Synodenauftakt: Der Spagat des Papstes
Die Grundwerte lehren und verteidigen, dabei gleichzeitig Barmherzigkeit walten lassen. Das ist für Papst Franziskus der Schlüssel für die Beratungen bei der anstehenden Bischofssynode zu Ehe und Familie im Vatikan. Beim Gottesdienst zum Auftakt der Synode im Petersdom sprach er vom „Drama der Einsamkeit“, das heute viele Menschen durchlebten und legte dar, dass der Mensch „nicht zu einem Leben in Traurigkeit und Alleinsein erschaffen“ sei, sondern um „zu lieben und geliebt zu werden“. Er warnte vor Verurteilungen, so auch bereits gestern Abend bei einer Gebetsvigil auf dem Petersplatz vor einem moralischen Rigorismus. „Wenn wir nicht verstehen, die Gerechtigkeit mit dem Mitleid zu verbinden, werden wir schließlich unnötig streng und zutiefst ungerecht sein“, so der Papst.
Franziskus als Brückenbauer
Papst Franziskus hat zum Beginn der Synode erkennen lassen, dass er Brücken bauen möchte. Der Pontifex will an der traditionellen Lehre nicht rütteln, zugleich ließ er aber klar erkennen, dass er von seiner Idee einer „barmherzigen Kirche“, die trotz aller Regeln auf die Menschen zugeht, nicht ablassen will. Franziskus betonte, dass die Kirche „ihre Sendung in Treue, in Wahrheit und in Liebe“ leben müsse. Treue, das bedeute die Verteidigung der Heiligkeit des Lebens sowie der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe. Wahrheit bedeutet, die Lehre nicht „mit den flüchtigen Moden oder herrschenden Meinungen“ zu ändern. Die Wahrheit bewahre davor, „die fruchtbare Liebe in sterilen Egoismus und die treue Verbundenheit in zeitweilige Bindungen zu verwandeln“.
Ebenso wichtig ist für Franziskus dann aber auch die Liebe. Er warnte davor, „mit dem Finger auf andere zu zeigen, um sie zu verurteilen“. Der Papst erinnerte daran, dass der Sabbat für den Menschen da sei und nicht der Mensch für den Sabbat. Aufgabe der Kirche sei es, „die verletzten Paare zu suchen und mit dem Öl der Aufnahme und der Barmherzigkeit zu pflegen; ein ‚Feldlazarett‘ zu sein mit offenen Türen, um jeden aufzunehmen, der anklopft und um Hilfe und Unterstützung bittet“. Eine Kirche mit verschlossenen Türe verrate sich selbst und ihre Sendung, „und anstatt eine Brücke zu sein, wird sie eine Barriere“.
Steht er in der Tradition der Vorgänger?
Franziskus zitierte seine beiden Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. Damit möchte er verdeutlichen, dass er sich in Kontinuität zu diesen beiden Päpsten sieht. Er will seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die versuchen einen Gegensatz zwischen Franziskus‘ Ansatz und der Theologie der Familie vor allem von Johannes Paul II. aufzubauen. Bei Johannes Paul II. ging er ganz in die Anfänge von dessen Pontifikat zu einer Ansprache an die Laien der Katholischen Aktion/Azione cattolica am 30. Dezember 1978 zurück: „Der Fehler und das Böse müssen immer verurteilt und bekämpft werden, aber der Mensch, der fällt oder einen Fehler macht, muss verstanden und geliebt werden […] Wir müssen unsere Zeit lieben und dem Menschen unserer Zeit helfen.“
Zu Beginn seiner Ansprache legte Franziskus eine kritische Zeitanalyse vor. „Die dauerhafte, treue, gewissenhafte, tragfähige, fruchtbare Liebe wird immer mehr belächelt und angesehen, als sei sie etwas Altertümliches.“ Es scheine, so Franziskus, „dass die am weitesten entwickelten Gesellschaften gerade die sind, die die niedrigste Geburtenrate und die höchste Quote an Abtreibungen, Scheidungen, Freitod, Umweltverschmutzung und sozialer Ungerechtigkeit haben“. Franziskus sprach vom „Paradox eine globalisierten Welt“, in der man viele Wolkenkratzer und Luxuswohnungen sehe, „aber immer weniger die Wärme des Zuhauses und der Familie spüre“. In diesem Sinn gleiche der heutige Mensch dem ersten Menschen Adam: „so viel Macht gekoppelt mit so viel Einsamkeit und Verwundbarkeit“. Mit Verweis auf die biblische Schöpfungsgeschichte ließ Franziskus klar erkennen, dass er getreu der katholischen Tradition von der Verbindung von Mann und Frau ausgeht.
Papst: von Familien lernen
Bei der Gebetsvigil gestern Abend hat Franziskus von der Kirche als einem „offenen Haus“ gesprochen. Er mahnte die Bischöfe „mehr noch als über die Familie zu reden“, fähig zu sein, „von ihr zu lernen“. Franziskus sprach von der „Achtung gegenüber der Situation jedes Einzelnen“. Letzter Maßstab für das kirchliche Handeln und die Diskussionen bei der Synode müsse Jesus sein, von den Regeln, die die Kirche im Laufe ihrer Tradition aufgestellt hat, war hier nicht die Rede. Der Papst forderte die Synodenteilnehmer vielmehr auf, „hinzuhören und sich miteinander auszutauschen, mit festem Blick auf Jesus, der das letzte Wort des Vaters und das Kriterium für die Interpretation von allem ist“.
Brücke, nicht Barriere soll die Kirche sein. Das ist der Wunsch des Papstes. Was das konkret heißt, müssen jetzt die Kardinäle und Bischöfe in den nächsten drei Wochen klären. Danach hat Franziskus das letzte Wort.
8 Kommentare
„Die Grundwerte lehren und verteidigen, dabei gleichzeitig Barmherzigkeit walten lassen.“
Der christliche Grundwert IST Barmherzigkeit. Das hat unser Papst verstanden.
„Steht er in der Tradition der Vorgänger?
Franziskus zitierte seine beiden Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. Damit möchte er verdeutlichen, dass er sich in Kontinuität zu diesen beiden Päpsten sieht. Er will seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die versuchen einen Gegensatz zwischen Franziskus‘ Ansatz und der Theologie der Familie vor allem von Johannes Paul II. aufzubauen.“
mein Gott – was passiert, wenn nicht? paul III. hat einmal gelehrt, dass sklaverei widernatürlich ist und ein jahrzehnt später diese Lehre widerrufen.
gabeln, gaslaternen, die eisenbahn, die halbe note in der musik, religionsfreiheit – all das haben päpste verurteilt. immer auch mit einer rhetorik, als ob durch gabeln, gaslaternen, die eisenbahn, die halbe note oder die religionsfreiheit eine „niederlage der menschheit“ (copyright by p. parolin) droht.
die synode wird nichts bringen, was den dogmen der kirche widerspricht und muss das auch gar nicht. die unauflöslichkeit wäre nicht einmal ein dogma.
es geht darum, menschen in not das heilmittel der unsterblichkeit (die eucharistie) zu reichen. wer das nicht erträgt, soll doch bitte zu den piusbrüdern gehen.
Gut die Rede des Pontifex mehr verstehen als verurteilen zu wollen, doch ein tieferer Ansatz fehlt: Es gibt keine die leichtfertig heiraten oder sich scheiden lassen, abtreiben oder den Freitod wählen. Dahinter stehen Menschen die sich ganz bewußt so entschieden haben, – ohne Kirche. Zumal die Kirche diesbezüglich selbst vor eigenem Scherbenhaufen steht.
So hat sie es offenbar nicht verstanden ´evangelii gaudium´ an die Frau und den Mann zu bringen, die Freude daran ein Geschöpf Gottes zu sein. Im Gegenteil hat sich die Kirche selbst zu einem überwiegend anonymisierten Ritualdienstleistungskonzern mit standardisierten Antworten und -verurteilungen, sowie einer ganz erklecklichen Milliardenbilanz degeneriert, übrigens letzteres entgegen der Lehre jenes Wanderpredigers in der Wüste. Dessen heutige Hirten in Maßanzügen Fragebögen brauchen um Tuchfühlung mit der Gemeinde aufzunehmen.
Dieser Mann Gottes will und muß das ändern. Doch ohne wahrhaft weitere „gute Hirten“, die Ihre Berufung in der Lehre des Nazarener´s und nicht in Brimborium wahrnehmen, das also tun was JC nicht nur in der Aussenderede an die Apostel angemahnt hat, wird er es niemals schaffen.
Gestern habe ich mich kurz mit einem Kirchengemeinderat ausgetauscht, kein Hardliner, der meinte, dass die WvG nicht zur Kommunion zugelassen werden.
liebe silvia,
es ging auch nie darum, ganz allgemein jedeN wiederverheiratet geschiedenen zuzulassen, sondern bestimmte fälle: also nicht den haustyrannen, der unverbesserlich sich in fünfter ehe befindet, sondern die sitzengelassene frau, die endlich die liebe des lebens gefunden hat. und da bin ich sicher: diese menschen werden zugelassen.
Alberto Knox
05.10.2015, 23:45 Uhr
„Bestimmte Fälle“ werden ja heute schon zur Kommunion zugelassen. Insofern ist die headline unter der die Diskussion geführt wird etwas irreführend. Und diejenigen die meinen das gar kein Diskussionsbedarf besteht da es eben schon eine Ausnahmeregelung für alle WvG gibt, die Diskussion also per se überflüssig ist, haben wohl nicht so ganz unrecht.
diese bestimmten fälle heißt sexverzicht. das ist neurotisch. es soll auch geschieden wiederverheirateten der weg zur kommunion gewährt werden, die sex haben. und das mit gutem grunde.
Man hat wirklich den Eindruck, dass sich in unserer Kirche alles nur um Sex dreht.
Wenn man das Ganze mal durchspielt, kann man zu folgendem Ergebnis kommen, nur mal ein Beispiel:
Ein Mann kann seine Frau mit drei kleinen Kindern sitzen lassen ohne Unterhalt zu bezahlen, er kann sogar eine andere Frau heiraten und mit der in Sauss und Brauss leben, so lange er glaubhaft behauptet, dass er mit seiner 2. Frau keinen Sex hat, bekommt er in der Beichte die Lossprechung und darf auch zur Kommunion gehen.
Die verlassene Frau, die nach ein paar Jahren einen neuen Partner findet, der treu und zuverlässig ist und diesen heiratet, gilt fortan als Ehebrecherin und darf nicht mehr zu den Sakramenten gehen.
Noch ein Beispiel:
Ein Priester, egal ob hetero – oder homosexuell, kann eine heimliche intime Liebesbeziehung haben, kann eine Pfarrei leiten, jeden Tag die Eucharistiefeier zelebrieren, im Beichtstuhl anderen das Bußsakrament spenden so lange er seine Beziehung „diskret“ lebt und niemand davon erfährt.
Outet sich der Priester aber und steht offen zu seiner Partnerin und eventuellen Kindern bzw. seinem Partner, ist er sein Amt und damit seine Existenzgrundlage schneller los, als er „Zölibat“ sagen kann.
Also: Kein Sex ist immer gut, heimlicher Sex ist tolerierbar, Normalität und Ehrlichkeit werden bestraft.
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