Papst Franziskus auf den Philippinen – Tag 4

Über sechs Millionen Menschen haben heute in Manila nach offiziellen Angaben dem Regen getrotzt. Sie feierten mit Papst Franziskus den demnach größten Gottesdienst aller Zeiten. Ort war der Rizal Park in der philippinischen Hauptstadt Manila. Da das Gelände zu klein war, verfolgten viele die Messe an Großbildschirmen auf den Zufahrtsstraßen zum Park oder an zentralen Plätzen der Stadt wie etwa vor der Kathedrale. Franziskus wurde zum Ende der Reise noch einmal sehr politisch. Dazu und zum Treffen mit den Jugendlichen am Morgen gibt es auch Informationen bei heute.de. Mit dem Gottesdienst am Sonntagnachmittag ist der Besuch auf den Philippinen so gut wie beendet. Morgen steht nur noch eine kurze formlose Verabschiedung am Flughafen an und der Rückflug nach Rom – über 14 Stunden Flugzeit – viel Zeit für eine lange Pressekonferenz.

Botschaft an Asien?

Es war ein stimmungsvolles Ende, trotz Dauerregens. Zum Schluss des Gottesdienstes hatten viele Teilnehmer eine Kerze in der Hand und sangen das offizielle Lied des Weltjugendtags 1995 in Manila: „Tell the world of his love.“ Franziskus sandte die Philippiner aus als Missionare nach ganz Asien. Dies war allerdings schon beinahe der einzige Bezug bei dieser Reise, der über die Philippinen hinaus wies. Es ist auffallend, dass sich Papst Franziskus bei dieser zweiten Asienreise innerhalb weniger Monate sehr stark auf die besuchten Länder konzentrierte, während er beim Besuch in Südkorea im August letzten Jahres stärker noch den ganzen Kontinent in den Blick nahm. Dies hing wohl auch damit zusammen, dass der Anlass der Korea-Reise der asiatische katholische Jugendtag war und damit Jugendliche aus über 20 Ländern des Kontinents anwesend waren. Bei dieser Gelegenheit traf er sich auch mit Bischöfen aus ganz Asien und streckte seine Hand in Richtung China aus mit einem Dialogangebot an alle die Länder, die bisher keine diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl unterhalten.

So nahm Franziskus bei dieser Asienreise konkret Sri Lanka und die Philippinen in den Blick; auch wenn viele seiner Aussagen auch über die beiden Länder hinaus Gültigkeit haben. Wie er etwa seine Forderung nach Meinungs- und Religionsfreiheit beim Gottesdienst in Colombo formuliert hatte, erinnerte doch stark an die traditionelle Haltung des Vatikans zu China und Vietnam oder auch mehrheitlich islamischen Ländern: Die Kirche wolle sich am Aufbau der Gesellschaft durch ein Engagement in den Bereichen Bildung und Soziales beteiligen. Einzige „Gegenleistung“, die sie erwartet, ist die Religionsfreiheit und in ihrer Folge auch die Meinungsfreiheit. Verbunden mit dem einfachen Stil des Papstes, lässt Franziskus seine Kirche auf den ersten Blick bescheiden wirken.

Bescheiden, aber politisch

Auch seine Gesten lassen ihn nicht als großen oder gar bedrohlichen Kirchenführer von 1,2 Milliarden Katholiken erscheinen. Als er heute Morgen beim Treffen mit den Jugendlichen von den rund 30.000 wie ein Rockstar gefeiert wird, schreitet er nicht mit den Armen weit geöffnet und erhoben, gleichsam in Starpose, an den Rand der Bühne. Nein, er läuft vom Reisemarschall geführt mit seinen typisch nach unten hängenden Armen nach vorne und hebt nur gelegentlich leicht winkend eine Hand.

Doch man darf sich nicht täuschen lassen. Beim Blick auf die Reden des Papstes, vor allem die auf den Philippinen, wird deutlich, dass dieser Papst ein sehr politischer Pontifex ist. Da hilft es auch nicht, dass er sowohl bei der Ankunft in Sri Lanka als auch bei der ersten Rede auf den Philippinen betont, dass seine Reise pastoraler Natur sei. Ausgehend vom Evangelium wird seine Botschaft hoch politisch. Seine Kritik an Korruption, ungerechten Sozialsystemen und einer Familienpolitik, die versucht, das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen, begründet er biblisch. Doch dadurch verliert sie nicht an Sprengkraft. Und das dürfte Regime wie das in Peking vielleicht wieder etwas zögern lassen, sich wirklich auf diesen Papst einzulassen.

Könnte seine Popularität in der Bevölkerung für die Regierenden gefährlich werden? Nur dann, wenn die lokale Kirche im Franziskusmodus mitzieht. Und das scheint mir auf den Philippinen noch nicht so sehr der Fall zu sein. Nun ist die Situation komplex und meine Kenntnisse der lokalen Situation bescheiden. Doch viele Gespräche hier in diesen Tagen legen den Schluss nahe, dass an vielen Stellen Priester und auch Bischöfe noch eher mit Vertretern der Oberschicht sympathisieren als mit den Menschen an den Peripherien. Oft sind es Ordensleute, darunter viele unter ausländischer Leitung, die entsprechende Einrichtungen unterhalten. Das Projekt für Straßenkinder, das der Papst am Freitag in Manila besucht hat, geht auf eine französische Gründung zurück. Das Armenzentrum in Palo, das Franziskus gestern aufgrund des schlechten Wetters auf der Insel Leyte nur im Vorbeifahren segnen konnte,  wurde von koreanischen Ordensleuten begründet. Wo steht die einheimische Kirche? Sie hat Großes nach dem Wirbelsturm Haiyan geleistet. Das hat Franziskus auch anerkannt. Gleichzeitig hat er sie aber zu einem größeren sozialen – auch politischen  – Engagement aufgefordert.

Mehr Umweltschutz

Zum Schluss noch eine kurze Anmerkung, weil das Thema beim Papstbesuch etwas zu kurz kam und Franziskus es zwar heute für das Treffen mit den Jugendlichen eingeplant hatte, dann aber aufgrund der zum Teil erschütternden Zeugnisse der Teilnehmer frei redete und das Thema dabei nicht zur Sprache kam: der Umweltschutz. Wie schon gestern in Tacloban gilt die Rede heute auch „als gehalten“. Damit gilt auch der Appell zu mehr Umweltschutz des Papstes. Die Philippinen würden voraussichtlich mehr als andere von den Folgen des Klimawandels betroffen, so Franziskus. Vor allem müssten Christen als „Verwalter von Gottes Schöpfung“ auftreten. „Wenn wir unsere Wälder zerstören, unseren Erdboden verwüsten und unsere Meere verseuchen, verraten wir diese hohe Berufung“, schreibt der Papst. Umweltschutz bedeute mehr als nur sauberere Produkte zu kaufen oder „gebrauchtes Material der Wiederaufbereitung zuzuführen“.

P.S. Am Mittag traf sich Papst Franziskus in der Nuntiatur in Manila mit dem Vater und dem Onkel von Kristel Mae Padasas. Die 27-Jährige war gestern beim Gottesdienst in Tacloban ums Leben gekommen. Ein Telefonat mit der Mutter kam nicht zustande, da sie auf dem Weg von Hongkong nach Manila war. Bereits am Morgen hatte Franziskus beim Jugendtreffen mit einer Schweigeminute sowie Gebeten der Verstorbenen und ihrer Eltern gedacht.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.