Was bleibt vom Reformationsgedenken?
Kirche, Eucharistie und Amt – diese drei Themen wollen Lutheraner und Katholiken als nächstes anpacken. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung des Vatikans und des Lutherischen Weltbundes hervor, die heute zum Abschluss des 500-Jahr-Gedenkens des Beginns der Reformation veröffentlicht wurde. Das Jahr begann mit großen Hoffnungen und endete mit vielleicht ebenso großer Ernüchterung. Zwar hat sich das Klima zwischen Katholiken und Evangelischen weiter verbessert. In der Substanz ist man in den vergangenen zwölf Monaten nicht vorangekommen. Aber immerhin: die Chemie stimmt, und das darf bei einem Dialog nicht unterschätzt werden. Und bis vor wenigen Jahren war noch undenkbar, was jetzt in der gemeinsamen Erklärung von Lutherischem Weltbund und Vatikan steht. Man empfinde „tiefe Dankbarkeit für die spirituellen und theologischen Gaben, die uns die Reformation geschenkt hat“. Dass Luther heute gar eine Briefmarke der Vatikanpost ziert, hätte sich der Reformator vor 500 Jahren wohl auch nicht träumen lassen. Es ist ein Zeichen dafür, dass in den vergangenen 50 Jahren viel erreicht wurde. Das wird in der Erklärung auch gewürdigt. Doch für viele Gläubige ist das zu wenig.
Weiter Warten in der Abendmahlsfrage
Gerade in Deutschland waren die Hoffnungen groß, dass die beiden großen Kirchen beim Thema Abendmahl für konfessionsverbindende Ehepaare in diesem Gedenkjahr einen großen Schritt weiterkommen. Doch am Ende ist es äußerst ungewiss, ob die Deutsche Bischofskonferenz sich auf ein entsprechendes Papier wird einigen können. Der Vorsitzende, Kardinal Reinhard Marx, stellte zwar zu Beginn der Herbstvollversammlung Ende September in Fulda in Aussicht, dass bis zum Frühjahr ein Ergebnis vorliegen könnte. Doch manche Beobachter sind skeptisch, ob angesichts theologischer Bedenken einiger Bischöfe überhaupt ein Papier zustande kommen wird. In der gemeinsamen Erklärung von Vatikan und Lutherischem Weltbund wird das Thema heute noch einmal eigens angesprochen. Beide Seiten sind sich bewusst, wo einer der entscheidenden Punkte der Ökumene für die Gläubigen liegt. Mit einem Zitat aus der vor einem Jahr im schwedischen Lund unterzeichneten gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus und LWB-Präsident Younan wird erneut davon gesprochen, dass man den „Einsatz im theologischen Dialog erneuern“ wolle. Doch seit Lund sind keine konkreten Zeichen dafür erkennbar.
Das Gedenkjahr wurde ohne große Polemik gegenüber der jeweils anderen Seite gefeiert. Das ist sicherlich ein Erfolg. Auf verschiedenen Ebenen wurde der Fehler gedacht, die auf allen Seiten in den 500 Jahren begangen wurden. Das hält die gemeinsame Erklärung von heute fest: „Ebenso haben wir auch um Vergebung gebeten für unser Versagen und dafür, wie Christen und Christinnen in den fünfhundert Jahren seit Beginn der Reformation bis heute den Leib des Herrn verletzt und einander gekränkt haben.“ Lutheraner und Vatikan erinnern auch an die Erfolgsgeschichte der gemeinsamer „Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, die beide Seiten 1999 in Augsburg unterzeichnet haben. Heute werden sich die Anglikaner in einem feierlichen Akt in der Westminster Abbey in London diese Erklärung zu Eigen machen. 2006 hatte bereits der Weltrat der Methodistischen Kirchen die Erklärung unterzeichnet und während des Reformationsgedenkjahres auch die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Es könnte ein Modell für künftige ökumenische Fortschritte sein, dass Katholiken und Lutheraner, die in vielen theologischen Fragen größere Gemeinsamkeiten haben als andere Konfessionsbünde, vorangehen und die anderen dann folgen.
Welche Einheit soll es sein?
Am Ende bleibt dann doch ein Gefühl der Ernüchterung. Alle in der Ökumene Engagierten arbeiten auf eine Einheit der Kirchen hin. Doch es scheint unklarer denn je, wie diese Einheit aussehen soll. Immer wieder wurde auch im Verlauf des Gedenkjahres betont, man müsse sich zunächst noch einmal über das Ziel der Ökumene einigen. Geht es um eine Einheitskirche, oder um eine „versöhnte Verschiedenheit“, wie sie immer wieder von Papst Franziskus propagiert wird. Dieses Modell lässt Platz für Unterschiede. Doch die Frage ist, wieviel Einheitlichkeit braucht es dann und an welchen Punkten dürfen Unterschiede bleiben? Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, wollen auf jeden Fall den Schwung des Gedenkjahres nutzen, um auch in der Substanz weiterzukommen. Wäre ja schön, wenn nach den vielen Feiern jetzt nicht die Katerstimmung überwiegen würde, sondern wirklich die theologischen Fragen mit ähnlicher Verve angepackt würden.
12 Kommentare
es mag ja ernüchterung geben – aber das glas ist mehr als halbvoll. schon paul vi. sagte, dass die getrennten christen überwältigend mehr eine als trenne. und wenn man sich überlegt, dass man 1945 vertriebe ostpreußen und schlesier, die evangelisch waren, erheblich distanzierter als „die anderen“ wahrnahm, mit denen man nicht verkehrte und schon gar nicht heiratete, als zb syrische flüchtlinge heute (in der tat die kulturelle distanz zwischen einem allgäuer katholiken und einem hamburger protestanten ist sprachlich und gedanklich noch vor 80 jahren erheblich gewesen); dass man im bayerischen wald davon sprach, die leute reden „evangelisch“, wenn sie als heimatvertriebene hochdeutsch benutzten; dass katholiken am karfreitag noch lange zäune strichen, um den evangelischen eins auszuwischen (und an fronleichnam die evangelischen umgekehrt); dass vor noch nicht mal drei generationen kirchenrechtlich noch nichtmal das gemeinsame gebet möglich war: dann sind wir UM LICHTJAHRE vorwärts gekommen. vor allem die persönlichen empfindlichkeiten der vorhergehenden ökumenisch recht unempfindlichen pontifikate sind – da liegen sie goldrichtig, herr erbacher – endlich vergangenheit. jetzt kann man dialog führen. auf augenhöhe. und ohne rückkehrökumene. die hat das 2. vatikanum ja zurecht verworfen.
Alberto Knox
31.10.2017, 15:46 Uhr
Die Schlesier waren überwiegend katholisch.
Alberto Knox
31.10.2017, 15:46 Uhr
Die Schlesier waren überwiegend katholisch. Und im Sudetenland, wo mein Vater herstammte, gab es überhauot keine evangelischen Christen. Letzteres nur der Vollständigkeit halber, denn die von Ihnen nicht erwähnten heimatvertriebenen Sudetendeutschen mussten hier auch in z.T. überwiegend evangelischen Gegenden zurechtkommen.
ich habe ja auch von evangelischen schlesiern gesprochen; im übrigen haben sie recht – aber ich glaube, wir haben auch nicht grundlegend verschiedene meinungen.
Es lohnt zumindest die hypothetische Überlegung, welche Ursachen Christen überhaupt trennen sollte! – Falls denn die These stimmen sollte, das Jesus Christus als Ursache für eine solche Trennung mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann.
christen, wenn sie ihren glauben leben, kann auch nichts trennen. es geht ja im grunde – das sollte man sich vor augen halten – um die zeitlich begrenzte sozialform, deren sichtbare einheit zum schaden der sache selbst getrennt ist. die zugrunde liegende einheit im angebrochenen reich gottes KANN gar nicht zerstört werden.
p.s.: googlen sie mal „Weltethos – Die Reformation des 21. Jahrhunderts?“ von hermann haering. man muss nicht alles unterschreiben, aber zu lesen lohnt sich. für die bestehenden kirchentrennungen besteht zwischen orthodoxen, vor chalzeoniern, katholiken und lutherischen absolut kein grund mehr, bei den reformierten hab ich noch vorbehalte (aber da sage ich ehrlich: ich bin diesbezüglich nicht das maß der dinge und lasse mich gern überzeugen, dass es auch hier geht).
Alberto Knox
Es geht nicht nur darum, das die christliche Botschaft des Friedensreiches aufgrund der vielfältigen unter Christen gehegten konfessionellen Schismen nicht von ihnen selbst (vor-)gelebt werden kann wie sie eigentlich sollte, sondern das dadurch der Leib Christi aufgrund dieser Tatsache bereits im Diesseits beschädigt wird.
Und als Theologe werden sie wissen, das es spätestens seit dem Erstem Konzil von Nicäa 325 ad nichts wesentlich trennendes im Glauben mehr geben sollte. Zumal die eigenhändige Überlieferung von Jesus Christus, wie rechter Glaube definiert wird, gar nicht überliefert ist, es dafür nur die Hören-Sagen-Erzählungen der Evangelisten gibt. – Wenn letztere Tatsache ohnehin nicht eine Steilvorlage für eine ganz außerordentliche Toleranz im christlichen Glauben untereinander sein sollte, man aufgrunddessen das endgültige Urteil über den wirklich richtigen Glauben nicht einfach ´Gott´ selbst überlassen könnte?! Dem Friedensreich und Leib Christi würde es jedenfalls bereits im Diesseits gut tun.
Ich dachte immer, das Konzept der „versöhnten Verschiedenheit“ wäre evangelischerseits gefordert worden, während die es der katholischen Seite als zu wenig anspruchsvoll galt, so dass die Unterschiede in der Ökumene letztlich auch durch Unterschiede im Ziel der Ökumene verursacht worden sind. Jetzt erfahre ich, dass Papst Franziskus selbst die „versöhnte Verschiedenheit“ fordert. Dann braucht es doch gar keine Einheitsbestrebungen mehr: Man erkennt sich gegenseitig an und gut ist.
bernardo
02.11.2017, 16:53 Uhr.
Ich dachte auch immer, die versöhnte Verschiedenheit sei das evangelische Konzept der Ökumene.
So gesehen wäre es durchaus möglich gewesen, dass der Papst anlässlich des Reformationsjubiläums die lutherisch – evangelische Kirche und ihre Ämter offiziell anerkannt hätte. Zumal es in der Praxis sowieso schon seit Jahren so gelebt wird.
Hat er aber nicht. Von daher frage ich mich, was für den Papst versöhnte Verschiedenheit bedeutet.
Das Neue Testament gibt eines ganz klar her: der Nazarener war kein Christ, er war überzeugter Jude. Ihm ging allerdings die Erstarrung seiner Religion in exzessivem Regelwerk und masslos übertriebenen religiösen Vorschriften auf den Keks, welche sich über die Zeit entwickelt und dem Gläubigen kaum noch verständlich war: nicht zuletzt durch und zum Vorteil der arrogant-privilegierten Priesterkaste und Schriftgelehrten, deren oberste Vertreter einen quasi dynastischen Priesteradel darstellten, sich dementsprechend inhuman benahmen und eine Art Glaubenskongregation bzw. Inquisition installiert hatten. Was der Nazarener dann ja auch zu spüren bekam. Der Dekalog allein genügte diesen Glaubenshütern jedenfalls schon lange nicht mehr…
Nun, Ähnlichkeiten und Entwicklungsparallelen zur röm.-kath. Amtskirche sind nicht zu übersehen.
Eines dürfte wohl unstrittig sein: die protestantischen Kirchen sind näher an der Schrift als die Katholiken…
„Erstarrung seiner Religion in exzessivem Regelwerk und masslos übertriebenen religiösen Vorschriften auf den Keks, welche sich über die Zeit entwickelt und dem Gläubigen kaum noch verständlich war: nicht zuletzt durch und zum Vorteil der arrogant-privilegierten Priesterkaste und Schriftgelehrten, deren oberste Vertreter einen quasi dynastischen Priesteradel“.
Das sind reine Vorurteile. Das Judentum zur Zeit Jesu gab es nicht; es gab verschiedenste (Superlativ!) Richtungen im jüdischen Glauben. Es hatte und hat kein exzessives Regelwerk. Die Schriftgelehrten waren Gegner der Priestertheologie und schon gleich kein Priesteradel, da sie in der Regel keine Leviten waren. Die Massivität solcher Falschaussagen sind geeignet, antisemitische Effekte hervorzurufen und ich bitte die Redaktion dringend zu überdenken, ob solcherlei stehen bleibt.
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