Kurienreform auf dem Prüfstand

Mit einer Aussprache über die neue vatikanische Kinderschutzkommission sind heute am frühen Abend die zweitägigen Beratungen des Kardinalskollegiums beendet worden. Nach Angaben des Vatikans nahmen am zweiten Tag 164 der 227 Kardinäle (inklusive der neuen Kardinäle) an dem Treffen teil. Am Vormittag standen die Finanzen auf der Tagesordnung. Papst Franziskus hat die ganze Zeit an den Beratungen teilgenommen. Allerdings hat er sich außer mit seinem kurzen Eingangsstatement nicht an der Diskussion beteiligt. Während des zweitägigen Treffens wurde deutlich, dass auch zwei Jahre nach Amtsantritt von Papst Franziskus sehr vieles in Bezug auf eine anstehende Kurienreform ungewiss ist. Franziskus möchte eine möglichst breite Beteiligung und Konsultation. Dieses Vorgehen braucht Zeit, sehr viel Zeit.

Sachliche Diskussion

Das Konsistorium in diesem Jahr birgt weniger Zündstoff als das im vergangenen Jahr. Im Februar 2014 hatten die Kardinäle über „Ehe und Familie“ diskutiert, eingeleitet durch ein Referat von Kardinal Walter Kasper. Der hatte an einer Stelle die Frage gestellt, ob etwa im Umgang mit gescheiterten Ehen und wieder verheirateten Geschiedenen die katholische Kirche ihre Position überdenken sollte. Das führte zu heftigen Diskussionen. Dieses Mal verlaufen die Beratungen unter den Kardinälen ruhiger. Es geht nicht um Kernfragen der katholischen Lehre sondern um organisatorische Dinge.

Die sind allerdings nicht weniger wichtig. Denn bei den Kardinalstreffen vor dem Konklave im März 2013 spielten sie eine große Rolle. Vor allem die Kardinäle aus den Bistümern forderten endlich mehr Transparenz bei den Finanzen sowie ein Ende der Skandale in dem Bereich. Zudem forderten sie effizientere Strukturen in der römischen Zentrale sowie mehr Koordination in der Kurie, aber auch Transparenz bei Entscheidungen. Nach zwei Jahren legte Franziskus ihnen nun das vor, was er bisher umgesetzt hat und was er plant zu tun.

Zwischenbilanz der Finanzreform

Bei den Finanzen wurden bereits einige Fakten geschaffen; auch wenn die neue Finanzarchitektur nur langsam konkrete Gestalt annimmt. Heute Morgen erstatteten die wichtigsten Funktionsträger in diesem Bereich vor dem Kardinalskollegium Bericht: der vatikanische Finanzminister Kardinal George Pell, der Moderator des Wirtschaftsrats, gleichsam der Aufsichtsrat über das Finanzministerium, Kardinal Reinhard Marx, der Chef der Vatikanbank IOR, der Franzose Jean Baptiste de Franssu, und der Malteser Joseph Zahra, der stellvertretender Koordinator des Wirtschaftsrats ist und die so genannte COSEA-Kommission geleitet hatte, die vom Sommer 2013 bis Frühjahr 2014 die neue Finanzarchitektur ausgearbeitet hatte.

Die Inhalte der Berichte wurden nicht veröffentlicht. Auch Vatikansprecher Federico Lombardi teilte keine Einzelheiten mit. Lombardi erklärte, es habe 19 Nachfragen gegeben. Aus den Wortbeiträgen sei eine grundsätzliche Zustimmung zum eingeschlagenen Weg zu erkennen gewesen. Widerstände aus der Kurie gegen die Finanzreform, über die in den vergangenen Tagen italienische Medien berichtet hatten, seien nicht zur Sprache gekommen.

Bunter Strauß an Themen

Überhaupt seien die Beratungen sachlich und konstruktiv gewesen. Das gelte auch für den Donnerstagnachmittag. Da hätten sich 28 Kardinäle zu Wort gemeldet. Neben dem bereits gestern im Blog erwähnten Thema der Subsidiarität und der Frage, welche Aufgaben dezentralisiert werden könnten, hätten einige Kardinäle darauf hingewiesen, dass eine starke vatikanische Zentrale gerade in einem schwierigen politischen oder gesellschaftlichen Umfeld hilfreich sei. Auch die Frage nach einer besseren Koordination innerhalb der Kurie wurde angesprochen sowie das Problem, dass es keine Frauen auf den Entscheidungsebenen der Kurie gebe. Es sei zudem um die internationalen Beziehungen des Heiligen Stuhls gegangen. Es sei darauf hingewiesen worden, dass es eine Behörde brauche, die die Politik des Heiligen Stuhls koordiniere und für eine gewisse Kohärenz sorge. Dies werde gegenwärtig durch das Staatssekretariat geleistet. Auch nach einer Kurienreform müsse es eine koordinierende Stelle geben. Lombardi wies eigens darauf hin, dass dies nicht unbedingt das Staatssekretariat sein müsse.

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, sagte heute gegenüber Radio Vatikan: „Wir Kardinäle haben heute gesehen, Papst Franziskus redet nicht nur von der Reform der Kurie, er ist entschieden, sie durchzuziehen, und er macht es sehr professionell, mit besten Experten, mit viel Beratung und mit Entschiedenheit“, sagte Schönborn. Das habe den Kardinälen viel Mut gegeben, denn: „diese Entschiedenheit in den wirtschaftlichen Angelegenheiten ist natürlich auch ein Spiegelbild und eine Ermutigung im inhaltlichen Bereich, also in den Hauptaufgaben des Heiligen Stuhles, in seinen verschiedenen Aufgabenbereichen der Mission, der Lehre, der Laien etc. Kurz gesagt: Papst Franziskus hat von der Reform der Kurie gesprochen, und zwei Jahre nach seinem Amtsantritt können wir sagen: Er verwirklicht sie wirklich.“ Nach außen hin ist davon allerdings noch nicht sehr viel zu erkennen.

P.S. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. wird morgen am feierlichen Konsistorium zur Aufnahme neuer Bischöfe ins Kardinalskollegium im Petersdom teilnehmen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.