Familiensynode: Pastorale Wende fortsetzen

Der Vatikan hat heute die Lineamenta für die Bischofssynode im Oktober 2015 vorgestellt. Es handelt sich zum großen Teil, wie bereits vom Papst selbst angekündigt, um den Abschlussbericht der Außerordentlichen Synode, die Relatio Synodi, vom Oktober dieses Jahres. Allerdings gibt es zusätzlich noch 46 Fragen und einige erläuternde Worte, die durchaus eine Weichenstellung erkennen lassen. Da ist von einer „pastoralen Wende“ die Rede, die mit dem Treffen vom vergangenen Oktober begonnen habe und die es fortzusetzen gelte. Es müsse alles vermieden werden, dass in den Diskussionen zwischen den beiden Synoden und beim Treffen im nächsten Oktober „wieder bei Null angefangen wird“. Wie die Bischofskonferenzen jetzt mit den Lineamenta umgehen, legt der Vatikan nicht fest.

Richtungsweisende Fragen?

Die 46 Fragen, die das Synodensekretariat der Relatio Synodi beigefügt hat, sollen die Rezeption des Dokuments erleichtern und helfen, die dort angesprochenen Themen zu vertiefen, um auf dem synodalen Weg fortzufahren, so der Vatikan. Die Fragen sollen letztendlich dazu führen, dass die Diskussionen im nächsten Jahr noch konkreter werden. Mehrfach wird nach den konkreten Konsequenzen bestimmter Aussagen der Relatio gefragt bzw. nach Handlungsoptionen für ein dort angesprochenes Thema. „In welche Richtung soll man sich bewegen? Was sind die möglichen Schritte?“, heißt es etwa zum Thema wiederverheiratete Geschiedene (Punkt 52) verbunden mit der Feststellung, dass die Pastoral in Bezug auf die Sakramente einer Vertiefung bedürfe unter Berücksichtigung auch der orthodoxen Praxis und der Unterscheidung „zwischen einem objektiven Zustand der Sünde und mildernden Umständen“.

Interessant sind die wenigen Sätze zum Thema Homosexualität. Die dazu gestellten Fragen konzentrieren sich auf den Umgang mit Familien, in denen Homosexuelle leben. Das liegt ganz auf der Linie, wie auch Papst Franziskus in seinem Interview mit La Nacion am Sonntag betonte, dass es in der Synode nicht um die Homoehe gegangen sei, sondern um die Frage nach den betroffenen Familien. Allerdings stellt in dem heute veröffentlichten Text der Einleitungssatz zur Frage fest, dass die Pastoral für Homosexuelle heute vor „neue Herausforderungen gestellt ist“ aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen. Damit wird das Thema wieder etwas geöffnet.

Auffallend ist, welche Bezugspunkte genannt werden für die künftige Diskussion: das II. Vatikanische Konzil und das Lehramt, sprich die Aussagen von Papst Franziskus. Mehrfach wird in dem der Relatio beigefügten Text an Evangelii gaudium erinnert. Und auch wenn in der Relatio der Begriff „Gradualität“, der ja während der Synode durchaus kontrovers diskutiert wurde, nicht mehr auftaucht, wird in den Lineamenta mit einem Zitat von Franziskus an dieses Denkmodell erinnert: „Daher muss man, ohne den Wert des vom Evangelium vorgezeichneten Ideals zu mindern, die möglichen Wachstumsstufen der Menschen, die Tag für Tag aufgebaut werden, mit Barmherzigkeit und Geduld begleiten.“ (EG44)

Der begleitende Text würdigt mehrfach die Paare, die ihre Ehe treu dem katholischen Ideal leben, und er stellt konkrete Fragen, wie die Lehre der Kirche besser vermittelt werden kann. Damit soll auch deutlich gemacht werden, dass es nicht nur um die Probleme geht, sondern ebenso um die positive Sicht von Ehe und Familie sowie die Frage, welche konkreten Hilfen zur Vorbereitung und Begleitung möglich sind.

Wer darf mitdiskutieren?

Bis 15. April 2015 haben die Bischofskonferenzen, die Römische Kurie und die Orden Zeit, ihre Anmerkungen zu den Lineamenta sowie die Antworten auf die 46 Fragen beim Synodensekretariat einzureichen. Dieses stellt dann das Instrumentum Laboris, das Arbeitspapier für die Synode im Oktober 2015 zusammen. Der Vatikan schlägt vor, die Lineamenta in den „verschiedenen Komponenten der Ortskirchen sowie den akademischen Einrichtungen, Organisationen, Laiengremien und anderen kirchlichen Instanzen“ zu diskutieren, um „eine weite Konsultation über die Familie“ entsprechend dem „Geist des synodalen Prozesses“ zu fördern. Ausdrücklich wird betont, dass die Fragen helfen sollen, einen gewissen Realismus in der Reflektion der einzelnen Bischofskonferenzen zu erreichen und gleichzeitig zu verhindern, dass die Antworten sich auf eine Pastoral konzentrieren, die nur aus der Lehre abgeleitet ist.

Die Lineamenta rufen noch einmal ganz deutlich den pastoralen Ansatz von Papst Franziskus in Erinnerung. Es scheint, als habe es dafür einen Grund gegeben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatte unmittelbar nach der Abstimmung über die Relatio synodi etwas konsterniert festgestellt: „Der Papst schreibt andere Texte“. Dem Synodensekretariat scheint das auch aufgefallen zu sein. Die ergänzenden Erläuterungen lassen diesen Schluss zu. Und da bekannt ist, dass Franziskus die Arbeit des Synodensekretariats aus nächster Nähe begleitet, sprich auch an Sitzungen teilnimmt, dürfte ihm das auch persönlich ein Anliegen gewesen sein. Ob das allen Synodenvätern so passt, ist eine andere Frage. Sicher werden sich einige wundern, in welche Richtung der Fragenkatalog mit seinen begleitenden Erläuterungen jetzt weist.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.