Papst: Kirche ist keine „Greisenherrschaft“

Dieser Papst hat noch eine Mission. Das machte er heute bei einem Gottesdienst aus Anlass seines 25-jährigen Bischofsjubiläums deutlich. Dazu hatten sich die in Rom anwesenden Kardinäle in der Cappella Paolina im Apostolischen Palast versammelt. Dabei wehrte er sich gegen den Vorwurf, die Kirche sei eine „Greisenherrschaft“. Wer das sage spotte und wisse nicht, wovon er rede. Die Kardinäle seien keine Greise, sondern Großväter, zu denen die Enkel aufblickten. „Wir müssen ihnen mit unserer Erfahrung einen Sinn des Lebens vermitteln.“ Die Kardinäle sollten sich daher  nicht melancholisch in sich selbst verschließen, sondern offen sein, der Jugend das zu geben. „Wir sind gerufen, zu träumen und der Jugend von heute unseren Traum weiterzugeben: Sie brauchen das“, zeigte sich Franziskus überzeugt. Es klang ein bisschen so wie vor wenigen Tagen bei der Begegnung des Papstes mit Priestern. Da rief er den älteren unter ihnen zu: „Einmal Priester, immer Priester!“. Ein Priester kenne keinen Ruhestand.

Der Ton macht die Musik. Das musste Jorge Mario Bergoglio schmerzlich lernen. Auch als Papst trifft er nicht immer den richtigen Ton, sagen seine Kritiker. (Quelle: reuters)

Weckruf an die Kardinäle

Ein bisschen klang es wie ein Weckruf, den Franziskus an die versammelte – meist ältere – kleine Kardinalsschar richtete, nicht die Hände in den Schoß zu legen. Ausgangspunkt war der Befehl Gottes an Abraham: Steh auf! Schaue und hoffe! Das rief der Papst nun den Kardinälen zu. Dabei unterstrich er beim Stichwort „schaue“, dass es nicht darum gehe, Mauern zu errichten, sondern Horizonte zu eröffnen. Es sei nicht die Stunde, das eigene Leben abzuschließen, so der Jubilar. „Unsere Träume werden ihnen [den Jugendlichen] die Kraft geben, vorwärtszugehen mit ihrer Aufgabe.“ Einmal mehr betont Franziskus damit die Bedeutung der älteren Generation für die Jugend und damit die Zukunft einer Gemeinschaft, in diesem Fall der Kirche.

Die zweite Karriere des Jorge Mario Bergoglio

Vor 25 Jahren vollzog sich im Leben von Jorge Mario Bergoglio eine unerwartete Wende. Nach internen Auseinandersetzungen in der Jesuitenprovinz war Bergoglio 1986 zunächst nach Deutschland geschickt worden. Doch er hielt es nicht lange an der Jesuitenhochschule in Frankfurt aus, kehrte in sein Heimatland zurück und wurde dort nach Córdoba ins „Exil“ geschickt. Viele Jahre wirkte er unauffällig als Beichtvater in der zweitgrößten Metropole Argentiniens. Die Karriere des einstigen Shooting-Stars der argentinischen Jesuiten, immerhin wurde er 1973 mit nur 36 Jahren Provinzial, schien zu Ende. Für viele kam daher seine Ernennung zum Weihbischof von Buenos Aires am 20. Mai 1992 überraschend. Er sei verändert aus Córdoba zurückgekehrt, wird berichtet. Wie schon früher habe er die Nähe zu den Menschen gesucht; zugleich habe aber mehr Milde in seinem Urteil gelegen. Was aber genau in Cordoba geschehen ist, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Vertraute sprechen von einer „Zeit der Läuterung“. Franziskus selbst erklärte in seinem ersten großen Interview als Papst im Sommer 2013: „Meine autoritäre und schnelle Art, Entscheidungen zu treffen, hat mir ernste Probleme und die Beschuldigung eingebracht, ultrakonservativ zu sein. Ich habe eine Zeit einer großen inneren Krise durchgemacht, als ich in Córdoba lebte. Nun bin ich sicher nicht wie die selige Imelda gewesen, aber ich bin nie einer von den ‚Rechten‘ gewesen. Es war meine autoritäre Art, Entscheidungen zu treffen, die Probleme verursachte.“

Und so beginnt am 27. Juni 1992 mit der Bischofsweihe die „zweite“ Karriere des Jorge Mario Bergoglio. Fünf Jahre später wird er Koadjutor des Erzbischofs und damit nach dem Tod von Kardinal Antonio Quarracino im Februar 1998 Erzbischof von Buenos Aires. 2001 nahm ihn Papst Johannes Paul II. ins Kardinalskollegium auf – übrigens zusammen mit den Bischöfen Karl Lehmann und Walter Kasper. Heute ist er Papst, seit gut vier Jahren. Er sieht seine Mission darin, seinen Traum von einer „armen Kirche für die Armen“ vorzuleben. Ob er in den 25 Jahren wirklich alle seine als schlecht erkannten Eigenschaften der „ersten Karriere“ abgelegt hat, werden Historiker einst bewerten müssen. Als ein Defizit hatte er in dem bereits zitierten Interview die mangelnden Konsultationen vor Entscheidungen bezeichnet. Hier dürfte er durchaus einiges dazu gelernt haben. Wenn er aber im Sommer 2013 sagt, dass er seine Entscheidungen „schroff und eigenmächtig“ getroffen habe, so kann man auch heute bisweilen den Eindruck haben, dass trotz Konsultationen an dieser Stelle der alte Bergoglio zum Vorschein kommt.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

8 Kommentare

  • Wanda
    28.06.2017, 4:00 Uhr.

    Ach, Franziskus:
    – das ist ja das im wahrsten Sinne des Wortes Kardinalsproblem der röm.-kath. Kirche: sie sind eben von Amts wegen keine Grossväter, die Enkel haben (dürfen)…
    Wäre es ihnen erlaubt (Jesus hatte es ihnen nicht verboten), gäbe es die meisten Probleme der Mutter Kirche wohl überhaupt nicht und diese von Franziskus bestrittenen Greise wären dann auch überhaupt kein Thema…
    P.S. werde das Gefühl nicht los, Franziskus bedauert den Grossvater verpasst zu haben. Er kann nun mal den hundertprozentigen Latino in sich nicht verleugnen…

  • Heilbründl
    28.06.2017, 7:12 Uhr.

    Mir gefällt Franziskus! Er denkt einfach anders und es ist ihm ziemlich egal, was die anderen von ihm denken.
    Man hat ja den Eindruck, dass die Päpste früher oft Gefangene im Vatikan waren und das Leben nur aus zweiter Hand kannten.
    Und Papst ist Papst und hat die Autorität zu handeln.

    • Silvia
      28.06.2017, 11:50 Uhr.

      Heilbründl
      28.06.2017, 7:12 Uhr.

      Dann sollte er dafür sorgen, dass in Zukunft echte Väter und Großväter (und Mütter)in den Priesterstand und damit auch Kardinalsrang gelangen können.

      • Heilbründl
        29.06.2017, 1:20 Uhr.

        Ich bin bei Ihnen, wär‘ für mich wünschenswert!

      • alberto knox
        29.06.2017, 22:48 Uhr.

        da bin ich mit ihnen einer meinung. für sie ist sicherlich auch christiane florins neues buch „weiberaufstand“ lesenswert.

  • prospero
    29.06.2017, 18:45 Uhr.

    So sehr ich den Worten des römischen Bischofs Franziskus über die größväterlichen Aufgaben der geistlichen „Führungsschicht“ (gleichgültig ob sie sich nun Kardinäle oder Bischöfe nennt)vertrauen möchte, bringt mich die Auseinandersetzung mit dieser Frage zum Ergebnis, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen ein solcher Anspruch von allzu vielen „Würdenträgern“ wohl niemals verwirklicht wird. Bei weitem nicht jeder – vor allem, wenn er in einem entsprechendes Alter ist und eine Position bekleiden, die ihm nach eigener Einschätzung quasi unfehlbare Autorität verleiht – ist dazu bereit oder eben befähigt, den hier erwähnten „Weckruf“ umzusetzen.
    In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass Jorge Mario Bergoglio, der sich heute Franziskus nennt und dem es seinerzeit gelungen ist, seinem Leben, Denken und Tun eine Wendung zu geben, nicht eine allzu große Enttäuschung erlebt, wenn er sich bewusst wird dass ihm hierbei der größte Teil der Hierarchen die Gefolgschaft verweigert.

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