Synode zu Ehe und Familie – Tag 11
Tag 11 der Synode hat mit einer Premiere und einem ungewöhnlichen Akt begonnen. Zum ersten Mal war Papst Franziskus nicht bei einer Plenumssitzung dabei, weil er seine Generalaudienz abhielt. Und dann begann er diese mit einer ungewöhnlichen Vergebungsbitte: „Ich bitte euch im Namen der Kirche um Vergebung für die Skandale, die sich in letzter Zeit in Rom und im Vatikan ereignet haben.“ Welche Skandale er konkret damit meinte, sagte er nicht. Zeitgleich präsentierten die 13 Sprachgruppen in der Synodenaula die Ergebnisse der Arbeiten zu Teil 2 des Arbeitspapiers. Dabei fiel der Beitrag der deutschsprachigen Gruppe auf. Einerseits durch seine besondere theologische Tiefe, zum anderen durch die Tatsache, dass der Bericht und alle Modi in der Gruppe einstimmig verabschiedet wurden. „Bedenken Sie, wer alles in der Gruppe ist“, so Kardinal Vincent Nichols beim Pressebriefing, in Anspielung auf die Tatsache, dass dort die Kardinäle Müller, Kasper, Marx, Koch und die (Erz)Bischöfe Bode, Koch zu einstimmigen gemeinsamen Aussagen kommen.
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind eins
Es dürfte übertrieben sein, es als eines der Wunder der aktuellen Synode zu bezeichnen. Aber die Tatsache, dass die deutsche Sprachgruppe auch beim zweiten Teil des Arbeitspapiers zu einstimmigen Entscheidungen gekommen ist, ließ doch aufhorchen. Immerhin ging es um einen, wenn nicht gar den „zentralen Teil“ der Synode, wie mehrere Gruppen feststellten. Während Anglicuc B mit ihrem Moderator Kardinal Vincent Nichols anmahnt, dass es noch einer „tieferen Reflektion der Beziehung zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit“ bedürfe, stellt Germanicus schlicht fest: „Weil Gott Liebe ist, fallen in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in eins. […] Die Gerechtigkeit Gottes ist seine Barmherzigkeit, mit der er uns gerecht macht.“ Dadurch werde eine „einseitig deduktive Hermeneutik“ ausgeschlossen, „Welche konkrete Situationen unter ein allgemeines Prinzip subsumiert“. Mit Verweis auf Thomas von Aquin und das Konzil von Trient mahnt die Gruppe „die Anwendung der Grundprinzipien mit Klugheit und Weisheit auf die jeweilige, oft komplexe Situation“ an.
Interessant ist die Anerkennung, dass sich die „kirchliche Ehelehre geschichtlich entwickelt und vertieft“ hat. Die Gruppe führt dann diese verschiedenen Stationen aus und zieht daraus den Schluss: „Wie die geschichtliche Entwicklung der kirchlichen Lehre Zeit beansprucht hat, so muss die kirchliche Pastoral auch den Menschen heute auf ihrem Weg hin zur sakramentalen Ehe Zeit der Reifung gewähren und nicht nach dem Prinzip ‚Alles oder Nichts‘ handeln.“ Ohne den Begriff „Gradualität“ zu verwenden, fordern sie den „Gedanken eines ‚Prozesses von Stufe zu Stufe‘ (FC9) auf die Gegenwart hin zu entfalten, den Johannes Paul II. bereits in Familiaris consortio [FS] grundgelegt hat“. Notwendig sei dabei „eine personal ausgerichtete Seelsorge, die die Normativität der Lehre und die Persönlichkeit des Menschen in gleicher Weise einbezieht, seine Gewissensfähigkeit im Blick behält und seine Verantwortung stärkt“. Bei allem und das dürfte einer der zentralen Sätze sein, „geht es nicht um Ausnahmen, in denen Gottes Wort nicht gültig ist, sondern um die Frage der gerechten und billigen Anwendung des Wortes Jesu – etwa des Wortes der Unauflösbarkeit der Ehe – in Klugheit und Weisheit“.
Durchaus Diskussionen im Zirkel Germanicus
Die deutschsprachige Gruppe hat, wie hier schon zu Beginn der Synode angedeutet, vor allem theologisch gearbeitet. Das kann sie aufgrund der großen Homogenität und der theologischen Schwergewichter in ihren Reihen auch gut machen. Neben den Kardinälen und Bischöfen aus Deutschland und Österreich arbeiten in der Gruppe noch der melkitische Patriarch Gregoire III. Laham sowie Bischöfe aus Serbien, Finnland, Kroatien, Ungarn und der Slowakei mit. Die kulturelle Vielfalt ist aber nicht so groß, wie in anderen Sprachgruppen, wo teilweise weit mehr als ein Dutzend Nationen aus allen Kontinenten vertreten sind. Das führt zu größeren Friktionen und sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Damit kann Germanicus sich um die Theologie kümmern, die Papst Franziskus für seine Vorhaben braucht.
Allerdings war en die Gespräche in der Gruppe nicht ganz so einfach, wie in der ersten Woche. Es gab schwierige Momente. Denn es bleibt die zentrale Frage, wie es die Kirche hält mit der gelebten Sexualität, wenn man diesen oben beschriebenen Wegcharakter der Beziehung akzeptiert. Ich habe es bereits angedeutet, dass hier die Diskussionslinien plötzlich ganz neu verlaufen sind. Aber am Dienstag hat die Gruppe wieder zueinander gefunden. Spannend wird es jetzt, welche konkreten Konsequenzen die Gruppe aus dem Gesagten für den dritten Teil zieht, wenn es um die „heißen Themen“ der Ehe ohne Trauschein, die wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexualität, aber auch die Frage der Polygamie geht. Darüber werden die Kleingruppen ab Samstagmittag beraten.
Gradualität umstritten
Was ist aus den anderen Sprachgruppen zu berichten. So dezidiert wie Germanicus haben sich die anderen in ihren Berichten zum Wegcharakter nicht geäußert. Lediglich Hibericus A mit dem Moderator Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga spricht von „Gradualität und Prozesshaftigkeit“. Auch diese Gruppe hat sich mit Thomas von Aquin beschäftigt, der die Barmherzigkeit als die höchste Tugend Gottes ansehe und die Vergebung als die höchste Form des Ausdrucks der Macht Gottes. „Jesus öffnet immer Türen“, ist die Gruppe überzeugt. Sie kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass, der These der „semina Verbi“ (IL56) folgend, anerkennen müsse, dass es „auch viele positive Werte in anderen Familienformen“ gebe.
Im Anglicus D mit dem Berichterstatter Erzbischof Charles Joseph Chaput scheint es an dieser Stelle kontroverse Diskussionen gegeben zu haben. Justin der Märtyrer, von dem der Gedanke des „Samens des Wortes“ stamme, habe sich dabei eher auf Kulturen als auf das persönliche Leben der Menschen bezogen, so Chaput in seinem Bericht. „Der Text [des Instrumentum laboris]tendiert dazu, irreguläre Beziehungen als etwas darzustellen, das „Samen des Wortes“ enthält. Einige Bischöfe meinten, das sei unangemessen und irreführend.“ Das ist nur eines der Beispiele, an denen man erkennen kann, dass es durchaus sehr kontroverse Themen und auch gegensätzliche Positionen in der Synode gibt. Dadurch dass die Diskussionen ja in den Kleingruppen stattfinden, ist es aber schwierig abzuschätzen, ob es am Ende eine komplette Blockadehaltung eines Teils der Synodenväter geben könnte. Das hält den Prozess bis zum Ende spannend.
Durchgehend fordern die Gruppen eine stärkere biblische Fundierung des Schlussdokuments. Dabei wird immer wieder auch vom „Evangelium der Familie“ gesprochen. Die Frage ist allerdings, was darunter zu verstehen ist. Dazu in den nächsten Tagen an dieser Stelle noch einmal mehr. Viele Anmerkungen gibt es zur Reihenfolge einzelner Abschnitte. Kardinal Nichols stellte beim Briefing fest, das Instrumentum laboris habe den Prozess komplizierter gemacht. Es versuche, die Relatio Synodi der letzten Synode mit den Ergebnissen der zweiten Umfrage und der Rückmeldungen darauf zu vereinen. Das scheint, wenn man die Äußerung des englischen Kardinals und mancher Sprachgruppen sieht, nicht gelungen zu sein. Hier steht der Redaktionsgruppe des Abschlussdokuments noch eine schwere Aufgabe bevor.
Unauflösbarkeit positiv sagen
Mehrfach fordern Sprachgruppen eine „positive Sprache“ in Bezug auf die Unauflösbarkeit der Ehe. Diese solle weniger „juristische“ sein, so Anglicus B. Wiederholt wird auch eine klare Formulierung der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie gewünscht. Gallicus B mit dem Moderator Kardinal Robert Sarah hat beinahe wortgleich eine Forderung aus seinem Bericht zum ersten Teil wiederholt, in dem es um eine „Intervention des Lehramts“ geht, um die aktuelle theologische und kirchenrechtliche Lehre kohärenter und einfacher darzustellen. Jegliche Form der Zweideutigkeit sollten im Abschlussdokument vermieden werden, fordert diese Gruppe. Verschiedene Sprachgruppen wünschen sich stärkere Akzente in Bezug auf das spirituelle Leben der Familie, die Bedeutung des Sonntagsgottesdienstes für das Familienleben.
Die Diskussionen sind intensiv und der ganze Prozess ist auch etwas ermüdend, so Kardinal Nichols beim Briefing. Dabei ist bei der Synode erst Halbzeit. Wie Kardinal Philippe Nakellentuba Ouédraogo aus Burkina Faso sieht Nichols keine Blockierung der Synode, weder in den Kleingruppen noch im Plenum. Vielmehr gebe es sehr viel Kreativität. „Die Hermeneutik des Konflikts ist nicht der Weg, dem wir folgen“, so Nichols. Der Papst habe die Synodenväter aufgefordert, frei zu sprechen, weil Franziskus ganz genau um seine Position wisse. Nichols zeigte sich zuversichtlich, dass der Papst den Prozess zu einem guten Ende bringen werde. „Er ist der Einzige, der das tun kann“.
Statement von Bischof Bode im Plenum
Die Deutsche Bischofskonferenz hat gestern auch den Beitrag von Bischof Franz-Josef Bode veröffentlicht, den der Osnabrücker Bischof am Samstag im Plenum gehalten hatte. Dieser deckt sich im Grundton mit Teilen des Abschlussberichts der deutschen Sprachgruppe. Der Bezug zur Bioagrafie beim kirchlichen Handeln, so Bode, „ist nicht eine pastorale Strategie oder ein methodischer Kunstgriff“. Vielmehr sei der „Bezug zur individuellen Lebensgeschichte selbst Teil der kirchlichen Lehre“. Bode fordert, den anderen so anzunehmen, „wie er ist, ohne ihn zu verurteilen“.
Der Bericht der deutschsprachigen Gruppe wurde am Mittwoch vor der Kaffeepause verlesen. Er hat Eindruck hinterlassen. Der Zirkel muss allerdings aufpassen, dass er am Ende nicht als besserwisserisch wirkt. Andererseits ist es auch legitim, das Pfund des theologischen Sachverstands, der nun einmal in der Gruppe liegt, auch zu nutzen.
6 Kommentare
Was die gelebte Sexualität außerhalb einer sakramentalen Ehe angeht, so könnte es sinnvoll sein, wenn sich die Kirche dazu gar nicht mehr dezidiert äußern sondern dies dem Gewissen des Einzelnen überlassen würde, auch hier ist jede Situation anders.
Im Übrigen können wir als deutschsprachige Kirche wirklich stolz auf unsere hochkarätigen Theologen sein, die EINMÜTIG zu sehr vernünftigen und tiefschürfenden Erkenntnissen aufgrund ihrer theologischen Bildung gekommen sind.
Alleine dadurch sind wir offenbar ein Schwergewicht in der Weltkirche weil die anderen Gruppen theologisch offenbar nicht so gut besetzt sind.
Lieber Herr Erbacher, wie gut es Ihnen gelingt, einen Überblick über die Berichte zu geben, so dass ich mir ein Bild machen kann.Und dies bei dreizehn Arbeitsgruppen!
Ganz froh bin ich über die deutsche Gruppe, da hat sich ein guter Geist eingestellt. Doch die Feststellung: Weil Gott Liebe ist, fallen in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in eins. […] Die Gerechtigkeit Gottes ist seine Barmherzigkeit, mit der er uns gerecht??? macht.“ Warum nicht, mit der er uns barmherzig macht? Gerade darum geht es ja! Typisch deutsch, typisch theologisch. Und sehr subtil an der Position von Franziskus vorbei.
Kardinal Sarah ist ja Moderator seiner Gruppe, denken die denn Alle immer wie er? Das finde ich merkwürdig. Da wird ja nun beständig nach auswendig zu lernenden Lehrsätzen gerufen, von denen ja nicht abzuweichen sei, was ja in der Forderung mündet: Keine Zweideutigkeiten. Ja, bloß keine Prozesse, bloß kein sich auf den Weg machen. Da scheint mir Kardinal Chaput differenzierter zu sein, oder zumindest seine Gruppe ist es.
Eine schöne Anekdote, die Kardinal Capovilla erzählte, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag feiert, er war Sekretär von Johannes XXIII.
„Wir waren im Auto, wenige Tage nach der Wahl. ‚Weißt Du‘, sagte mir der Papst, ‚die Leute treffen sich und diskutieren, um sich zu erneuern (aggiornarsi). Ich glaube die Kirche bräuchte auch so ein Aggiornamento, mit einem Konzil.‘ Ich schwieg. Nach zwei Tagen die gleiche Szene, und zwei Tage später noch einmal: Der Papst machte deutlich, dass er ein Konzil einberufen wolle, und ich schwieg.
Schließlich brach es aus ihm heraus: ‚Ich habe Dir jetzt drei Mal von dieser Idee erzählt, und Du bleibst einfach still. Und ich weiß auch warum: Ich habe das gelernt, als ich Sekretär meines Kardinals war, bei Giacomo Maria Radini-Tedeschi. Wenn ich mit etwas nicht einverstanden war, schwieg ich. Aber Du irrst Dich gleich doppelt: weil du den Papst zu sehr lieb hast, und weil Du nicht demütig bist.
Du hast mich lieb und deshalb willst du mir eine Blamage ersparen: Du glaubst, wenn ich jetzt ein Konzil einberufe, dann bringe ich es nicht bis zu Ende und mache eine schlechte Figur vor der Welt; und du hast zu wenig Demut, weil man Sachen nicht wegen der guten Figur macht, sondern um dem Heiligen Geist zu gehorchen.'“
Zitiert nach Abtpräses Jeremias Schröder
„ist es auch legitim, das Pfund des theologischen Sachverstands, der nun einmal in der Gruppe liegt, auch zu nutzen.“
wie oft hat man schon über die ach so weltfremde, glaubensfeindliche deutsche universitättheologie gelästert. es zeigt sich, wie auf dem ii. vaticanum: sie ist einfach gut – und die deutschen bischöfe zeigen sich theologisch vernünftig beraten. was will man mehr.
„Weil Gott Liebe ist, fallen in Gott Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in eins. […] Die Gerechtigkeit Gottes ist seine Barmherzigkeit, mit der er uns gerecht macht.“
fast möchte man sagen, diese fundamentale einsicht ist banal. aber sie ist genial: gottes eigenschaften sind mit seinem wesen identisch.
so darf es gerne weitergehen!
„Die“ Theologie ist einfach gut? Das ist doch nur die Umkehrung des Satzes „Die Theologie ist glaubensfeindlich und schlecht“. „Die“ Theologie gibt es nicht, ebenso wenig wie „der“ Theologe existiert. Es gibt gute Theologen und schlechte, gute Theologie und schlechte. Merkmale guter Theologie: Klarheit und Einsichtigkeit, Einfachheit in den Begriffen, Logik in ihren Schlussfolgerungen; Merkmale schlechter Theologie: Umdrehung von Begriffen, Unklarheiten und Verschwommenheit, Versuch, glaubensfeindliche Systeme (Gender-Theorien, Marxismus, Frankfurter Schule, Heideggersche Philosophie etc.) in die Theologie zu integrieren mit dem absurden Verweis auf die Integration von Teilen der platonischen, neuplatonischen und aristotelischen Philosophie. Wenn man einen guten Theologen lesen möchte, greife man etwa zu John Newmann. Für die anderen empfiehlt sich Karl Rahner. 🙂
bernardo. Zunächst, wer denn die 10 Gebote begriffen hat, zudem darüber hinaus das Kommen von Jesus Christus.. Für den braucht´s wahrscheinlich keine Theo-logie mehr.
Die Priesterschaft hat und hatte es indes schwer: Unterhalb des (ganz offiziellen) Status der Engel und doch ausgesetzt den ganz gemeinen menschlichen Versuchungen, werden sie keinem Status gerecht. Ein Stand also ähnlich dem der Prostituierten (Scherz!).
Nur diejenigen die vom hehren Wort am wenigsten akkumuliert haben, wähnen dem noch etwas hinzusetzen zu müssen. Genannt halt eben treffend Theo-logen.
Wenn schon anerkannt wird, dass sich die kirchliche Ehelehre „geschichtlich entwickelt und vertieft hat“ ist es doch nur logisch einer durch Epoche und Gesellschaft geprägten Weiterentwicklung die Anerkennung nicht zu versagen, sprich: der veränderten, heutigen Auffassung und Praxis von Ehe und Familie (nicht zu vergessen auch der Homosexualität).
Denn der Begriff „geschichtlich“ impliziert gleichermassen „fortschreitend und nicht endgültig“. Was heute und morgen abläuft oder als Allgemeinzustand betrachtet wird, ist eben übermorgen bereits Geschichte…
– Alles bewegt sich fort und nichts bleibt (panta rhei) heisst es so schön in einem Kommentar zu dem von der Kirche hochgeschätzten Aristoteles…
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