Überraschend bis zum Schluss

Das war ein Paukenschlag heute Nachmittag um 12 Uhr. Papst Benedikt XVI. tritt zurück. Was niemand richtig wahr haben wollte in den letzten Wochen, ist zur Gewissheit geworden. Der Terminkalender war weitestgehend weiß für dieses Jahr. Jetzt füllt er sich: im März ein Konklave; danach ein neuer Papst, auf den nun viele gespannt warten. Schon wird eifrig über mögliche Nachfolger spekuliert. Doch bis zum 28. Februar bleibt zunächst noch Zeit, auf das zu Ende gehende Pontifikat zurückzuschauen.

Benedikt XVI. gibt am 28. Februar 2013 sein Amt auf. (dpa)

„Wir sind Papst“ titelte am 19. April 2005 die BILD. „Oh mein Gott“ auf schwarzem Hintergrund lautete die Schlagzeile der TAZ . Euphorischer Jubel – und Entsetzen. Schon 2005 bei der Wahl Papst Benedikts XVI. zeigte sich, dass der neue Papst in seinem Heimatland polarisiert. Während die einen hofften, dass Joseph Ratzinger als Papst Reformen anpackt; befürchteten die anderen dass er seine konservative Linie fortsetzt.

Am Tag des Rücktritts standen heute allerdings zunächst einmal die positiven Seiten Benedikts im Vordergrund. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz würdigte Benedikt XVI. als wahren „Pontifex – Brückenbauer“: „Er wollte Brücken bauen zwischen Glaube und Vernunft, Brücken hin zu Gott, Brücken zwischen Konfessionen und Religionen, um so dem Frieden der Welt den Weg zu bereiten und dem Reich Gottes Wachstum zu schenken.“

An einem für Deutschland sehr wichtigen Punkt, der Ökumene, hat das Brückenbauen nicht so geklappt. Hier gab es große Hoffnungen, dass es mit einem Papst aus dem Land der Reformation zu sichtbaren Fortschritten kommen werde. Diese Erwartungen wurden enttäuscht. Benedikt XVI. wollte nicht ein deutscher Pontifex sein, sondern ein Papst für die gesamte Kirche. Seine Ziele: Das katholische Profil schärfen, Verkündigung statt Politik und die Einheit der Kirche – dafür hat er sich den traditionalistischen Piusbrüdern angenähert. Dieser Aussöhnungsversuch hat viele Katholiken verunsichert, denn sie befürchteten, dass Benedikt XVI. hinter die Reformen des II. Vatikanischen Konzils zurückgehen möchte. Sein Versuch, die Gegenwart mit der Geschichte zu versöhnen, war ein gewagtes Unterfangen.

Trotz vieler Schwierigkeiten, Benedikt XVI. genießt durchaus Ansehen auch außerhalb der katholischen Kirche. Er gilt als Intellektueller, sucht das Gespräch mit anderen Religionen und der säkularen Welt. Für Deutschland, so das Fazit heute, war dieser Papst trotz aller Spannungen von großer Relevanz. Bundespräsident Joachim Gauck erklärte: „Für uns Deutsche hat dieser Papst eine besondere Bedeutung. Denn dass ein Deutscher die Nachfolge von Johannes Paul II. antrat, war von historischer Bedeutung für unser Land.“

Historisch – war nicht nur der Anfang, sondern ist auch das Ende des Pontifikats. Künftig wird kein Papst mehr unter dem Druck stehen, der erste seit langer Zeit zu sein, der zu Lebzeiten aus dem Amt scheidet. Ein revolutionärer Akt für die katholische Kirche, den Benedikt XVI. hier vollzieht, vielleicht der revolutionärste seines Pontifikats. Mit seinem Rücktritt hat Benedikt XVI. unter Umständen etwas angestoßen, dessen Tragweite heute noch längst nicht abzusehen ist.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.