Das Ringen hat begonnen.

Wie geht es weiter mit der Familienpastoral in der katholischen Kirche? Darüber beraten Bischöfe – und hoffentlich bald auch Laien – bei den anstehenden Synoden im Herbst 2014 und 2015 im Vatikan. Beim zweitägigen Konsistorium der Kardinäle wurde gestern und heute deutlich, dass das Thema heiß umstritten ist –  vor allem was den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen anbetrifft. Das Einführungsreferat von Kardinal Walter Kasper wurde kontrovers diskutiert. Papst Franziskus nahm bei der Versammlung auch die verfolgten Christen sowie die kriegerischen Konflikte weltweit in den Blick.

Papst lobt Kardinal Kasper.

Es ließ schon aufhorchen, als Papst Franziskus heute Morgen vor der Debatte das Wort ergriff und den Vortrag von Kardinal Walter Kasper vom Vortag ausdrücklich lobte. Er habe ihn vor dem Schlafengehen noch einmal gelesen; allerdings nicht um einzuschlafen, so Franziskus. Er wolle Kasper danken, denn er habe in dem Vortrag eine tiefe und sachliche Theologie gefunden sowie einen „sensus ecclesiae“ und eine Liebe zur Kirche. Sicherlich war es Franziskus ein Bedürfnis, dem Kardinal für seine Arbeit zu danken. Schließlich hatte der sehr viel Zeit und viele Gespräche in die Vorbereitung investiert. Selbst den Kontakt zu Benedikt XVI. hatte er in dieser Angelegenheit gesucht. Auch dürfte der Inhalt des Vortrags auf der Linie von Papst Franziskus liegen, doch dass der Papst dem renommierten Theologen derart deutlich den Rücken stärken muss, zeigt, dass die Positionen Kaspers im Kollegium nicht unumstritten sind. Dazu kommt, dass es unter den Kardinälen Stimmen gab, die in der Auswahl Kaspers für den Einführungsvortrag einen Affront gegen Benedikt XVI. sahen. Als Begründung führten sie an, dass es ja Kardinal Joseph Ratzinger gewesen sei, der 1993 den Vorstoß der drei Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Saier, Lehmann und Kasper, zu einer Öffnung bei wiederverheirateten Geschiedenen zurückgewiesen hatte. Kasper ist, von Nuancen abgesehen, weitestgehend bei der damaligen Linie geblieben. Dass er jetzt zum Thema „Ehe und Familie“ reden darf, war manchem ein Dorn im Auge. Kasper selbst versuchte in seinem Beitrag offenbar, soweit bisher der Öffentlichkeit durch Vatikansprecher Lombardi bekannt, mit einer engen Bindung an Texte von Benedikt XVI. und Joseph Ratzinger den Vorwurf zu zerstreuen, es gebe Widersprüche in den Positionen.

In der Tat hatte sich am Donnerstagnachmittag eine ganze Reihe von Kardinälen zu Wort gemeldet, die eine konträre Position zu Kasper vertreten. Dabei zielte die Kritik dem Vernehmen nach unter anderem auf die vorsichtige Öffnung Kaspers beim Thema wiederverheiratete Geschiedene. Mehrere Teilnehmer zeigten sich nicht überrascht von der großen Zahl eher konservativer Wortmeldungen und versuchten dies mit dem hohen Altersdurchschnitt im Kardinalskollegium zu begründen. (44% der 218 Kardinäle sind mindestens 80 Jahre alt) Sie zeigten sich überzeugt, dass die Diskussionen bei den anstehenden Synoden anders verlaufen werden, da dort der Altersdurchschnitt jünger sein werde und der Anteil derjenigen, die konkrete Praxiserfahrung hätten, höher sei. Andere Teilnehmer waren hingegen durchaus überrascht, dass die Bandbreite der Positionen so groß ist trotz der großen pastoralen Not etwa bei wiederverheirateten Geschiedenen vor Ort. Dass der Vortrag von Kardinal Kasper nicht veröffentlicht wird, zumindest vorerst, wussten übrigens viele Kardinäle nicht. Das wurde im Plenum nicht besprochen.

Mit seinem Lob hat sich Papst Franziskus klar positioniert. Kardinal Kasper sieht Spielraum beim Thema wiederverheiratete Geschiedene und der Papst schließt sich ihm an. Das müssen auch die zur Kenntnis nehmen, die bisher jegliche Bewegung abgelehnt haben wie etwa erst vor wenigen Tagen der italienische Kardinal Giovanni Battista Re oder auch Kardinal José Saraiva Martins, der sich nach dem Konsistorium gegenüber Journalisten entsprechend ablehnend zu Änderungen äußerte. Spannend wird sein, wie sich der Präfekt der Glaubenskongregation und designierte Kardinal Gerhard Ludwig Müller verhalten wird. Er hatte in den vergangenen Monaten mit Verweis auf die Tradition betont, dass es keinen Spielraum gebe. Papst Franziskus hat mit seiner kurzen Intervention heute Morgen deutlich gemacht, dass Veränderungen und die „Liebe zur Kirche“ miteinander vereinbar sind. In einem kurzen Schlusswort bezeichnete Franziskus am Abend das Konsistorium als einen wichtigen Schritt auf dem knapp zwei Jahre dauernden Weg der Reflektion über das „Evangelium der Familie“.

Laut Vatikansprecher Federico Lombardi haben insgesamt 69 Kardinäle das Wort ergriffen. Neben der Familienpastoral und hier eben besonders dem Thema wiederverheiratete Geschiedene sei es auch um die christliche Anthropologie in der säkularisierten Kultur, die immer neue Visionen von Familie und Sexualität hervorbringe, gegangen. Lombardi betonte, dass vom Konsistorium nicht ein „einheitliches Ergebnis oder eine einheitliche Orientierung“ zu erwarten sei, sondern es sei eher ein „ermutigender Auftakt für den Weg der Synode“.

Vorbereitungen für Synode im Herbst

Unterdessen werden die Vorbereitungen für die Sondersynode im Herbst immer konkreter. Papst Franziskus gab heute bekannt, dass im Präsidium der Synode die Kardinäle Andre Vingt-Trois (Paris), Luis Antonio Tagle (Manila) und Raymundo Damasceno Assis (Aparecida) sitzen werden. Als Generalrelator hatte der Papst bereits Kardinal Peter Erdö (Budapest) benannt. Sekretär der Synode ist der italienische Bischof Bruno Forte. Der Chef des Synodensekretariats und designierte Kardinal Lorenzo Baldisseri erklärte unterdessen, dass bisher 80 Prozent der Bischofskonferenzen ihre Ergebnisse der Fragebogen-Aktion an den Vatikan geschickt hätten. Eine Expertengruppe werte diese derzeit aus. Sie sollen in das so genannten „Instrumentum Laboris“ der Synode einfließen, das im Mai an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen verschickt werden soll. Diese sind die Mitglieder der Sondersynode im Herbst. Ein Ergebnis der Umfrage ist laut Baldisseri, dass sich Menschen von der Kirche ausgeschlossen fühlten, deren Lebensentwürfe von der offiziellen kirchlichen Lehre abwichen.

Solidarität mit verfolgten Christen

Am Rande des Konsistoriums versicherten Papst und Kardinäle den verfolgten Christen in der Welt ihre Solidarität. Sie erinnerten an die kriegerischen Konflikte im Südsudan, Nigeria, der Zentralafrikanischen Republik und Syrien sowie in der Ukraine. Sie kritisierten dabei, dass die Konflikte oft als religiöse Konflikte beschrieben würden und dabei insgeheim Christen und Muslime als Gegner erklärt würden, obwohl es sich in erster Linie um ethnische, politische oder wirtschaftliche Konflikte handle. Scharf wurde jegliche Form von Gewalt, die religiös begründet wird, verurteilt.

P.S. Die Sammlung der päpstlichen Fußballtrikots ist um ein Exemplar reicher. Am Abend empfing Papst Franziskus noch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, die aus Anlass der Kardinalserhebung des Erzbischofs von Rio de Janeiro, Orani Joao Tempesta, nach Rom gekommen ist. Sie überreichte dem Papst ein Trikot mit der Nummer 10 und einer Widmung des Fußballstars Pelé sowie einen Fußball mit einer Widmung von Ronaldo. Franziskus scherzte daraufhin, dass er mit diesen Geschenken wohl eingeladen werden solle, dafür zu beten, dass Brasilien bei der Fußball-WM Weltmeister werde. Präsidentin Rousseff entgegnete, dass sie schlicht um Neutralität bitte. Franziskus ist ein großer Fußballfan. Argentinien nimmt ebenfalls an der WM im Sommer in Brasilien teil.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.