Politischer Papst
Unter Papst Franziskus bekommt der Vatikan auf der politischen Weltbühne offenbar wieder eine größere Rolle. Nicht nur, dass Bergoglio das sozialethische Profil der katholischen Kirche schärft. Er scheint sich auch als Brückenbauer zu betätigen. Unter seiner Mithilfe nähert sich die Eiszeit zwischen Kuba und den USA dem Ende. Das Weiße Haus in Washington sowie Kubas Staatschef Raúl Castro würdigten am Abend die Vermittlerrolle des Papstes. Anfang der Woche hatte US-Außenminister John Kerry zudem im Vatikan vorgesprochen und um Hilfe bei der Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo gebeten. Und noch ein anderes US-Thema stand in dieser Woche auf der vatikanischen Tagesordnung: Gestern wurde der Abschlussbericht der Visitation der US-Frauenorden vorgestellt.
Historische Wende im Verhältnis Kuba – USA
Es ist bereits von einer historischen Wende die Rede angesichts der angekündigten Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Beide Seiten hoben am Anfang die aktive Rolle des Vatikans, neben Kanada, bei den geheimen Verhandlungen der letzten Monate hervor. Nach US-Medienberichten war bereits beim Treffen von US-Präsident Barack Obama mit Papst Franziskus im März dieses Jahres Kuba ein Thema. Der Vatikan teilte am Abend mit, dass Franziskus an die beiden Staatschefs Obama und Castro einen Brief geschrieben habe mit der Bitte, „humanitäre Fragen von gemeinsamem Interesse zu lösen, darunter die Situation von Gefangenen“, um schließlich eine neue Phase der Beziehungen zwischen den beiden Staaten einzuleiten. Im Oktober, so der Vatikan, hätten sich Delegationen beider Länder im Vatikan getroffen. Papst Franziskus sei sehr erfreut angesichts der „historischen Entscheidung“ der beiden Länder, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und im Interesse der jeweiligen Bevölkerung die Schwierigkeiten der jüngsten Geschichte zu überwinden. Der Vatikan werde den Prozess weiter unterstützen.
Eines ist klar: Ein erster Schritt ist gemacht; doch es ist noch ein langer Weg bis zur Normalisierung der Beziehungen. Denn vor allem die Embargo-Frage ist nach Angaben von Kubas Staatschef Castro noch nicht geklärt. Für Papst Franziskus war die Bekanntgabe heute sicherlich eines der größten Geschenke zu seinem 78. Geburtstag. Die Situation der Menschen auf Kuba, die unter dem Wirtschaftsembargo und der politischen Isolation seit Jahrzehnten leiden, dürfte ihm sehr präsent sein. Der Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, gehört zu den Vertrauten des Papstes. Ortega war es, der kurz nach der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst mit dessen Zustimmung die Rede des argentinischen Erzbischofs aus dem Vorkonklave veröffentlichte. Das war jener kurze Redebeitrag, der viele Kardinäle drei Tage vor Beginn des Konklaves erst auf den Erzbischof von Buenos Aires aufmerksam machte. Erinnert werden muss aber auch an die Kubareise von Benedikt XVI. im Jahr 2012. Damals hatte der Pontifex Reformen auf Kuba und ein Ende des Embargos gefordert.
USA bitten Vatikan um Mithilfe
Offen sind noch viele Fragen in Bezug auf das US-Gefangenenlager Guantanamo. Außenminister John Kerry hatte am Montag mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin über die Schließung des Lagers gesprochen und dabei den Vatikan um Hilfe gebeten. Die USA wünschten sich „Unterstützung bei der Suche nach angemessenen humanitären Lösungen für derzeitige Insassen“, berichtete Radio Vatikan nach dem Treffen. Dabei geht es wohl vor allem um die Frage, wo die verbliebenen Gefangenen unterkommen. Hier bittet die USA wohl bei Gesprächen mit anderen Staaten den Vatikan um Hilfe. Außer der Bemerkung, dass der Vatikan die Bemühungen um die Auflösung des Gefangenenlagers begrüße, gab es keinen Kommentar aus der römischen Zentrale.
Bericht zu US-Ordensfrauen
Ausführlich standen gestern hingegen Vertreter des Vatikans und der US-amerikanischen Frauenorden bei einer Pressekonferenz Rede und Antwort über die Visitation, die der Vatikan zwischen 2009 und 2012 bei den US-Ordensfrauen durchgeführt hat. Der Chef der vatikanischen Ordenskongregation, Kardinal Joao Braz de Aviz, stellte das 10-seitige Fazit des Vatikans zu der bisher wohl beispiellosen Aktion vor. Beispiellos vor allem deshalb, weil es sich bei der Visitation nicht um ein Bistum oder eine bestimmte kirchliche Einrichtung handelte, sondern letztendlich um mehr als 400 Einrichtungen und Organisationen mit rund 50.000 Ordensfrauen. Der Bericht schlägt einen versöhnlichen Ton an, auch wenn klar benannt wird, dass die Visitation Unruhe ausgelöst habe und einige Gemeinschaften ihre Zusammenarbeit verweigert hätten. Das Papier stellt klar, dass die Frauenorden „ihre spirituelle Praxis und ihren Dienst sorgfältig prüfen [müssten], um sicherzustellen, dass sie in Einklang mit der katholischen Lehre über Gott, die Schöpfung sowie Menschwerdung und Auferstehung“ sind. Zugleich würdigt der Bericht ausdrücklich die Arbeit der Ordensfrauen im Bildungs- und Sozialbereich. Der Grundton des Berichts ist positiv und auf Dialog ausgerichtet. Die Präsidentin des Dachverbandes der Ordensoberinnen in den USA (LCWR), Schwester Sharon Holland, erklärte daher auch bei der Vorstellung, dass der Bericht von einem „ermutigenden und realistischen Ton“ geprägt sei. Unabhängig von der Visitation gibt es noch das Verfahren der vatikanischen Glaubenskongregation gegen den Dachverband LCWR. Dazu gab es in diesen Tagen keine Neuigkeiten.
Neue Mitglieder für Kinderschutzkommission
Papst Franziskus hat heute die weiteren Mitglieder der vatikanischen Kinderschutzkommission benannt. Es handelt sich dabei um Experten aus allen Kontinenten. Die Kommission zählt ab sofort 17 Mitglieder. Acht von ihnen sind Frauen. Zwei Opfer sind dabei: Marie Collins aus Irland sowie Peter Saunders aus Großbritannien. Aus Deutschland ist der Jesuitenpater Hans Zollner Mitglied in der Kommission. Der Psychologe und Theologe leitet das Zentrum für Kinderschutz der renommierten Jesuitenuniversität Gregoriana in Rom und ist einer der besten Kenner der kirchlichen Situation beim Thema Missbrauch weltweit. Die Kinderschutzkommission trifft sich Anfang Februar erstmals zu einer „Vollversammlung“ unter der Leitung des Bostoner Kardinals und K9-Mitglieds Sean Patrick O’Malley.
P.S. Der Vatikan hat heute die ersten Pilger- und Besucherzahlen für 2014 veröffentlicht. Demnach kamen rund 1,2 Millionen Menschen zu den wöchentlichen Generalaudienzen von Papst Franziskus. Das sind 350.000 weniger als im Jahr zuvor. Bei Benedikt XVI. waren es im zweiten Pontifikatsjahr (2006) gut eine Million Besucher gewesen. Zur letzten Generalaudienz von Franziskus heute kamen mehr als 3.200 Tänzer und gratulierten dem Pontifex mit einem Tango zum 78. Geburtstag.
P.P.S. Es ist übrigens interessant, dass schon einmal ein Papst mit einem Brief in Sachen Kuba einen wichtigen Beitrag leistete: Johannes XXIII. schrieb auf dem Höhepunkt der Kubakrise im Oktober 1962 einen Brief an John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow und versuchte zu vermitteln.