Der Papst auf Missionsreise in eigener Sache

Zum vierten Mal besucht Papst Franziskus Südamerika. Am Montagabend Ortszeit wird er in Chile erwartet. Donnerstag fliegt er weiter nach Peru. In beiden Ländern wird er bei den Gläubigen und im Klerus für seine Vision der Kirche werben, die sich radikal an der Botschaft Jesu orientiert und damit an der Seite der Menschen steht. Diese simple biblische Haltung hat Sprengkraft im Heimatkontinent des Papstes. Denn die Kirche ist tief gespalten, gerade auch in den beiden Besuchsländern. Da gibt es auf der einen Seite durchaus einen Teil, der den Kurs des Papstes unterstützt. Aber ein großer Teil der katholischen Kirche sieht Franziskus und seine „arme Kirche an der Seite der Armen“ kritisch. Karrierismus, Elitedenken und Kungeleien mit den Mächtigen und Reichen – alles das, was Franziskus bekämpft, gehört an vielen Orten zum kirchlichen Alltag. Auf der einen Seite gibt es einflussreiche konservative Gruppierungen wie das Opus Dei, auf der anderen Seite gibt es eine immer größer werdende Zahl von Priestern und Bischöfen, die sich in ihrem Wirken von der Theologie der Befreiung inspirieren lassen. Das führt zu Spannungen, Verwerfungen und Spaltungen innerhalb der Kirche. Neben den Kontroversen um den Kurs der Kirche warten weitere Probleme auf Franziskus: die Last der Geschichte etwa in Bezug auf das Verhältnis der Kirche zu den Indigenen, die Rolle der Kirche während der Militärdiktatur in Chile oder offene Fragen im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen.

In Chile laufen die letzten Vorbereitungen. Nach dem mit 15 Stunden und 40 Minuten längsten Flug seines Pontifikats wird Papst Franziskus am Montagabend gegen 20 Uhr Ortszeit in der Hauptstadt Santiago de Chile erwartet. (Quelle: reuters)

Weitere Proteste erwartet

Vor allem in Chile gab es in den vergangenen Tagen wiederholt Proteste gegen den Papstbesuch. Angesichts von Anschlägen auf Kirchen und Demonstrationen wird man wohl nicht so leicht von einem „Heimspiel“ des Pontifex in seinem Heimatkontinent sprechen können. Zwar ist zu erwarten, dass in beiden Ländern Hunderttausende Gläubige dem Papst an den verschiedenen Stationen einen freudigen Empfang bereiten werden, doch gerade in Chile dürfte es auch während des Besuchs sichtbare Proteste geben. Der Vorsitzende der Chilenischen Bischofskonferenz, Santiago Silva Retamales, erklärte, die Kritiker des Papstbesuchs seien „nicht die große Mehrheit, auch wenn sie Medienaufmerksamkeit bekommen“. Mit Spannung wird der Besuch von Franziskus am Mittwoch in Temuco erwartet. Im Süden Chiles, dem Zentrum der Mapuche, feiert er einen Gottesdienst. Das Volk kämpft seit vielen Jahren um alte Stammesgebiete, die im 19. Jahrhundert vom damals jungen Staat Chile besetzt wurden und heute von großen Forst- und Bergbaubetrieben ausgebeutet werden. Radikale Mapuche sehen eine Mitverantwortung der Kirche. Sie haben aus Protest wiederholt Brandanschläge auf Kirchen verübt. Die letzten gab es Ende vergangener Woche. Franziskus hat in der Vergangenheit immer wieder zum Schutz der Rechte der Indigenen aufgerufen und sich klar auf die Seite von Volksbewegungen gestellt. Daher gibt es durchaus auch viele Mapuche, die große Hoffnungen in den Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts setzen.

Proteste angekündigt haben auch die Kritiker des Bischofs von Orsono im Süden Chiles, Juan Barros. Der soll Missbrauchsfälle vertuscht haben. Barros selbst weist die Vorwürfe zurück. Von 2004 bis 2015 war er Militärbischof. Seit seiner Ernennung zum Bischof von Orsono gibt es immer wieder Proteste von Gläubigen. Der Vatikan erklärte, dass die zuständige Bischofskongregation im Vorfeld der Ernennung die Personalie genau geprüft und keine Gründe dagegen gefunden habe. In Peru hat der Vatikan vergangene Woche eine konservative Katholikenbewegung unter Aufsicht gestellt, gegen deren Gründer Missbrauchsvorwürfe vorliegen. In diesem Fall wollte der Vatikan wohl noch im Vorfeld der Reise signalisieren, dass man zum harten Durchgreifen bereit ist. Es steht zusätzlich der Verdacht im Raum, dass es bei der „Sodalitium Christianae Vitae“ sektenähnliche Strukturen gibt.

Auftakt zur Amazonassynode

Neben diesen kritischen Punkten wird es Franziskus vor allem darum gehen, für seine Vision der Kirche zu werben. Der Pontifex ist sozusagen in eigener Mission unterwegs. Dabei dürfte ihm vor allem die Station in Puerto Maldonado ein Herzensanliegen sein. Dort, im peruanischen Regenwald, trifft er sich mit Vertretern verschiedener Amazonasvölker. Neben pastoralen Fragen dürften hier vor allem politische Themen im Mittelpunkt der Gespräche und Reden stehen. Für Herbst 2019 hat Franziskus eine eigene Bischofssynode zu Amazonien einberufen. Der Besuch in Puerto Maldonado am Freitagmorgen ist eine Art offizieller Auftakt für den synodalen Vorbereitungsprozess. Interessant ist, dass die Begegnung mit den Amazonas-Völkern den Auftakt des Aufenthalts von Franziskus in Peru bildet, noch bevor er sich am Freitagnachmittag mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft sowie dem Präsidenten Perus trifft. Ursprünglich sollte das Programm am Freitag in umgekehrter Reihenfolge stattfinden und der Papst erst nach dem Treffen mit den Politikern nach Puerto Maldonado reisen. Doch vor wenigen Wochen wurde der Ablauf geändert. Laut Vatikan hätten die peruanischen Behörden darum gebeten, weil aus meteorologischen Gründen der Besuch des Papstes im Amazonasgebiet am Vormittag besser und auch (flugtechnisch) sicherer sei. So bestimmt das Klima über das Programm und verleiht diesem einen interessanten Akzent. Dem Papst dürfte diese „klimatische Priorisierung“ der Amazonasvölker nicht unrecht sein.

Für Argentinien nur ein Telegramm

Auf dem langen Flug von knapp 16 Stunden fliegt Franziskus auch über Argentinien hinweg. Dort wird der Unmut immer größer darüber, dass der Papst bisher sein Heimatland noch immer nicht besucht hat. Der Sprecher der argentinischen Bischofskonferenz, Jorge Oesterheld, erklärte am Freitag, „es ist ein bisschen schmerzhaft, dass er über uns hinwegfliegen und auf der anderen Seite [der Anden] landen wird“. Nach Medienberichten werden bis zu eine Million Argentinier zum Papstbesuch im Nachbarland Chile erwartet. Ob sie den Papst umstimmen können, doch endlich einmal seine Heimat zu besuchen?

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

2 Kommentare

  • Alberto Knox
    16.01.2018, 13:25 Uhr.

    das heimatbistum des papstes ist rom. dass er aus buenos aires stammt, steht auf einem anderen blatt. meinetwegen müsste ein papst überhaupt keine pastoralbesuche machen. aber die, die er unternimmt, macht er gut.

  • Wanda
    17.01.2018, 18:49 Uhr.

    In der Tat befindet sich die röm.-kath. Kirche in Lateinamerika in einem Spannungsfeld, verursacht von jenen geistlichen Kirchenvertretern, die mit den lokalen und staatlichen Machthabern paktieren und gleichermassen dem in fast allen Latinoländern grassierenden Grundübel der Korruption verfallen sind. Dass diese fast ausschliesslich den konservativen Zirkeln der Kirche angehören ist kein Zufall.
    Dem stehen als Gegengewicht (aber eben auch als Zerreissprobe) die Priester gegenüber, die häufig als Anhänger der Befreiungtheologie gelten und ihre Gefolgschaft in der ärmeren Gesellschaftsschichten finden. Einer sehr ernster Konflikt, der von Franziskus um der vordergründigen Harmonie nicht übergangen sondern zu Recht deutlich benannt wurde.
    – Die weiteren Knackpunkte dieser Reise, wie die Rechte der indigenen Völker und Gruppen sowie das völlig unzureichend behandelte Missbrauchsproblem*) werden in Lateinamerika gewöhnlich unter den Tisch gekehrt. Sie sind offiziell so gut wie nicht- oder nur bei Menschenrechtsaktivisten ein Thema. *) in Lateinamerika nicht etwa nur von Geistlichen an Kindern und Abhängigen verübt sondern in beträchtlichem Masse auch durch Familienangehörige. Absolut befremdlich und unverständlich für uns Europäer, dass bei den kirchlichen Missbrauchsfällen fast immer die minderjährigen Opfer als die Verführer gelten, selten der arme Priester: eine doppelte Vergewaltigung. Es kann halt nicht sein was nicht sein darf…

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.