untröstlich, nämlich das erreicht zu haben, was man sich anfangs vorgenommen hat. Seufz.

  • Wanda
    30.11.2019, 17:31 Uhr.

    Die r.-k. Amtskirche ist m.E. nun endgültig auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Sie wird kaum noch ernstgenommen. Am wenigsten ihr oberster Klerus, der mit seiner Lagerbildung mal wieder ernstlich zerstritten ist. Der Papst mit seinen ständigen Sermonen und Forderungen an die profane Welt ist unglaubwürdig, weil die Kirche selbst diese nicht im Mindesten erfüllt. Der Missbrauch und die Unfähigkeit zu dessen Bewältigung zeigen ihre Degeneration von innen her. Ernsthafter Wille zu einer Erneuerung ist nicht erkennbar.
    – Was den Gläubigen angeht: der kann auch ohne Amtskirche gut mit seinem Gott zurechtkommen. Er braucht all jene nicht, die sich als Türsteher, Vermittler, Zuträger und Vorzimmer zwischen ihm und seinem Gott gedrängt haben. Die Kirche hat längst aufgehört Gottes Gnade zu verwalten, wie mir mal ein Jesuit erklärte. Franziskus hingegen spricht viel und sagt nichts…
    – Ob es zu einem erneuten Schisma wegen der Steinzeit-Traditionalisten um Müller, Ratzinger und Co. einerseits und den mutlosen Gemässigten andererseits kommt, ist unerheblich. Fakt ist, dass niemand mehr die wegdriftenden Gläubigen mit dem Mittel verschärfter Überredung einfangen kann, wie es nach der Reformation durch die jeweiligen Landesherren noch möglich war. Denn darin war man sich erstaunlich einig: die Schäflein mussten zur Konfession ihres Souverän gezwungen werden. Ohne Religion ging gar nicht! Diese einträgliche weltliche Schützenhilfe wurde gern angenommen. Funktioniert jedoch heute nicht mehr und das Zwangsgeld für die Amtskirchen bleibt aus bzw. wird empfindlich weniger und geht an deren Substanz. Ohne den Mammon ein langsamer aber unaufhaltsamer Abstieg…
    All das steht in krassem Gegensatz zum Heilsgedanken des Nazareners, den ich als Ungläubiger eher als eine Philosophie höchster Ethik bezeichnen möchte.
    – Damit soll’s dann aber auch endgültig genug sein. Ich profitiere nicht mehr vom einst interessanten Gedankenaustausch und den lebhaften, oft durchaus kontroversen Diskussionen, die nurmehr sinnentleerten Selbstdarstellungen epischer Breite gewichen sind. Schade…

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