Synode zu Ehe und Familie – Tag 14

Mehr Synodalität und Kollegialität wünscht sich Papst Franziskus für die katholische Kirche. Das hat er heute noch einmal deutlich gemacht. Anlass war eine Feier zum 50-jährigen Bestehen der Bischofssynode im Vatikan. Dabei machte er auch deutlich, dass der Papst die oberste Entscheidungsgewalt in der katholischen Kirche innehabe. Dieser handle aber nicht nach seiner privaten Meinung, sondern als oberster Glaubenszeuge für die ganze Kirche. Zuvor hatte Kardinal Christoph Schönborn angemahnt, die Synode sollte sich bei ihrem Vorgehen am Apostelkonzil orientieren. Dies würde bedeuten: weniger theoretisieren und sich mehr an der Heiligen Schrift und den Erfahrungen zu orientieren. Die Gedenkfeier zum Synodenjubiläum könnte zu einem Schlüsselmoment im Pontifikat von Papst Franziskus werden. Vor Vertretern des Weltepiskopats hat er seine Vorstellung einer synodalen Kirche vorgetragen, flankiert von den methodologischen Überlegungen Kardinal Schönborns. Das Ereignis könnte die katholische Kirche auf lange Sicht hin prägen. Mit der Einrichtung der Bischofssynode hatte Papst Paul VI. eine Idee der Konzilsväter aufgegriffen und diese noch während der Kirchenversammlung umgesetzt. Offiziell geschah dies am 15. September 1965. Bislang gab es 27 Synoden, 14 ordentliche, drei außerordentliche und zehn Sonderversammlungen.

Die Synoden-Theorie ist leicht, die Praxis weniger

Gemeinsam unterwegs sein, Laien, Hirten und Bischof von Rom. Das ist nach Ansicht von Papst Franziskus „Synode“, „ein einfaches Konzept, wenn man es ausspricht, aber nicht so einfach, wenn es darum geht, es praktisch umzusetzen“. Das katholische Kirchenoberhaupt machte gleich zu Beginn seiner programmatischen Rede deutlich, dass er noch Defizite bei der Umsetzung von Kollegialität und Synodalität in der katholischen Kirche sieht. Einmal mehr unterstrich er die Bedeutung des „Glaubenssinns der Gläubigen“ für die Kirche. Deshalb habe er im Rahmen des synodalen Prozesses zweimal die Gläubigen befragen wollen. Auch wenn er sich bewusst sei, dass man den „sensus fidei“ nicht durch Umfragen ermitteln könne. Aber wie hätte man über Familie reden können, ohne die Familien zu fragen?

„Eine synodale Kirche ist eine hörende Kirche.“ Das ist eine Grundvoraussetzung für Franziskus. Bei diesem Hören könne jeder etwas vom anderen Lernen: Gläubige, Bischofskollegium und der Bischof von Rom. „Die Bischofssynode ist der Punkt, an dem die Dynamik des Zuhörens auf allen Ebenen der Kirche zusammenfließt.“ Die Bischöfe hätten die Aufgabe, den Glauben vom „unbeständigen Fluss der öffentlichen Meinung“ zu unterscheiden. „Schließlich kulminiert der synodale Weg im Zuhören des Bischofs von Rom, der berufen ist, sich als ‚Hirte und Lehrer aller Christen‘ zu begreifen: nicht ausgehend von seinen persönlichen Überzeugungen, sondern als oberster Zeuge des Glaubens der gesamten Kirche, als ‚Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, dem Evangelium Christi und der Tradition der Kirche‘. Die Tatsache, dass die Synode immer cum Petro et sub Petro – also nicht nur mit Petrus, sondern auch unter Petrus – agiert, bedeutet keine Einschränkung der Freiheit, sondern eine Garantie der Einheit.“

Papst wünscht Autorität des Dienens

Kirche und Synode seien letztendlich ein Synonym, so Franziskus mit Verweis auf eine entsprechende Aussage des heiligen Johannes Chrysostomos. Deshalb dürfe sich auch niemand über den anderen erhaben fühlen. „Vergessen wir das nie! Für die Jünger Jesu, gestern, heute und immer, ist die einzige Autorität die Autorität des Dienens.“ Dann kommt Franziskus auf die Kirchenstrukturen zu sprechen, in denen sich die Synodalität realisiere. „Die erste Ebene der praktizierten Synodalität verwirklicht sich in den Teilkirchen.“ Franziskus spricht von der Diözesansynode, von den zahlreichen Beratungsgremien, die es auf Bistumsebene gebe und die genutzt werden müssten: Priesterrat, Beraterkollegium, Domkapitel und Pastoralrat. „Nur in dem Maße, in dem diese Organismen mit der «Basis» verbunden bleiben und von den Menschen, den Alltagsproblemen ausgehen, kann eine synodale Kirche Formen annehmen.“ Interessant ist, dass er gerade das Instrument der Diözesansynode anspricht, das in Deutschland bislang einzig der Trierer Bischof Stephan Ackermann wagt. Die anderen Bischöfe beobachten das Geschehen dort sehr genau. Es erschließt sich nicht so ganz, warum andere Diözesanbischöfe Angst vor einem solchen Unterfangen haben. Vielleicht kann mit der Rückendeckung des Papstes auch noch einmal über eine Deutschlandweite Synode nachgedacht werden. Diese war im Rahmen des Gesprächsprozesses immer wieder angedacht worden, vor allem von den Laienvertretern. Am Ende wurde die Idee aber verworfen.

Franziskus kommt nämlich bei der zweiten Ebene der Synodalität auf die Kirchenprovinzen, Regionen und schließlich die Bischofskonferenzen zu sprechen. „Wir müssen nachdenken, um über diese Einrichtungen noch mehr die Zwischeninstanzen der Kollegialität zu schaffen, vielleicht indem wir einige Aspekte der frühen Kirchenordnung einbauen und modifizieren.“ Das Konzil habe solche Instanzen angeregt. Man sei erst auf halbem Weg, was die Umsetzung anbetrifft, zeigt sich der Papst überzeugt. Franziskus erinnert an seine Aufforderung zur Dezentralisierung in Evangelii gaudium: „In einer synodalen Kirche, wie ich schon ausgeführt habe, ‚ist es nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten auftauchen. In diesem Sinn mache ich auf die Notwendigkeit aufmerksam, in einer heilsamen ‚Dezentralisierung‘ voranzuschreiten‘.“ Schließlich gebe es die Ebene der Universalkirche. Die Bischofssynode sei der Ausdruck der bischöflichen Kollegialität.

In einer synodalen Kirche könne auch das Petrusamt „mehr Licht bekommen“. „Der Papst steht nicht einsam über der Kirche, sondern in ihr, als Getaufter unter Getauften und im Kollegium der Bischöfe als Bischof unter Bischöfen, und er ist zugleich als Petrusnachfolger dazu berufen, die römische Kirche zu führen, die unter allen Kirchen den Vorsitz in der Liebe hat.“ Franziskus wiederholt die Aufforderung von Johannes Paul II., über eine „Konversion des Papstamts“ nachzudenken. Dies könnte dann auch Auswirkungen auf die Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen haben.

Schönborn: Methode des Apostelkonzils anwenden

Kardinal Christoph Schönborn erinnerte daran, dass Konzile stets eine lange Umsetzungsphase nach sich zögen, die durchaus mehrere hundert Jahre umfassen könnten. Das Erzbistum Wien etwa habe erst 200 Jahre nach dem Trienter Konzil mit der Gründung des Priesterseminars 1758 die in Trient beschlossene Reform der Priestererziehung umgesetzt. Die Synode, so der Wiener Erzbischof, sei der „privilegierte Ort der Konzilsinterpretation“. Zwei Fragen bewegten im Kontext dieses synodalen Elements von Anfang an: Welche Zweck bzw. Kompetenzen hat die Synode, sprich berät sie nur den Papst oder hat sie eigene Vollmachten? Und: Welche Methode ist die richtige, um diesen Zweck zu erfüllen? Gerade bei der aktuellen Synode gab es ja heftige Diskussionen um die von Papst Franziskus geänderte Methode, die in dem ominösen Brief der 13 Kardinäle ihren Ausdruck fanden.

Schönborn rät, zur Lösung der Fragen auf das Apostelkonzil zu schauen. Dort könne man lernen, dass Probleme und Konflikte offen zu benennen und offen auszutragen seien. Entsprechend habe Papst Franziskus zu Beginn der Außerordentlichen Synode 2014 zu Offenheit und zugleich zur Demut im Hören aufgerufen, so Schönborn. Mit diesen beiden Haltungen könne es zu „heftigen Auseinandersetzungen“ kommen, gab der Kardinal zu. Doch Papst Franziskus habe dazu ermutigt, „die Auseinandersetzungen nicht zu fürchten, sie als dieses ‚movimento degli spiriti‘ zu leben, als die treibende Kraft, die die Unterscheidung der Geister reifen lässt und die Herzen bereitet, das zu erkennen, was der Herr selber uns sagt, ja was er schon entschieden hat (vgl. Apg 15,7), was wir aber noch durch Gebet und durch die Mühen unserer Auseinandersetzung erkennen müssen“.

Weniger Theorie, mehr Praxis!

Mit Blick auf das Apostelkonzil stellt Schönborn dann fest, dass die Apostel ihren Konflikt nicht durch theologische Debatten, gar durch Gutachten und Gegengutachten gelöst hätten. Sicherlich sei die theologische Debatte, wie sie gerade auch in den vergangenen Monaten zum Thema Ehe und Familie geführt worden sei, „wichtig und unerlässlich“. „Ich sehe darin einen echten Gewinn für die „organische Entwicklung“ der Lehre der Kirche“, würdigte der Wiener Erzbischof die Debatten, ohne allerdings auch nicht auf Kritik zu verzichten: „Dass diese theologischen Debatten bisweilen auch mit einiger Verbissenheit, ja Verbitterung und nicht immer im Geist des aufeinander-Hörens und des sich-Bemühens, den anderen in seinen Anliegen zu verstehen geführt wurden und auch heute noch werden“, gehöre zu den Versuchungen, von denen Papst Franziskus zum Abschluss der letzten Synode gesprochen habe.

Also keine theologische Debatte beim Apostelkonzil zur Lösung des Konflikts, sondern das Erzählen, Hinhören und Schweigen. „Sie haben nicht abstrakt theoretisiert über das Heil der Heiden, sondern sie legten dar, was sie ‚gesehen und gehört‘ haben (vgl. Apg 4,20).“ Und diese Darlegungen wurden zunächst einmal, neudeutsch würde man sagen, stehengelassen. „die Versammlung hörte zu „in Demut“. Das Zeugnis des Petrus wird nicht gleich in einer großen Debatte „zerpflückt“ und kritisiert. Sein Wort wird mit Schweigen aufgenommen, und kann somit „im Herzen erwogen“ werden (vgl. Lk 2,19.51). Wie wichtig ist dieses Schweigen und mit dem Herzen Hören!“ So hätten auch die anderen berichtet. Schließlich kommt Schönborn zu dem Schluss: „Im Hören auf beide, die Schrift und die Erfahrung, erkennt die Versammlung [beim Apostelkonzil] den Weg und den Willen Gottes.“

Drei Schlussfolgerungen zieht Kardinal Schönborn schließlich aus dem Apostelkonzil für die Institution Bischofssynode: Mission, Zeugnis und Unterscheidung. Die Synode müsse dazu beitragen, dass die Kirche von einer „einfach erhaltenen Seelsorge“ zu einer „explizit missionarischen Seelsorge“ komme. Beide Begriffe hat er Evangelii gaudium entnommen (vgl. EG15). Die Synode müsse dann weniger theoretisieren und viel mehr aus den Erfahrungen, dem Zeugnis lernen und schließlich könne es bei den Gesprächen nicht um Kompromisse als Ziel gehen, sondern um einen „Mehr-Wert“, den der Heilige Geist schenke.

Es geht um mehr als die Familie

Die Rede des Papstes hat deutlich gemacht, bei der aktuellen Synode geht es um mehr als nur das Thema „Ehe und Familie“. Es geht auch um strukturelle Fragen wie Synodalität, Subsidiarität und Kollegialität und damit die Dezentralisierung. Es geht um das Verhältnis von Theorie und Praxis und vieles mehr. Deshalb werden die Debatten so emotional und kontrovers geführt. Kardinal Schönborn hat mit seiner Ansprache einen Weg aufgezeigt, wie man in der konkreten Situation einen gemeinsamen Weg finden kann, die Probleme und Konflikte zu lösen. Wer hinhört auf die Erfahrungen der Hirten und das Handeln Jesu, der müsste eigentlich zu einer Lösung im Sinne des Menschen und nicht des Gesetzes kommen.

P.S. Der Vatikan hat am Samstag das Programm der 1. Papstreise nach Afrika bekannt gegeben (25.-30.11.2015). Demnach wird Franziskus in der Zentralafrikanischen Republik, der dritten Station seiner sechstägigen Reise, ein Flüchtlingslager und eine Moschee besuchen. Zum Auftakt der Reise macht er Station in Kenias Hauptstadt Nairobi, wo er unter anderem die dortigen UN-Institutionen besuchen wird. In Uganda, der zweiten Station der Reise, feiert er unter anderem einen Gottesdienst am Märtyrer-Heiligtum von Namugongo nahe Kampala. In allen drei Ländern sind Begegnungen mit Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und diplomatischen Kreisen geplant sowie Treffen mit Jugendlichen, Klerikern, Seminaristen und Ordensleuten.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

16 Kommentare

  • Alberto Knox
    17.10.2015, 23:59 Uhr.

    das sind ergreifende, tiefe und weiterbringende worte von papst und kardinal schönborn.

    „Eine synodale Kirche ist eine hörende Kirche.“

    damit hätte man unglaublich viel gewonnen.

    mehr synodalität auf bistums- oder kirchenprovinzebene hieße ja faktisch: die bischöfe geben macht ab. das wäre wünschenswert.

  • Silvia
    18.10.2015, 3:46 Uhr.

    Wichtig in diesem Zusammenhang wäre dann aber auch, dass eine Diözesansynode u.ä. „Gesprächsprozesse“ verbindlich Beschlüsse für ihre Region fassen können, z.B. die Umsetzung von Reformen auf der jeweiligen regionalen Ebene, damit dabei „etwas herauskommt“ und Probleme nicht nur ausgesessen werden.

    Gerade bei den Sakramenten für WvG sehe ich da Handlungsspielraum.

    Oder das kirchliche Arbeitsrecht, zu dessen Umsetzung sich nun auch die drei letzten Bistümer (Passau, Regensburg und Augsburg) entschlossen haben ist so ein Beispiel für die regionale Umsetzung von Reformen, in diesem Fall für den Einzugsbereich einer Bischofskonferenz, also für ganz Deutschland.

  • Silvia
    19.10.2015, 19:31 Uhr.

    Hier würdigt der Papst den verstorbenen Kardinal Martini, der im Konklave 2005 auch „im Rennen“ gewesen sein soll:

    http://de.radiovaticana.va/news/2015/10/19/papst_w%C3%BCrdigt_kardinal_martini/1180283

  • JasJu
    19.10.2015, 21:57 Uhr.

    Das mit der Synodalität und den Kompetenzen für Bischofskonferenzen sagt der Hl. Vater doch seit langem. Um dann autoritärer zu handeln als alle Päpste der letzten 50 Jahre. Dieser Schlagworte bedient er sich als Knochen, die er den Kryptoprotestanten hinwirft, um sie ruhig zu stellen, denn sie nerven alle. Ist wahr, wird aber gesperrt, anders als diese peinlich-emotionalen Ergüsse meiner Vorredner.

    • Silvia
      20.10.2015, 1:04 Uhr.

      JasJu, um seine Reformen durchzusetzen – und dazu gehört es, den Bischöfen mehr Kompetenz zu gewähren und auch die Reform des Papstamtes – muss der Papst noch einmal seine ganze Autorität einsetzen, bevor er sie zurück nehmen kann.

      Das sage ich z.B. @Wrightflyer schon seit über einem Jahr wenn nicht sogar noch länger.

      • bernardo
        21.10.2015, 11:26 Uhr.

        Es bleibt eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit – in der Frage der „Dezentralisierung“ ebenso wie in der Frage der Haltung zur Wirtschaft: „Diese Wirtschaft tötet“ auf der einen, Unternehmensevents in der Sistina auf der anderen Seite. Natürlich ist Franziskus in einer schwierigen Lage, und manchmal kann die ignatianische Verwirrung heilsam sein. Aber manchmal ist sie einfach nur Verwirrung.

        @ Sikvia: Martini hatte m. E. nie eine Chance, Schönborn auch nicht. Ich finde Schönborn sympathisch, glaube aber, dass er für das Amt viel zu weich ist. Mein Favorit für das letzte Konklave war Ouellet, ein Mann aus der „Neuen Welt“, vielsprachig, ein guter Organisator und zudem „ratzingeriano di ferro“. 🙂

    • G. Küppers
      20.10.2015, 16:40 Uhr.

      Sehe ich anders.

      Dieser Eindruck, der Papst regiere zu autoritär, betrifft ja vor allem diejenigen, die der bisher alles dominierenden und jede Bewegung konsequent abblockenden konservativen Kirchenspitze nahestehen.
      Der Papst regiert in der Tat sehr autoritär, indem er den Kurienapparat und die eingeschworenen Vertreter der alten Elite mehr oder minder ignoriert oder einfach auffahren lässt. Seine Referenz ist nicht die alte Elite, sondern das „Kirchenvolk“, so wie er es versteht, und der Episkopat (deshalb die Synode). Ich halte den Papst im Kern für einen südamerikanisch (v.a. durch den argentinischen Peronismus) geprägten Populisten. Der peronistische Populismus hatte ja ebenfalls diktatorische Züge.

      Ansatzweise ist Bergoglio vielleicht mit anderen „Neuerern von oben“ wie bspw. Gorbatschow zu vergleichen.
      Angesichts der über lange Zeit gewachsenen und verfestigten Strukturen der alten Macht (hier v.a. die Kurienbürokratie) muss ein solcher Machthaber, der eine Neuausrichtung will, den alten Apparat aufbrechen, mithin ausschalten. Das tut der Papst mit seinem eigenwilligen Führungsstil.

      Dass er dabei „autoritärer handelt als alle Päpste der letzten 50 Jahre“, ist übrigens Unsinn. Das Gespann aus Papst Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger, der diese Politik dann als Benedikt XVI. fortzusetzen versuchte, aber an den Seilschaften in der Kurie scheiterte, war mindestens ebenso autoritär in der Durchsetzung ihrer Ziele und der Etablierung eines neuen Kurses in der Kirche. Nur bediente sich JPII anderer Mittel (v.a. Kontrolle der Organisation mithilfe einer rigiden Personalpolitik und Aufbau einer zentralistischen Verwaltung, die unter Benedikt dann zunehmend auch zu einer Bespitzelungs- und Denunziationsmentalität führte, was ihm letztlich zum Verhängnis wurde).
      Genau dieser Apparat wird vom jetzigen Papst (ebenfalls recht „autoritär“, aber aus seiner Sicht notwendig) „ausgeschaltet“, indem er ihn einfach übergeht.

      Mehr zu meiner Interpretation der Handlungsweise des Papstes als „peronistisch geprägter Populist“ in meinen Kommentaren zu einem Kreuzknappenartikel von Anfang Monat, wenn der Verweis gestattet ist (ansonsten bitte nicht veröffentlichen, danke!).
      http://kreuzknappe.blogspot.de/2015/10/merkwurdige-andeutung-von-p-lombardi.html

      Bitte keine voreiligen Zuweisungen zu irgendwelchen Schubladen („durchprotestantisiert“ oder so)! Ich sehe diesen Populismus durchaus nicht unkritisch und betrachte auch die vorausgehenden Pontifikate durchaus nicht komplett negativ. Versuche nur, die kirchenpolitischen Gangarten aufzuschlüsseln. M.E. ist Benedikt mit der Weiterführung der von JPII eingeleiteten Wende gescheitert, weil sie letztlich in eine Sackgasse führte und die Kirche gelähmt war. Ein Neuanfang war unumgänglich, und Franziskus versucht ihn auf seine Weise und mit seinen Mitteln zu verwirklichen.

      • Silvia
        20.10.2015, 19:56 Uhr.

        G.Küppers, im o.g. Blog sprechen Sie u.a. vom teils überalterten und (sehr) konservativen Episkopat.

        Das sehe ich etwas anders. Schauen Sie mal Bischof Oster an, der ist mit inzwischen 50 Jahren einer der jüngsten Bischöfe in Deutschland aber ein Hardliner durch und durch, weswegen er auch von einem mir bekannten Neupriester sehr verehrt wird.

        Gerade unter Benedikt fühlten sich junge Männer und nicht mehr ganz so junge Spätberufene zum Priesteramt hingezogen, die den damaligen Kirchenkurs, das Vat II in Vergessenheit geraten zu lassen oder zumindestens als unbedeutend darzustellen – siehe die Rede vom „Pastoralkonzil“- auch heute noch konsequent verfolgen, während die Älteren im Episkopat und in der Priesterschaft mehrheitlich zum Konzil stehen.

        Wie diese Priester und Bischöfe sich dann letztlich in die Kirche, die Papst Franziskus anstrebt, einfügen werden, bleibt spannend.

        Es bleibt nur zu hoffen, dass Papst Franziskus genügend Zeit für seine Reformen bleibt und dass er sie kirchenrechtlich so festschreibt, dass es danach kein Zurück mehr geben kann, denn genau das hat Vat II versäumt und der gesamten Kirche dadurch 35 Jahre Rückschritt und Erstarrung beschert.

        • Silvia
          20.10.2015, 19:58 Uhr.

          Bischof Oster halte ich übrigens für eine personelle Fehlentscheidung von Papst Franziskus.

          • G. Küppers
            22.10.2015, 14:33 Uhr.

            Hallo Silvia!
            Bischof Oster vertritt in der Sexualmoraldebatte konventionelle Ansichten, argumentativ nicht besonders überzeugend und auch nicht allzu geschickt (die Debatte über die „heißen Eisen“ liegt ihm nicht besonders), aber durchaus dialogbereit und offen.
            Kirchenpolitisch folgt er innerhalb des Episkopats seinem Mentor Bischof Voderholzer. „Hardliner durch und durch“ ist keiner von beiden.
            Oster nur wegen seiner wertkonservativen Ader als „Hardliner“ zu bezeichnen, ist m.E. reines Schubladendenken.

            Kritisch an Oster sehe ich seine ungebrochene Verbindung mit manipulativen Medien wie kath.net, die eigentlich nicht zu ihm passen. Er hat das ja selbst mal bemerkt und damit kurzzeitig für Aufsehen gesorgt.

            Sonst betrachte ich ihn sehr positiv, wegen seines offensiven und undogmatischen, sehr personalen und menschenorientierten Glaubensverständnisses.

            Als Kommunikator und charismatische Figur ist Oster (anders als bei seinen Ansichten in der Sexualmoraldebatte) zukunftsfähig und wegweisend.
            Allein schon sein Internetengagement ist total vorbildhaft und unerhört, kein anderer Kirchenmann in Deutschland bringt sowas fertig (er geht da auf jeden Hinz und Kunz zu und bemüht sich um echten Austausch, selbst mit abseitigen Religionskritikern und Fanatikern). Dabei wirkt er aus meiner Sicht sehr authentisch, absolut transparent, wenn auch vielleicht ein wenig bieder.

            Oster hat wohl momentan noch etwas Probleme, sich in seine Rolle als Autoritätsfigur einzufinden, wie er selbst in der BR-Dokumentation „Gipfeltreffen“ im Mai einräumte. Dort schildert er auch seinen Werdegang.
            http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/programmkalender/ausstrahlung-340780.html

            Bezüglich der Wiederverheiratetendebatte muss man sich nur seinen eigenen Werdegang (langjährige Paarbeziehung und dann Bekehrung zum Ordensleben) ansehen, um zu verstehen, dass er seine jüngst geäußerte Argumentation zum sexualmoralischen Sündenbegriff nochmal überdenken müsste.

            Man muss aber vielleicht auch seinen akademischen und theologischen Hintergrund beachten und frühere Veröffentlichungen von ihm lesen, um ihn aus dieser „Hardliner“-Schublade rauszuholen. Jemand, der das Gleichnis vom verlorenen Sohn zum Leitmotiv seines Denkens macht, kann kein echter „Hardliner“ sein. Möglicherweise will er da aber auch gar nicht raus, denn zwischen den „Lagern“ hält er sich natürlich alle Optionen offen.

            Die SZ (die ihn auch als „Hardliner“ bezeichnet) brachte ihn trotz Kritik an seinem Konservatismus schonmal als künftigen zweiten deutschen Papst ins Spiel: „Oster ist der nettere Müller“ (http://www.sueddeutsche.de/bayern/mitten-in-passau-oster-ist-der-nettere-mueller-1.2495454).

            Als Fehlbesetzung sehe ich ihn absolut nicht, schon gar nicht als Fehler von Papst Franziskus. Die Auswahl geht sicher eher auf Kdl. Marc Ouellet zurück, der hatte als Chef der Bischofskongregation in der frühen Phase dieses Pontifikats für Bischofsernennungen praktisch freie Hand.

          • Alberto Knox
            22.10.2015, 16:06 Uhr.

            liebe silvia,

            papst franziskus trägt zwar die verantwortung für die ernennung von oster, aber entschieden dürfte er das nicht haben. da leistet die bischofskongregation vorarbeit. wenn ich mir da die leute um ouellet und genn anschaue, dann gruselt mir.
            wo sie aber recht haben: oster ist eine fehlbesetzung.

  • Prediabetico
    20.10.2015, 20:01 Uhr.

    Pienso que a raíz de que El Papa Francisco esta a cargo del Vaticano, la iglesia católica se le ve con rumbo y mas abierta a criticas, pero sobre todo a asumir su responsabilidad en problemas de antaño. Y estoy con la esperanza de que ese mensaje llegue hasta las capas de población mas humildes en todo el mundo. Es un deseo de que con su poder de penetración que tiene la iglesia católica, pueda ayudar a los países menos desarrollados en su lucha por abatir la ignorancia y a su vez también aportar los medios para que estas sociedades tengan mejor salud, tanto física como mental. Hoy en día eso es lo que nos hace falta, una orientación, oración, y aportación, saludos

  • Wanda
    26.10.2015, 18:00 Uhr.

    – Franziskus und alle lateinamerikanischen Synoden-Teilnehmer heucheln, was das Handling des Geschiedenen-Problems ihres Subkontinents angeht. Der kirchliche Umgang mit der dort (nicht laut) akzeptierten Situation ist trick- und einfallsreich und sieht allgemein aus wie folgt:
    – a) in der Regel sind die Ehen nur anscheinend kirchenkonform, d.h. die meisten vermeiden eine offizielle Scheidung, obwohl der Mann überaus häufig eine 2. Familie mit Kindern hat, dort auch zeitweilig lebt: das sogenannte kleine Haus. Dieser „Sünden-Trick“ aber wiegt weniger schwer als eine ehrliche Scheidung und ist deshalb kein Grund die Kommunion zu verweigern, obwohl der Mannes moralisch eigentlich in Bigamie lebt…
    – b) der Mann ist seit Jahren über alle Berge (oft im Ausland) und kommt auch nicht wieder weil er dort eine neue Ehe eingegangen ist. Die verlassene Frau möchte sich deshalb scheiden lassen, denn sie bekäme dadurch wenigsten Zugang zu einer geringfügigen sozialen Unterstützung; wird aber von der Kirche mit der drohenden Verweigerung der Kommunion unter Druck gesetzt und fügt sich, weil dies eine auch gesellschaftliche Ächtung im Dorf bedeuten würde. Dass die beiden ex-Eheleute de facto permanent geschieden leben, spielt für die Kirche überhaupt keine Rolle, entscheidend ist das offizielle Scheidungspapier und das wird der ausgebüxte Ehemann aus dem Ausland nie liefern. Dass dies auch einer neuen Ehe der Frau im Wege steht, ist klar…
    – c) in den Städten reagiert die Kirche dagegen enorm anpassungsfähig: in den letzten Jahren zunehmend, lässt man sich tatsächlich gesetzlich scheiden, geht aber trotzdem unbekümmert zur Kommunion und wird auch nicht daran gehindert. Was der Pfarrer offiziell nicht weiss bzw. nicht wissen will, macht eben auch nicht heiss. Hauptsache die Fassade bleibt intakt…

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