Papst in Afrika – Tag 5
Ein Papst auf Friedenmission. So lässt sich die dritte Etappe der Afrikareise von Franziskus auf einen Punkt bringen. Versöhnung, Vergebung, Entwaffnung waren Stichworte am ersten Tag in der Zentralafrikanischen Republik.“ Ich komme als Pilger des Friedens und als Apostel der Hoffnung“, so Franziskus zum Auftakt. Am Abend in der Kathedrale wurde er dann deutlich: „An alle, die zu Unrecht die Waffen dieser Welt gebrauchen, richte ich einen Appell: Legt diese Instrumente des Todes ab; bewaffnet euch vielmehr mit Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit, den echten Garanten des Friedens.“ Der Jugend gab er anschließend mit auf den Weg, dass Flucht trotz großer Schwierigkeiten keine Lösung sei. „Wer flieht, hat nicht den Mut zum Leben“, so Franziskus in seiner improvisierten Ansprache. Der Papst wollte seit langer Zeit in das Bürgerkriegsland. Und trotz großer Sicherheitsbedenken hat er sich am Ende durchgesetzt. Interimspräsidentin Catherine Samba-Panza bat in ihrer Begrüßungsansprache um Vergebung für alles Böse, dass sich die Menschen im Land angetan haben. Papst Franziskus nutzte für die Fahrten in der Stadt ein offenes Papamobil. Entlang der Strecke waren überall Blauhelme postiert.
Gefährlichster Besuch von Papst Franziskus
„Bringt mich nach Bangui, notfalls auch mit dem Fallschirm!“ Das sagte Papst Franziskus am vergangenen Mittwoch auf dem Weg von Rom nach Nairobi den Piloten der AlItalia-Maschine. Französischen Kollegen erklärte er später bei der Begrüßung der Journalisten, dass er am Montag bei der Pressekonferenz auf dem Rückweg sagen werde, warum er unbedingt hierher kommen wollte. Die Zentralafrikanische Republik stand von Anfang an als Ziel einer ersten Afrikareise von Papst Franziskus fest. Erst später kamen dann Uganda und kurzfristig auch Kenia dazu. 2013 wurde in der Zentralafrikanischen Republik Präsident Francois Bozize gestürzt. Seither kommt es immer wieder zu Kämpfen. Mittlerweile ist der Konflikt, der aus wirtschaftlichen Gründen begann zu einem Kampf zwischen Christen und Muslimen geworden. Milizen terrorisieren Dörfer und Städte. Nach Schätzungen der UN sind rund 20 Prozent der fünf Millionen aus ihren Dörfern und Städten geflohen, tausende wurden getötet. Ende September war die Gewalt in dem Bürgerkriegsland erneut aufgeflammt. Angesichts der Auseinandersetzungen wurden zuletzt auch die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von Mitte Oktober auf den 27. Dezember verschoben.
Es lag durchaus etwas Spannung in der Luft, als der Papstflieger im Anflug auf die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik war. „Dank der Franzosen können wir gut schlafen“, rief der Sicherheitschef des Papstes, Domenico Giani, den Journalisten beim Verlassen des Flugzeuges zu. Die Präsenz der verschiedenen UNO-Einheiten ist immens. Entlang der Strecken, die der Papst mit dem Papamobil fährt, sind in kurzen Abständen Soldaten postiert. Überall sind gepanzerte Wagen mit Scharschützen zu sehen. Soldaten mit ihren Waffen im Anschlag gehören zum Bild des Papstbesuchs in Bangui. Und auch die vatikanische Gendarmerie ist mit einem stark erhöhten Aufgebot vor Ort.
Selbstkritische Präsidentin
Die schwierige Situation des Landes prägte dann auch die Ansprachen und Predigten aller Beteiligten an diesem Tag. Den Auftakt machte die Interimspräsidenten Catherine Samba-Panza mit ihrer Bitte um Vergebung für die Gewalt, die sich Zentralafrikaner gegenseitig angetan haben. Sie bezeichnete sie als „Abstieg in die Hölle“. „Zentralafrikaner haben anderen Zentralafrikanern unaussprechliches Leid zugefügt“, so die Politikerin. Allein die Präsenz des Papstes in Bangui sei aber ein „Sieg des Glaubens über die Angst“. Sie dankte Franziskus, dass er trotz der unsicheren Lage gekommen sei. Er erteile damit eine „Lektion in Sachen Mut“. Sie hoffe, dass der Papstbesuch eine Austreibung der „Dämonen der Spaltung, des Hasses und der Selbstzerstörung“ bewirken werde. Papst Franziskus war von der Rede Samba-Panza so beeindruckt, dass er anordnete, dass das vatikanische Presseamt den Text veröffentlichen solle. Dies ist bei Ansprachen fremder Staatschefs im Vatikan nicht üblich.
Vielleicht war es die besondere Perspektive der Rede, die ihn beeindruckte. Die Präsidentin Zentralafrikas setzte beim eigenen Versagen an und richtete den Blick nicht zuerst an die ausländischen Mächte; auch wenn diese sicherlich ihre Schuld an den kriegsähnlichen Zuständen im Land haben. Diese Perspektive legt übrigens Papst Franziskus bei seiner Afrikareise an den Tag. Ausgenommen die Rede vor der UN in Nairobi, wo er die Verantwortung der gesamten Menschheit in den Blick nahm, legte er bisher den Fokus auf die jeweiligen Länder, ihre eigenen Verantwortung und Möglichkeiten.
Papst ruft zur Versöhnung auf
Den Menschen in der Zentralafrikanischen Republik legte er als Antwort auf die Rede der Interimspräsidentin drei Dinge ans Herz: Einheit, Würde und Arbeit. Die drei Begriffe entlieh er dem Motto der Gründerväter des Landes. Die Einheit müsse in der Verschiedenheit gelebt werden. „Dabei muss man die Versuchung der Angst vor dem anderen vermeiden, der Angst vor dem, was uns nicht vertraut ist, vor dem, was nicht Teil unserer Ethnie, unserer politischen Option oder unseres religiösen Bekenntnisses ist. Die Einheit verlangt ganz im Gegenteil, eine Synthese der Reichtümer zu schaffen und zu fördern, die jeder in sich trägt.“ Die Würde bezeichnete Franziskus als „Synonym für Rechtschaffenheit, Loyalität“. Würde bedeute, „für die Würde der Mitmenschen zu arbeiten“. Schließlich müsse die Arbeit „zum Aufbau einer florierenden Gesellschaft ein solidarisches Werk sein“, so der Papst.
Beim Besuch eines Flüchtlingsheims wurde Franziskus anschließend von unzähligen Kindern begrüßt, die auf Stoffe ihre Sehnsüchte beschrieben haben: Liebe, Vergebung, Gerechtigkeit, Toleranz, Frieden, Entschuldigung war dort auf Französisch und Englisch zu lesen. Rund 4000 Menschen leben in dem Lager. Die meisten von ihnen sind Christen. Franziskus forderte die Bewohner zu Toleranz und Vergebung auf. „Ich wünsche Euch, dass ihr in Frieden leben könnt, ungeachtet der verschiedenen Ethnien, der Kulturen, der Religionen oder des sozialen Status.“
Am Nachmittag startete Franziskus mit einem Besuch in der theologischen Fakultät der evangelikalen Gemeinschaften Afrikas. Auch hier nutzte er die Gelegenheit, um zum gemeinsamen Engagement für Versöhnung und Frieden aufzurufen. „Gott macht keine Unterschiede unter den Leidenden. Ich habe das oft als die Ökumene des Blutes bezeichnet. Alle unsere Gemeinschaften leiden unterschiedslos unter der Ungerechtigkeit und dem blinden Hass, den der Satan entfesselt.“ Die Spaltung der Christen sei ein Ärgernis, so der Papst, „angesichts von so viel Hass und Gewalt, die die Menschheit zerreißen; angesichts von so viel Widerspruch, der sich gegen das Evangelium Christi erhebt“. Daher unterstütze er alle Initiativen, die im Geist gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit stünden.
Vorpremiere des Heiligen Jahres
Der Höhepunkt des Tages war dann die Öffnung der Heiligen Pforte an der Kathedrale in Bangui und damit eine Art vorgezogene Eröffnung des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit. „Bangui ist heute die spirituelle Hauptstadt der Welt“, so Franziskus kurz vor der Öffnung der Pforte. Zum ersten Mal wird damit ein Heiliges Jahr außerhalb Roms mehr oder weniger eröffnet, auch wenn es am 8. Dezember in Rom noch einmal eine offizielle Feier mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom geben wird. „Das Heilige Jahre der Barmherzigkeit ist früher in dieses Land gekommen, ein Land, das zu lange unter Krieg, Hass, Unverständnis und fehlenden Frieden gelitten hat“, erklärte Franziskus. Die Zentralafrikanische Republik ist eines der ärmsten Länder der Welt. Wenn der Papst gerade hier eine historische Ausnahme macht und vorzeitig ein Heiliges Jahr ausruft, ist das eine große Besonderheit. Der Papst, der eine arme Kirche an der Seite der Armen wünscht, eröffnet das Heilige Jahr letztendlich in der äußersten Peripherie, wo Gewalt und bittere Armut herrschen. Einige Kollegen sprachen heute von einem „historischen Tag“.
Angesichts der Tatsache, dass Franziskus trotz großer bedenken hierhergekommen ist, wie er sich hier bewegt und was er sagt, könnte dieses Urteil durchaus zutreffen. Er möchte in einem vom Krieg, Religions- und Stammesfehden zerrissenen Land zum Frieden und der Versöhnung beitragen. Deshalb ist er gekommen; auch um den Muslimen und den Anhängern anderer Religionen bzw. den Atheisten zu zeigen, dass der christliche Glaube heute eigentlich eine Religion des Frieden ist. Daher fordert er heute ohne Unterlass die Menschen auf, der Gewaltspirale ein Ende zu setzen; auch wenn das schwer sei. Beim Gottesdienst in der Kathedrale stellte er daher fest: „Eine der wesentlichen Anforderungen dieser Berufung zur Vollkommenheit [der Kinder Gottes] ist die Feindesliebe, die gegen die Versuchung zur Rache und die Spirale endloser Vergeltungsmaßnahmen wappnet. Jesus hat Wert darauf gelegt, auf diesem besonderen Aspekt des christlichen Zeugnisses zu beharren (vgl. Mt 5,46-47). Die Arbeiter für die Evangelisierung müssen also vor allem ‚Handwerker‘ der Vergebung, Spezialisten der Versöhnung und Experten der Barmherzigkeit sein.“
„Niemals hassen und immer vergeben!“
„Niemals hassen und immer vergeben“, rief Franziskus anschließend den tausenden Jugendlichen zu, die sich vor der Kathedrale versammelt hatten. Er ließ diese Formulierung mehrfach von den Anwesenden wiederholen, als wollte er es ihnen einhämmern in ihr Bewusstsein. Er rief die Jugendlichen auf, ihr Land zu lieben und am Wideraufbau mitzuarbeiten. Flucht sei keine Lösung, zumindest wenn sie in die weite Ferne führt. Vielmehr sollten die Menschen sich vor Ort den Herausforderungen stellen: „Dableiben, um den Frieden aufzubauen, bringt Leben“.
Es ist eine einzige große Friedensmission, der Besuch von Papst Franziskus in der Zentralafrikanischen Republik. Spannend wird die Begegnung am Montag in der größten Moschee der Stadt. Auch damit möchte Franziskus ein Zeichen setzen, dass Religionen zum Dialog fähig sind. Am Ende des ersten Tages lässt sich sagen, dass sich der Besuch hier sicher gelohnt hat. Zumal es der Gemeinschaft Sant’Egidio nach eigenen Angaben im Vorfeld der Visite gelungen ist, erstmals alle Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Dezember an einen Tisch zu bekommen. Laut Sant’Egidio bekundeten die Teilnehmer „die feste Absicht, die politischen Rivalen als „Gegner aber nicht als Feinde“ anzusehen und jede Logik der Auseinandersetzung auf ethnischer oder religiöser Grundlage abzulehnen. Sollte der Papstbesuch also schon im Vorfeld Früchte getragen haben?
P.S. Die Worte, die Papst Franziskus vor der Öffnung der Heiligen Pforte sprach: „Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit beginnt (hier) frühzeitig in einem Land, das unter Krieg, Hass, Mangel an Verständigung, Mangel an Frieden leidet. In diesem leidenden Land sind auch (geistlich) alle Länder anwesend, die das Kreuz des Krieges erlebt haben. Möge Bangui die spirituelle Hauptstadt des Gebets um die Barmherzigkeit des Vaters werden! Wir alle bitten: Frieden, Barmherzigkeit, Versöhnung, Verzeihung, Liebe! Für Bangui, die ganze Zentralafrikanische Republik und die ganze Welt, alle Länder, die unter Krieg leiden, erbitten wir Frieden. Bitten wir alle zusammen um Frieden und Vergebung! Und mit diesem Gebet beginnen wir nun das Heilige Jahr hier, in dieser geistlichen Hauptstadt der Welt, heute.“ Anschließend hatte er im Gottesdienst demonstrativ auch mit einem anwesenden Imam und einem Vertreter der Evangelikalen den Friedensgruß ausgetauscht. Beide arbeiten in einem Rat des interreligiösen Dialogs für den Frieden mit.
3 Kommentare
Vielen Dank Herr Erbacher für diesen sehr guten Bericht, und einen guten Rückflug nach Rom!
Dem schließe ich mich an.
– Respekt: im Gegensatz zu den Politikern nennt Franziskus absolut mutig die Dinge beim Namen, auch wenn sie unbequem sind: Flucht sei für die Jugend Afrikas keine Lösung sondern Bleiben, um am Frieden und (Wieder-)Aufbau mitzuarbeiten. Dabei stelllt er die Eigenverantwortung und Möglichkeiten der Länder in den Mittelpunkt*) – wie auch die verblüffend selbstkritische Interimspräsidentin Zentralafrikas, die ausdrücklich auf das Versagen der afrikanischen Potentaten hinwies und nicht auf obskure externe Faktoren, auf Korruption und Stammes- bzw. Clan-Interessen der mächtigen einheimischen Oberschicht.
Damit schliessen sich beide der erst kürzlich geübten Eigenkritik des afrikanischen Kardinals P. Turkson an, welcher die ernsten Auswirkungen der Flüchtlingsbewegung benannte: Afrika könne den demografischen Aderlass an jungen Leuten nicht länger verkraften, andererseits Europa nicht mehr Migranten aufnehmen und intergrieren. Dabei kämen die meisten Flüchtlinge aus nicht nur an Bodenschätzen reichen Ländern. Ua. äusserte er dabei ganz unverblümt, so mancher Herrscher-Clique Afrikas käme es nicht ungelegen, wenn ein Teil der jungen Generation (d.h. als innenpolitischer Unruhefaktor) das Land verlasse*)…
– Hochinteressant auch, was der Muslimführer Kenias mit den Zitaten Hans Küngs ausführte „kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen und kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen“… Mit anderen Worten, es liegt an zuerst einmal an den Religionen, sich nicht für politische Machtspiele einspannen zu lassen und ihre religiösen Führer sind dabei in die Pflicht zu nehmen…
*) kann gleichermassen für die jungen muslimischen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten gelten…
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