Habt keine Angst vor dem Neuen!

Mit diesem eindringlichen Appell hat heute der Generalrelator der Synode, Kardinal Claudio Hummes, die Beratungen eröffnet. Zuvor hatte Papst Franziskus betont, dass es bei den Beratungen um vier Dimensionen gehe: die pastorale, die kulturelle, die soziale und die ökologische. Wie schon bei den früheren Synoden ermutigte er zur freimütigen Rede, ermahnte aber zugleich zum demütigen Zuhören stets im Bewusstsein, „ich weiß nicht alles“. Eine Synode sei ein Prozess, in dem es nicht darum gehe, wer der Stärkere sei. Beeindruckend war am Morgen das Gebet zur Eröffnung der Beratungen am Petrusgrab im Petersdom. Nach dem „Veni sancte spiritus“ und einem kurzen Gebet des Papstes zogen mehrere Dutzend Indigene mit den Synodenvätern und den anderen Teilnehmern durch den Petersdom, über den Petersplatz zur Synodenaula – untermalt von den Gesängen der Indigenen, dem Lobpreis Gottes, des Schöpfers. Ein altgedienter Vaticanista aus den USA raunte mir zu: „Das ist historisch!“

Die Beratungen begannen am Morgen mit einem gemeinsamen Gebet am Petrusgrab. (Quelle: Erbacher)

Ordensfrauen und die Sakramente

Am ersten Tag ist es zu früh für das Urteil, ob diese Synode als ein historischer Moment in die Kirchengeschichte eingehen wird. Doch wenn man sieht, mit welcher Selbstverständlichkeit am Mittag im Pressesaal des Vatikans eine Ordensfrau berichtet, dass ihre Mitschwestern aus Mangel an Priestern, taufen, bei der Eheschließung assistieren und eine gewisse Form von Beichtgesprächen führen, kann man erahnen, welche Sprengkraft in den nächsten drei Wochen steckt. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als Schwester Alba Teresa Cediel Castillo über die Arbeit ihrer Mitschwestern berichtete.

Wohlgemerkt, hier ging es nicht um progressive Forderungen für die Zukunft. Die Ordensfrau aus Kolumbien beschrieb, was Standard ist und zwar in weiten Teilen des Amazonas. Das ist Realität in der katholischen Kirche. Bei der Synode muss es nun darum gehen, diese Dienste aus dem Graubereich herauszuholen. Bei den Hintergrundgesprächen der vergangenen Tage konnte man den Eindruck gewinnen, dass es eine große Mehrheit dafür gibt, diese Dienste offiziell anzuerkennen. Das gilt auch für die Frage der viri probati oder der Gemeindeleitung durch Laien, Männer und Frauen. Allerdings sind noch viele Fragen zu klären, bevor die entsprechenden Entscheidungen fallen können, und dafür bieten die Beratungen bis zum 27. Oktober Raum und Zeit.

Kardinal Marx spricht über Ökologie

Kardinal Claudio Hummes versuchte heute eine Systematisierung, um die Vielfalt der Themen für die Beratungen in den Griff zu bekommen. Er schlug sieben Themenkomplexe vor. Dazu gehört die Frage nach der Inkulturation und Interkulturalität, die Frage der Ämter inklusive der Rolle der Frauen, die Frage nach dem Auftrag der Kirche im Kontext der integralen Ökologie, die Frage nach der Pastoral angesichts der zunehmenden Verstädterung in der Region, die Frage nach dem Wasser und schließlich die Frage nach einer Kirche, die hinausgeht und neue Wege der Evangelisierung geht.

Am Nachmittag wurden die ersten Statements gehalten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der als Mitglied des Kardinalsrats C9 an der Synode teilnimmt konzentrierte sich in seinem vierminütigen Statement auf Fragen des Umweltschutzes und der integralen Ökologie, die auch soziale Fragen beinhaltet. Zu pastoralen Themen äußerte er sich nicht. Am Mittag hatte er in einer kurzen Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass jede Synode Auswirkungen auf die ganze Kirche habe. Mit Blick auf die Debatte um viri probati betonte er, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an der Eucharistie „lebensnotwendig“ für die Kirche sei.

Viri probati bereits Thema

Nicht Marx, aber andere Synodenväter sprachen am Nachmittag bereits das Thema viri probati an. Das teilte der Vatikan am Abend mit. Es handle sich um eine „legitime Notwendigkeit“. Zudem müsse es ein grundsätzliches Nachdenken über die Natur des Priesteramts geben und seine Verbindung zum Zölibat, berichtet der Vatikan aus der Synodenaula.

Papst Franziskus ermahnte die Teilnehmer heute Morgen mit zur Disziplin bei den Dingen, die von den Beratungen nach außen getragen werden. So sei in der Vergangenheit schon mal der Eindruck entstanden, als gebe es eine Synode in der Aula und eine andere Synode außerhalb der Aula. Schon bei den letzten Synoden hatten der Papst und die Organisatoren betont, wie wichtig es sei, einen geschützten Raum für die freimütige Rede zu haben. Franziskus ist überzeugt, dass nur so eine ehrliche Debatte stattfinden kann.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

17 Kommentare

  • Wanda
    07.10.2019, 23:31 Uhr.

    Habe heute vergeblich in den Aufmachern der wichtigsten TV-Sender (ARD und ZDF) und den aktuellsten Nachrichten der überregionalen Druckmedien Deutschlands (FAZ, WELT, SZ, ZEIT, Spiegel, BILD etc.) nach der Amazonas-Synode gesucht. Vergeblich…
    Lediglich in diesem (ZDF-)Blog spielt das Ereignis für eine überschaubare und schrumpfende Anzahl von Diskussionsteilnehmern eine Rolle; wohl symptomatisch.
    Fazit: es ist dringend Demut angebracht, was die Nabelschau der röm.-kath. Kirche angeht. Die Akzeptanz bei den ganz normal Sterblichen ist gravierend gesunken, vor allem in Bezug auf die Rolle des Klerus, dem nur anzuraten ist, sich endlich und streng zurückzunehmen. Reform und Anstrengung sind erforderlich, wenn man die Talfahrt aufhalten will. Spät bedeutet nicht unbedingt zu spät und da steht zumindest für die Amtskirche ja auch noch die Forderung vom „Gesundschrumpfen und Ballast abwerfen“ im Raum.

    • Maria
      08.10.2019, 11:36 Uhr.

      „Habe heute vergeblich in den Aufmachern der wichtigsten TV-Sender ….nach der Amazonas-Synode gesucht.“
      Leider wird über die Kirche in den angesprochenen Medien vorwiegend im Zusammenhang mit dem Missbrauch berichtet. Gute Nachrichten, wie z.B. die Amazonassynode, sind hier keine Nachrichten, schon gar nicht in den Aufmachern. Das war auch bei der vergangenen Versammlung der deutschen Bischöfe in Fulda zu beobachten. Es ging dort vorwiegend um den synodalen Weg, in den Nachrichten aber um die Entschädigung von Missbrauchsopfern, die sicherlich sehr wichtig ist.
      Aber es tut gut, hier über diese Synode zu lesen, und auch darüber, dass die Gesprächskultur eine ganz andere geworden ist.

      • Wanda
        08.10.2019, 23:13 Uhr.

        Maria 08.10. 11:36
        – Leider ? Gott sei Dank, denn sonst würde immer noch vertuscht, verheimlicht und verharmlost. Die Kirche selbst musste erst unter öffentlichen Druck gesetzt werden. Einen Selbstreinigungsmechanismus hat es bei ihr noch nie gegeben und auf ein Schuldbekenntnis muss man bei einigen hohen Vertretern (z.B Müller oder den Papst-Bruder Ratzinger) immer noch warten…
        – Und vielleicht sollten Sie bedenken, dass die Amazonas-Synode, wo höchst wahrscheinlich gegensätzliche Auffassungen des hohen Klerus aufeinanderprallen, sich erst im Anfangsphase befindet. Von guten Nachrichten kann also zumindest jetzt noch nicht die Rede sein…

  • Wanda
    09.10.2019, 6:06 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher,
    – ich hoffe doch sehr, dass der auf dem Foto sichtbare einzige federgeschmückte Amazonas-Indigene und die Ordensdame an der Seite links von Franzisco (ansonsten umgeben von rot- und purpur-tragenden Chargen des Klerus) nicht als Alibi zu verstehen sind, ähnlich den politisch korrekt bedingten türkisch-stämmigen oder afro-amerikanischen Kommissaren in deutschen und US-Kriminalfilmen. Letztere haben weiss Gott nichts mit der Realität zu tun.
    Wenn es allerdings (beabsichtigt) den Proporz in der rk. Kirche wiederspiegeln soll, bin ich absolut bei Ihnen…

  • Klemens Füreder
    09.10.2019, 7:40 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher!

    Kommt von Ihrer Seite vielleicht noch eine Buch-Kritik von Sodom von Frédéric Martel? Würde mich wirklich sehr freuen!

    Mit freundlichen Grüßen,
    Klemens Füreder

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      10.10.2019, 7:54 Uhr.

      Bisher kenne ich das Buch nicht. Es gab in den vergangenen Jahrzehnten sehr viele ähnliche Bücher, bei denen am Ende nicht viel Substanz enthalten war. Ob das hier anders ist, vermag ich aktuell nicht zu beurteilen.

    • Novalis
      10.10.2019, 15:15 Uhr.

      Es hat Substanz. Ich habe es mit Interesse – und Ekel (zu den Themata AIDS und Prostitution im Vatikan) – gelesen. Ich kann aus eigener Anschauung die vorzüglich recherchierten rechtsradikalen Verbindungen des rete Ratisbonense (Regensburger Netzwerk) bestätigen. Burke hat direkte Verbindungen zum Regensburger Ordinariat. Wie weit in AfD-Kreise Regensburg abgedriftet ist, merkt man daran, dass der Regensburger Bischof – im Gegensatz zu seinem Münchener Kollegen, der den Anschlag in Halle sogleich auf seiner homepage thematisierte – mit keinem Ton erwähnt. Jemand, der sich geistig der AfD nahe fühlt und eine exkludierende Religionstheologie hat, KANN dazu nichts sagen – es wäre eine Selbstoffenbarung… Er müsste ja sagen: Das Judentum sei eine „Erscheinung, die mit dem Anspruch auftritt, die Kerngehalte des Christentums zu negieren: Den Glauben an den dreifaltigen Gott, die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und sein Erlösungswerk am Kreuz. Nur wer seinen eigenen Glauben entweder nicht kennt oder nicht ernst nimmt, kann hier eine weit reichende Integration … für möglich halten“. Man darf diese Sätze, die Voderholzer 2017 tatsächlich sagte, für das Benzin halten, das gestern ein anderer in Halle angezündet hat.
      Das gesamte Buch hat ein paar Rechtschreibfehler, ist aber sehr authentisch. Und: es ist autorisiert.

  • neuhamsterdam
    09.10.2019, 17:24 Uhr.

    Wanda
    „Lediglich in diesem (ZDF-)Blog spielt das Ereignis für eine überschaubare und schrumpfende Anzahl von Diskussionsteilnehmern eine Rolle; wohl symptomatisch.“
    Das gibt mir auch Rätsel auf. Eine recht kleine und stabile Stammschreiber mit ausgesprochen niedriger Fluktuation und vor allem einem ausgewogenen und ausgezählten Meinungsprofil wie es im legendären ZettDehEff-Rundfunkrat mit ausgesprochenem Parteienproporz nicht ähnlicher sein könnte.
    Während von der Redaktion immer wieder anlassbezogen betont wird, daß jede Wortmeldung veröffentlich wird, die den Blogrichtlinen entspricht, scheinen sich einige Schreiber sich im sozialen Kontext dieses kleinen Kreises verpflichtet zu fühlen, ihren Abschied von diesem Blog mitteilen zu müssen. Meine Einstellung ist dazu, schreiben oder es bleiben lassen.

  • Wanda
    14.10.2019, 23:28 Uhr.

    Carla Maltese 12.10. 14:18
    – Generell sollten Sie die Beiträge andere Blogteilnehmer sorgfältiger lesen bevor Sie antworten…
    Schrieb mit Absicht, dass ich die Öffentlich-Rechtlichen nicht weiter kommentieren wolle, habe diese also nicht „in die Pfanne gehauen“ sondern nur deren Abhängigkeit vom ua. politischen Proporz erwähnt, die Sie wohl nicht abstreiten können, oder ? Die unglückliche und vielfach kritisierte Zwangsfinanzierung liess ich dabei sogar ausser Acht.
    – Nun denn, eines stelle ich „für mich“ fest: im Vergleich zu den einigermassen seriösen Druckpublikationen wie FAZ, ZEIT und auch noch die WELT usw., die ihre Ausrichtung deutlich bekennen, überwiegt in ZDF, ARD und der DW eine doch recht regierungsfreundliche Berichterstattung und entsprechend zahme Kommentare, unabhängig davon, wie sich die Regierung parteilich zusammensetzt. Der Proporz bei der Besetzung der Schlüsselposten tut halt seine Wirkung: wie auch nicht ?
    Und Ihr Vergleich mit den Privaten ist mir ziemlich schnurz, die interessieren mich grundsätzlich nicht. Absolut untauglich, schlechtere Sender zur Rechtfertigung heranzuziehen…

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