Papst für kreative Lösungen bei Flüchtlingsfragen in Europa
Es ist immer der große politische Auftakt zum Jahresbeginn: der Empfang für das Diplomatische Korps. Papst Franziskus nutzte die Gelegenheit, um noch einmal jegliche Gewalt im Namen der Religion scharf zu verurteilen. Er stellte „den großen Migrations-Notstand“ in den Mittelpunkt seiner Ansprache. Er richtete dabei, ohne die Situation in Asien sowie Nord- und Mittelamerika aus dem Blick zu verlieren, ein besonderes Augenmerk auf Europa. Seine Grundbotschaft lautete: ich traue es dem Alten Kontinent zu, dass er die Herausforderung meistern werde. Er warnte vor nationalen Alleingängen und rief dazu auf, „mit größerem kreativen Wagemut nach neuen und nachhaltigen Lösungen zu suchen“. Er würdigte die Arbeit, die bereits für Flüchtlinge gemacht werde und stellte an die Adresse der Flüchtlinge fest, dass diese die Pflicht hätten, „die Werte, Traditionen und Gesetze der gastgebenden Gemeinschaft zu respektieren“.
Der Papst sieht, dass Europa derzeit in einer kritischen Phase steckt. Die Diskussionen um die „realen Möglichkeiten des Empfangs und der Anpassung der Menschen, nach der Veränderung des kulturellen und sozialen Gefüges in den Aufnahmeländer“ sowie „die Befürchtungen um die Sicherheit“ auch angesichts der zunehmenden Terrorgefahr nimmt er wahr. „Die augenblickliche Migrationswelle scheint die Fundamente jenes ‚humanistischen Geistes‘ zu untergraben, den Europa von jeher liebt und verteidigt. Dennoch darf man sich nicht erlauben, die Werte und die Prinzipien der Menschlichkeit, der Achtung der Würde eines jeden Menschen, der Subsidiarität und der gegenseitigen Solidarität aufzugeben, auch wenn sie in einigen Momenten der Geschichte eine schwer zu tragende Bürde sein können.“
Franziskus zeigte sich überzeugt, „dass Europa, unterstützt durch sein großes kulturelles und religiöses Erbe, die Mittel besitzt, um die Zentralität der Person zu verteidigen und um das rechte Gleichgewicht zu finden in seiner zweifachen moralischen Pflicht, einerseits die Rechte der eigenen Bürger zu schützen und andererseits die Betreuung und die Aufnahme der Migranten zu garantieren“. Der Papst mahnt, die Ursachen von Migration zu bekämpfen. Dabei müssten auch „eingefahrene Gewohnheiten und Gepflogenheiten“ auf den Prüfstand. Er nennt als Beispiele den Waffenhandel, den Bereich der Rohstoff- und Energieversorgung. Und er lenkt den Blick auf die Entwicklung in den Herkunftsländern, die frei von Eigeninteressen unterstützt werden müsse.
In Bezug auf die Migrationsfrage dürften die kulturellen Hintergründe nicht vernachlässigt werden. Interessant ist, dass Franziskus „in der Leere der fehlenden Identität und im Verlust der – auch religiösen – Identität, die den sogenannten Westen kennzeichnet,“ auch einen fruchtbaren Boden für Extremismus und Fundamentalismus sieht. Aus der Leere erwachse die Angst, die dazu führe, den anderen als Gefahr oder Feind anzusehen. Gleich zu Beginn seiner Ansprache hatte er bereits jegliche Gewalt im Namen der Religion scharf verurteilt. „Wer behauptet, an Gott zu glauben, muss auch ein Mensch des Friedens sein und folglich ein Mensch der Barmherzigkeit, denn niemals kann man im Namen Gottes töten. Nur eine ideologische und irregeleitete Form von Religion kann daran denken, durch vorsätzlichen Mord an wehrlosen Menschen im Namen Gottes Gerechtigkeit zu erweisen, wie es in den blutigen Terroranschlägen der vergangenen Monate in Afrika, Europa und im Nahen Osten geschehen ist.“
Franziskus nimmt die Sorgen wahr, die mit der Migrationsfrage verbunden sind. Doch er lässt nicht von seiner Position ab, dass die reichen Länder in der Pflicht stehen, denen zu helfen, die vor Krieg, Unterdrückung, Armut und Ungerechtigkeit fliehen. Er lässt erkennen, wer die Ursachen der Migration bekämpfen will, kommt nicht umhin, seine Politik und seinen Lebensstil zu ändern. Papst Franziskus vermeidet es, einzelne Länder und ihren Umgang mit der Flüchtlingsfrage zu loben oder zu kritisieren, von seinem Dank an die „Grenzländer“ Italien, Griechenland, Türkei, Libanon und Jordanien abgesehen. Dennoch wird deutlich, eine Politik der Abschottung kann nicht mit dem Segen des Papstes rechnen, mögen die Länder sich noch so christlich oder gar katholisch geben. Wenn Franziskus selbst Ross und Reiter benennen will, müsste er zumindest die Episkopate vor Ort zur klaren Positionierung bewegen. Da ist aber bisher aus den Ländern, die sich bei der Lösung der Flüchtlingsfrage verweigern, wenig zu hören.
18 Kommentare
„Barmherzigkeit kennt keine Miete“ klagte neulich der bayrische Finanzminister in Richtung der Kirchen, die ihre an Flüchtlinge zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten dem staatlichen Leistungsträger offensichtlich ganz ungeniert in Rechnung stellen.
Ob Papst Franziskus um diese Abrechnungspraxis dieser, seiner Kirche in Deutschland weiß, dessen (bayr.) Vorsitzender Bischof Reinhard Marx sich doch schon zu Beginn des Pontefikats recht breitspurig im „Franziskusmodus“ wähnte? Oder ob hier nicht auch in den ganz eigenen Reihen: „..mit grösserem kreativen Wagemut nach neuen nachhaltigen Lösungen“, das heisst dann wohl auch im immens grossen Portfolio der Immobilien und finanziellen Potential der Kirche in Deu, zu suchen wäre?! – Der Glaubwürdigkeit jedenfalls würde das sehr gut tun.
„Die augenblickliche Migrationswelle scheint die Fundamente jenes ‚humanistischen Geistes‘ zu untergraben, den Europa von jeher liebt und verteidigt. Dennoch darf man sich nicht erlauben, die Werte und die Prinzipien der Menschlichkeit, der Achtung der Würde eines jeden Menschen, der Subsidiarität und der gegenseitigen Solidarität aufzugeben, auch wenn sie in einigen Momenten der Geschichte eine schwer zu tragende Bürde sein können.“
sehr gut gesagt. letztlich ist dies das gemeinsame christlich-humanistische fundament, auf dem unsere rechtskultur aufruht. daher heißt es auch im grundgesetz: „die würde des menschen ist unantastbar“. sie gilt für jede und jeden. deswegen ist das obergrenzengeschwafel auch sinnfrei. elementare grundrechte gelten universell oder gar nicht. und wir sind noch lange nicht an die grenzen des aufnahmeVERMÖGENS, sondern an die grenzen des aufnahmeWILLENS gestoßen. das sollte man ehrlicherweise sagen. das weiß sogar bk merkel. im grunde macht sie da alles richtig.
„Dennoch wird deutlich, eine Politik der Abschottung kann nicht mit dem Segen des Papstes rechnen, mögen die Länder sich noch so christlich oder gar katholisch geben. Wenn Franziskus selbst Ross und Reiter benennen will, müsste er zumindest die Episkopate vor Ort zur klaren Positionierung bewegen. Da ist aber bisher aus den Ländern, die sich bei der Lösung der Flüchtlingsfrage verweigern, wenig zu hören“.
die ach so katholischen polen, slowaken und ungarn geben sich unchristlich, das muss man so sagen – und just aus diesen ländern kommen die entschiedensten gegner der reform von franziskus. auch bemerkenswert. freilich wissen wir nicht, welche innere druckmöglichkeiten der papst bereits benutzt – ross und reiter zu nennen, ist sozusagen die ultima ratio. die würde ich mir auch aufsparen. denn wenn er das tut und sich ein episkopat weigert, bleibt nur noch die amtsenthebung. das wäre doch erheblich – wenngleich richtig.
Und was ist mit jenen, die gegen die Würde und Werte der Bürger ihrer gastgebenden Länder verstossen ? Denen fehlt doch wohl die Mindestachtung und zwar grundlegend, wie die ekelhaften Übergriffe in Köln, Hamburg, Stuttgart, usw. beweisen.
Darf man sich gegen diese, die sich z.T. unter falschen Angaben zum Nachteil der wirklich Asylbedürftigen ihren Aufenthalt erschwindelt haben, schützen und zwar derart, dass sie kontrolliert und unachsichtig ausgewiesen werden oder plädieren sie generell für den Persilschein ?
– Wie wär’s wenn die Verteidiger dieser Kriminellen einen neuen Tatbestand vorschlagen ? „Testosterongesteuerter Sexualübergriff mit milderndem Migrationshintergrund“…
Wenn man sich dann noch die Versteher solcher Taten wie Frau Künast und Frau Roth von den Grünen anhören muss, für die das Ganze ein Patriarchatsproblem ist, dann kommt Einem die Galle hoch. Ausgerechnet von der Partei, die ganz offiziell eine Debatte über die Straffreiheit von sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern führte und ua. durch Volker Beck die Entkriminalisierung der Pädosexualität forderte…
@ Wanda: Abgesehen von der Gottesfrage stimmen wir in sehr vielen Punkten überein.
Zitat: „Dennoch wird deutlich, eine Politik der Abschottung kann nicht mit dem Segen des Papstes rechnen, mögen die Länder sich noch so christlich oder gar katholisch geben.“
Dann eben ohne den Segen des Papstes.
Sie sind für Abschottung? Das ist mal eine besonders christliche Position. Das lässt sich auch prima vor Mt 25 rechtfertigen. Aufs ewige Heil sollte man dann aber nicht hoffen.
Kann man politisch argumentieren ohne dem Andersdenkenden mit der Hölle zu drohen?
gut getroffen, @ suarez. eine drohung kann ich beim besten willen nicht erkennen – das ist einfach die konsequenz in mt 25 aus völlig amoralischem denken und verhalten. um politische argumentation geht es ja gar nicht, sondern um dumpfes resentiment (abschottung. ohne den segen des papstes) – ich bin sehr dankbar, dass unser lieber papst sich niemals für abschottung aussprechen wird.
– Hört, hört: dass Flüchtlinge die Pflicht haben, die Werte, Tradition und Gesetze der gastgebenden Gesellschaft bzw. Nationen zu respektieren ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit, oder ?
Dem steht jedoch ganz klar entgegen, wie der muslimische Pakistani Shamil Shams von der Deutschen Welle Urdu-Redaktion heute schreibt:
„Islamische (impliziert religiös bedingte) Kultur und die Normen mit ihren europäischen (primär) säkularen Fundamenten sind nicht miteinander vereinbar“.
Alles Andere ist Wunschdenken…
Gedenkt man der aus katholischem Geist vollbrachten Heldentaten Don Juan de Austrias, der gräflichen Brüder Starhembergs oder Jan Sobieskis, wird man wehmütig. Was früher von ihnen mit Schild und Schwert und von den Gläubigen mit einem Gebetssturm an Rosenkranz-Andachten verhindert wurde, holt Europa sich nun frei Haus herein. Christliche Nächstenliebe vermag ich dabei als Movens nicht zu erkennen, eher dekadenten Selbstzerstörungswahn.
Stimme Ihnen insofern zu, dass zwar selten aber dann doch die ansonsten verfeindeten christlichen Konfessionen sich gegen die Bedrohung ihrer gemeinsamen Werte zur Wehr setzten.
Dass Europa bis auf wenige Staaten nun dem damals vor Wien gescheiterten Islam freiwillig die Tore öffnet, ist eine Ironie der Geschichte und (wie Sie schreiben) Zeichen dekadenter Aufgabe der Idee einer wehrhaften Demokratie durch die Gutmenschen.
Dieser Begriff ist übrigens nicht neu: bereits 1994 wurde er anders und äusserst zutreffend als „Kritik an der politisch korrekten Schaumsprache“ definiert.
Europa hat erreicht, die gemeinsamen Werten Verpflichtung werden zu lassen und sie gesetzmässig verankert, unabhängig von Weltanschauung oder Religion.
Dahin müssen es der Islam und die muslimischen Staaten erst einmal bringen.
Aber der Islam ist ja schon angekommen mit Verlaub korrigiert und mutmasslich wird einer der nächsten BP nicht nur verkünden „das der Islam zu Deutschland gehört“, sondern selbst einen orientalisch klingenden Namen führen, sowie in einer deutschen Moschee zu Allah beten…
Was mich persönlich bei der Diskussion um die Flüchtlinge stört ist, das wir zwar alle gerne die Segnungen des Globalismus verkonsumieren: Obst und Gemüse aus Südafrika, Gas aus Russland, Nippes aus China oder Vietnam, Pengasiusfilet aus dem Viktoriasee, Steaks aus Argentinien, Erdöl aus dem Irak und Palmöl für den Biosprit aus Indonesien. – Wir von den Menschen die diese Produkte erzeugen aber nichts weiter von wissen wollen, insbesondere wenn es zu Schwierigkeiten kommt.
Vor was haben wir Angst, auch wenn es zu einem „clash of cultures“ kommt? Nicht umsonst haben sich unsere christlichen Werte – und dazu gehört auch unzweifelhaft die Demokratie ansich (auch wenn das die Kirche bis heute nicht zu begreifen scheint), historisch durchgesetzt. Die Menschen flüchten scharenweise in unseren Kulturkreis weil da etwas besser zu funktionieren scheint und nicht umgekehrt.
Nein, solange wir wirkliche Werte unser eigen nennen können und nicht nur Egoismus und Geldschneiderei, sollten wir nichts zu befürchten haben! Und letztlich sollte man auch nicht so tun, als ob man hier in Deu West wie Ost oder dem restlichen s.g. ‚christlichen Abendland‘, oder auch dem Vatikan/Kirche selbst, seit jeher Sieger über die Unmenschlichkeit gewesen wäre.
Wieso sollte die Demokratie ein „christlicher Wert“ sein? Sie ist überhaupt kein Wert, sondern eine Herrschaftsform, die im besten Fall Mehrheitsvoten politisch durchsetzt. Würde durch eine Mehrheitsentscheidung die Todesstrafe wieder eingesetzt oder das Frauenwahlrecht abgeschaff, wäre das demokratisch. Aber „wert“-voll? Und „christlich“? Jesus hat seine Kirche hierarchisch begründet. Demokratie ist in der glorreichen Geschichte unseres Glaubens allenfalls Cura posterior.
Im „weltanschaulichen“ Bereich gibt es kein Vakuum. Deshalb hat der Islam nur dort Chancen, wo es keinen echten Glauben gibt – oder nur Aberglaube.
@Alberto Knox und Suarez,
ich setze es hier mal ans Ende, damit es übersichtlicher wird:
Ich habe Sie „Beide“ mal für ernst zu nehmende Theologen gehalten. Aber Ihre immer wieder wiederholten Drohungen mit der Hölle an Menschen/ (katholische) Christen lassen da bei mir doch starke Zweifel aufkommen.
Wann und wo haben Sie denn Theologie studiert, wenn überhaupt?
[…]*
@Wrightflyer, und SIE wollen darüber befinden, wer hier ein „böser Mensch“ ist oder nicht und somit in die Hölle kommt oder nicht?
Leute, die genau wie die Fundamentalisten, andere in die Hölle schicken wollen, kann ich nicht ernst nehmen.
Ich hatte Sie für gebildeter gehalten!
*Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.
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