Im Zeichen des Schirms

Nun ist auch die katholische Kirche unter einen Schirm geschlüpft; allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Rettungsschirm, sondern um den Schirm des Sedisvakanz-Wappens. Der Ombrellino, der gelb-rot gestreifte kegelförmige Seidenschirm, der ursprünglich dem Schutz von kirchlichen Würdenträgern und als Hoheitszeichen diente, ist nun über den gekreuzten Petrusschlüsseln angebracht. Er ziert eigens für die Sedisvakanz aufgelegte Briefmarken der Vatikanpost und wird auch auf eigens geprägten Sedisvakanz-Euromünzen zu sehen sein. Vor den Schaltern der Vatikanpost bildeten sich bereits heute lange Schlangen; die Münzen kommen erst im Mai oder Juni auf den Markt.

 

Einladungsbrief des Kardinaldekans an die Kardinäle - Briefmarken der Sedisvakanz

Einen Schutzschirm könnte die katholische Kirche derzeit allerdings vielleicht gut gebrauchen. Nach wir vor wird heftig spekuliert über die Gründe des Rücktritts Benedikts XVI. und vor allen Dingen den Zustand der Kurie. Viele Beobachter wollen nicht glauben, dass der deutsche Pontifex nur wegen seines Alters zurückgetreten ist. Es gibt immer neue Spekulationen über die Hintergründe der Vatileaksaffäre bzw. Dinge, die damit in Verbindung stehen. Just zum Ende des Pontifikats berichtete jetzt das italienische Wochenmagazin „Panorama“ über eine angebliche groß angelegte Überwachungsaktion im Staat des Papstes. Monatelang habe die vatikanische Gendarmerie Telefone und Emails überwacht und ausgewertet; dazu sei die Videoüberwachung ausgebaut worden. „Big brother“ im Vatikan!? Angeordnet habe dies Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Es war seit langer Zeit bekannt, dass im Rahmen der Vatileaks-Ermittlungen die Gendarmerie auch die Kommunikationsmittel überprüft hat. Vatikansprecher Federico Lombardi stellte zu den Berichten fest, dass es einige wenige Überwachungsaktionen (2 oder 3) unter Aufsicht der Ermittlungsrichter gegeben habe.

Doch was ist mit den Ergebnissen passiert? Wenn, wie in dem Panorama-Bericht angegeben, die Ermittlungsergebnisse der Vatikanpolizei, die mit Sicherheit auch sehr persönliche Daten einzelner Vatikanmitarbeiter und –bewohner enthalten, nicht nur den Ermittlungsrichtern, sondern auch dem ehemaligen Kardinalstaatssekretär Bertone und Innenminister Becciu übergeben wurden, dann bekommt die ganze Aktion natürlich eine besondere Brisanz. Hier zeigt sich einmal mehr die Schwierigkeit, zu der die fehlende ordentliche Gewaltenteilung im kleinen Kirchenstaat führen kann.

In diesen Tagen sind die Stimmen immer mehr Kardinäle zu vernehmen, die bei den Kardinalsversammlungen ab Montag genaue Informationen über die Vorgänge im Vatikan haben möchten. Benedikt XVI. hatte bei seinem letzten Treffen mit der dreiköpfigen Kardinalskommission am Montag zwar verfügt, dass das geheime Dossier der Kardinäle nur vom neuen Papst eingesehen werden dürfe. Er hat den Kardinälen Herranz, Tomko und di Giorgi allerdings gestattet, ihren Mitbrüdern in den Kongregationssitzungen Rede und Antwort zu stehen, wenn sie gefragt werden. So ziehen neben dem Schatten des Missbrauchsskandals auch die dunklen Wolken von Vatileaks über das Konklave.

Benedikt XVI., der emeritierte Papst, hat unterdessen einen erholsamen Tag in Castelgandolfo verbracht – den ersten als Papst in Pension. Gestern Abend hat er sich zusammen mit seinem Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, im Fernsehen die Berichterstattung über seinen letzten Arbeitstag und das Pontifikat angesehen. Er soll ganz zufrieden gewesen sein mit dem, was er da gesehen hat, berichtete heute der Vatikansprecher mit einem Schmunzeln. Nach einer ruhigen Nacht feierte der Papa emeritus heute Morgen um 7 Uhr die Messe. Nach Stundengebet und Frühstück widmete er sich der Lektüre theologischer Bücher. Für den Nachmittag war zum Rosenkranzgebet ein Spaziergang in den Gärten der Päpstlichen Villen vorgesehen. Benedikt XVI. habe auch einige CDs mit klassischer Musik mit nach Castelgandolfo genommen, wusste Lombardi zu berichten. Während der Papst in den letzten Tagen seiner Amtszeit am Abend jeweils Klavier gespielt habe, sei das Musizieren gestern Abend ausgefallen. Stattdessen machte Benedikt einen kleinen Spaziergang durch die Empfangsräume des Apostolischen Palasts mit Blick auf den Albaner See. Im Vatikan versiegelte zur selben Zeit der Camerlengo die Privatgemächer des alten Papstes.

 

Während sich der emeritierte Papst, befreit von der Last des Amtes, in Castelgandolfo erholt, laufen in Rom die Vorbereitungen für die erste Kardinalsversammlung. Am Montag um 9.30h treffen sich alle bis dahin in Rom anwesenden Kardinäle zum ersten Mal. Auch für den Nachmittag ist noch ein Treffen angesetzt. Den Konklavetermin wird es aber frühestens am Dienstag geben, denn, so Pressesprecher Lombardi, die Kardinäle haben viel zu besprechen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.