Causa McCarrick – Vatikan bricht Schweigen

In einer einseitigen Erklärung informiert der Vatikan heute über das Vorgehen im Fall des ehemaligen US-Kardinals Theodore Edgar McCarrick. Allerdings bleiben viele Fragen offen. Denn auch sechs Wochen nachdem der ehemalige Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, den amtierenden Papst sowie dessen Vorgänger öffentlich wegen des Umgangs mit der Personalie McCarrick angegriffen hat, scheint der Vatikan noch keinen Überblick zu haben, wer was wann wusste. Allerdings deutet das Papier schon an, dass es in der Vergangenheit mögliche Fehler in der Causa gab. „Der Heilige Stuhl ist sich bewusst, dass nach Auswertung der Fakten und der Umstände Entscheidungen sichtbar werden könnten, die sich mit dem heutigen Blick auf die Fragen als nicht kohärent erweisen könnten.“

Vatikan bekräftigt Null-Toleranz gegenüber Vertuschung

Schon in den vergangenen Tagen wurden rund um den Vatikan Stimmen laut, dass bei einer konsequenten Aufarbeitung die Causa McCarrick „bis in die höchsten Ebenen“ hinein Auswirkungen haben könnte. Laut der heutigen Erklärung ordnete der Papst an, dass in sämtlichen Archiven des Heiligen Stuhls nach Akten gefahndet wird, die die Person McCarrick betreffen. Ziel sei es, „alle relevanten Fakten zu prüfen, sie in ihren historischen Kontext einzuordnen und mit Objektivität zu bewerten“. Das Ganze finde unter der Maßgabe des Papstes statt, dass sowohl der Missbrauch selbst als auch die Vertuschung „nicht länger toleriert“ werden.

Die wenigen Fakten in der Erklärung beziehen sich auf interne kirchliche Untersuchungen gegen McCarrick. Diese hätten im September 2017 begonnen. Damals habe das Erzbistum New York den Vatikan darüber informiert, dass ein Mann McCarrick beschuldigt, ihn in den 1960er Jahren missbraucht zu haben. Der Papst habe daraufhin eine Vorprüfung angeordnet. Diese wurde zunächst vom Erzbistum geführt. Anshcließend wurden die Ergebnisse an die vatikanische Glaubenskongregation übergeben. Da sich in dieser Phase bereits „schwere Indizien“ ergeben hätten, habe der Papst den Rücktritt McCarricks vom Kardinalat akzeptiert und ihm die öffentliche Ausübung seines Priesteramts untersagt.

Nicht alle Vorwürfe ausgeräumt

Sobald das kircheninterne Verfahren bezüglich des Missbrauchsvorwurfs abgeschlossen ist, will der Vatikan über die Ergebnisse informieren. Ob das auch für die Ergebnisse des Aktenstudiums gilt, bleibt offen. Denn die Vorwürfe gegen die Päpste stehen weiterhin im Raum, dass McCarrick eine Kirchenkarriere machen konnte, obwohl bekannt gewesen sei, dass er als junger Erzbischof Seminaristen zum Sex gezwungen haben soll. Viganò hatte in seiner öffentlichen Anklageschrift Ende August zudem Papst Franziskus vorgeworfen, Sanktionen, die Benedikt XVI. gegen McCarrick wegen dieser Taten verhängt haben soll, wieder aufgehoben zu haben. Allerdings gab es diese Sanktionen des früheren Papstes nicht.

Die Causa bleibt verworren. Auch nach dem Papier sind viele Fragen offen. Immerhin ist klar, dass es aktuell ein ordentliches kirchenrechtliches Verfahren gegen den Beschuldigten gibt. Das war in den vergangenen Tagen gelegentlich angezweifelt worden. Es ist auch klar, dass der Vatikan dabei ist, die Sache intern aufzuarbeiten, Ergebnis offen. Solange nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, werden immer neue Gerüchte entstehen. Ein Befreiungsschlag ist dem Vatikan mit der heutigen Erklärung sicher nicht gelungen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

11 Kommentare

  • Suarez
    06.10.2018, 16:57 Uhr.

    Gestern hat Kardinal Müller – der ja als Präfekt der Glaubenskongregation von Amtswegen Bescheid wissen musste – ganz klar gesagt, dass ihm weder 2012 (also noch in der Amtszeit von Benedikt) noch später irgendwelche Sanktionen gegen McCarrick bekannt waren. Da Müller ja nun wirklich kein Freund von unserem Papst ist, schaut das schlecht für die Wahrheit der Viganòintrige aus…

    • bernardo
      07.10.2018, 10:07 Uhr.

      Ach, auf einmal ist Kardinal Müller also glaubwürdig…

      Vor lauter Intrigen im Vatikanstadl weiß man gar nicht mehr, wer eigentlich gegen wen intrigiert. Okay, Sie wissen das natürlich…

      • Alberto Knox
        11.10.2018, 10:36 Uhr.

        „Monophysismus“ es muss monophysitismus heißen

        • bernardo
          12.10.2018, 17:52 Uhr.

          Danke für die Belehrung. Ich spreche nicht nur Deutsch, sondern auch ein paar andere Sprachen: Auf Italienisch und Spanisch heißt es monofisismo, auf Französisch monophysisme.

    • Wanda
      07.10.2018, 17:48 Uhr.

      Suarez 06.10. 17:05
      – Zu McCarrick heisst es in der theolog. Zeitschrift ‚Herder Korrespondenz‘ unter anderem …“Dessen Karriere verlief um so glanzvoller, als er es nicht nur verstand beste Kontakte in Politik und Kirche zu knüpfen sondern auch weil er ein begnadeter ‚Fundraiser‘ war. In dieser Eigenschaft sammelte er mehr als 200 Millionen Dollar für die ‚Papal Foundation‘ was ihm offenbar auch bei Franziskus lange Zeit Immunität verlieh“ (L. Ring-Eifel)
      Und die an sich moderate FAZ schreibt dazu:
      …“Die Kirche schweigt vom Kopf her. Mit trickreichen Antworten vor der Frage nach seinem Wissen gefährdet Papst Franziskus das Prinzip der Verantwortung und den Begriff der Wahrheit. Irgendwann erledigt sich jede Frage auch durch Nichterledigung. Sie nutzt sich schlichtweg durch Nichtbeantwortung ab. Das wiederholte Ignorieren droht die Frage selbst ins Unrecht zu setzen: eine Stimung von ‚Lass gut sein‘ oder ‚Man will dem Papst nur schaden‘ macht sich breit“…
      Bitte um Nachsicht, dass ich diese Zitate anbringe, aber sie treffen den wunden Punkt: es handelt sich in Wirklichkeit um 2(!) grosse Probleme:
      – 1. der Missbrauch in der Kirche an sich und
      – 2. der spürbare Unwille Problem-1 zu bewältigen, was noch schwerer wiegt. Kann es das wirklich sein ?

  • Suarez
    06.10.2018, 17:05 Uhr.

    „scheint der Vatikan noch keinen Überblick zu haben, wer was wann wusste. Allerdings deutet das Papier schon an, dass es in der Vergangenheit mögliche Fehler in der Causa gab.“
    Das spricht dafür, dass es keinen ordentlichen Instanzen- und Dienstweg im Vatikan gibt, trotz Kurienreform unter Paul VI. und Johannes Paul II. Dass das langjährige Kurienmitglied Ratzinger hiergegen nichts unternahm, obwohl er doch, salopp gesagt, den Laden aus dem FF kennen musste, spricht Bände.
    Umso erstaunlicher, dass offenbar knapp 10 Monate Ermittlungen in New York und im Vatikan reichten, um Substanzielles in der Hand zu haben. Es spricht jedenfalls für den Papst (und gegen viele Kuriale), dass er schnell handelte. Das hat er getan – im Gegensatz zu Benedikt. Dieser Gegensatz gilt aber nur, wenn er von den Schandtaten McCarricks wusste und sie geheim (wie lächerlich wäre das) sanktionierte, um sich (noch lächerlicher) selbst nicht an die Sanktionen zu halten.

  • Wanda
    07.10.2018, 5:30 Uhr.

    Missbrauch die Wievielte (Klappe) ? Eine unendliche Geschichte, in der viel geistliche Prominenz aber kaum Opfer vorkommen…

    • Novalis
      07.10.2018, 11:52 Uhr.

      In der Tat. Viel zu viele. Auch das ist eine Form des Klerikalismus.

      • Hildegard Hardt
        11.10.2018, 10:00 Uhr.

        Und diejenigen, die für Aufklärung sorgen wollten und es auch immer noch wollen, werden in die USA verbrannt.
        Erzbischof Vigano ist ein Kämpfer, aber gegen diesen Sumpf anzugehen, ist schier unmöglich!!

        • Silberdistel
          12.10.2018, 12:32 Uhr.

          Hildegard Hardt
          11.10., 10:00 h
          Das sie verbrannt würden, kann allerdings nur ein recht gut geglückter Freud´scher Versprecher sein 😉

  • Ya Lob
    09.10.2018, 23:12 Uhr.

    Sehr geehrter Herr Erbacher,
    ist es Ihnen möglich hier im Blog den Fall des vom Vatikan geforderten Widerrufs vom Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig, dem Leiter der katholischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt zum Thema Homosexualität zu fordern, aufzunehmen. Am besten als eigenständigen Blog. Ich wäre Ihnen sehr dankbar.

    MfG

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