Südkorea – Tag 1: Die Teilung überwinden

Der erste Tag der Reise von Papst Franziskus nach Südkorea stand zu einem großen Teil im Zeichen der Teilung der Halbinsel. Zentrale Worte in seinen ersten beiden Ansprachen auf der koreanischen Halbinsel waren „Frieden“ und „Hoffnung“. „Friede ist nicht einfach das Nicht-Vorhandensein von Krieg, sondern ‚das Werk der Gerechtigkeit‘“, so Franziskus vor Diplomaten und Politiker nach der Ankunft in Seoul. Die Situation in Korea wirke sich auf die „Stabilität der ganzen Region und in der Tat auf die ganze Welt aus, die kriegsmüde ist“. Beim Treffen mit den Bischöfen Koreas erinnerte deren Vorsitzender, Erzbischof Peter Kang U-il, an die vielen Familien, die seit der Teilung des Landes vor 66 Jahren getrennt sind. Er kritisierte ein Wettrüsten in der Region und ein zunehmend nationalistisches Denken der Staaten dort.

Papst fordert Frieden und Versöhnung

Franziskus ist sich bewusst, dass Versöhnung und Frieden nur durch „geduldige Arbeit der Diplomatie“ erreicht werden können. „Es ist die ständige Herausforderung, die Mauern des Misstrauens und des Hasses niederzureißen durch die Förderung einer Kultur der Versöhnung und der Solidarität. Denn die Diplomatie als die Kunst des Möglichen beruht auf der festen und beharrlichen Überzeugung, dass Friede eher durch ruhiges Zuhören und durch Dialog erlangt werden kann als durch gegenseitige Schuldzuweisungen, unfruchtbare Kritik und Zurschaustellung von Macht.“ So stellt sich Franziskus Konfliktlösung vor, nicht nur durch die Politiker und Diplomaten in Korea. Vergangene Ungerechtigkeit solle nicht totgeschwiegen werden, so Franziskus. Sie solle aber durch Vergebung, Toleranz und Zusammenarbeit überwunden werden. „Sie verlangt die Bereitschaft, Ziele auszumachen und zu erreichen, die beiderseitig von Vorteil sind, und so die Grundlagen für gegenseitige Achtung, Verständigung und Versöhnung zu schaffen.“

Franziskus warnt vor Verweltlichung der Kirche

Franziskus kam in seinen Ansprachen auch auf einige andere Punkte zu sprechen. So erinnerte er an die Bedeutung und Wertschätzung der älteren Generation für die Gesellschaft. Er warnte die Kirche in Korea davor, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Vielmehr müsse die Kirche sich den heutigen Herausforderungen stellen. Dazu gehöre auch die Sorge um die Armen und Ausgegrenzten. Ohne die Situation in Südkorea konkret zu benennen, traf Franziskus hier einen empfindlichen Nerv. Denn die Gesellschaft im Land ist gespalten. Die Schere zwischen Arm und Reich geht wie in vielen industrialisierten Ländern immer weiter auseinander. Franziskus mahnte, nicht nur institutionalisierte Caritas zu betreiben. Vielmehr müsse das Schicksal jedes Einzelnen in den Blick kommen.

Schließlich warnte er die Kirche, in einer zunehmend säkularisierten und materialisierten Gesellschaft einen Lebensstil und eine Mentalität zu entwickeln, „die mehr von weltlichen Kriterien des Erfolgs – und tatsächlich der Macht – geleitet sind, als von den Kriterien, die Jesus im Evangelium aufstellt“. Mit Verweis auf sein Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium forderte er die Bischöfe auf: „Ich bitte euch und eure Brüder im priesterlichen Dienst dringend, dieser Versuchung in all ihren Formen zu widerstehen. Mögen wir vor jener geistlichen und pastoralen Verweltlichung bewahrt werden, die den Heiligen Geist unterdrückt, Umkehr durch Selbstgefälligkeit ersetzt und dabei jeden missionarischen Eifer zerstreut (vgl. Evangelii gaudium, 93-97)!“

Franziskus erfindet sich hier in Südkorea nicht neu. Er versucht seine Inhalte und Themen auf die Situation hier vor Ort anzuwenden. Das fängt beim mittlerweile schon traditionellen kleinen Papamobil an und geht bei seinem Einsatz zur Überwindung von Gräben in Kirche, Gesellschaft und dem Land weiter.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.