Ist der Knoten geplatzt?

Die katholische Kirche ist jung. So sah es in diesen Tagen in Rom aus. Mehrere hunderttausend Jugendliche aus über 140 Ländern waren in die Ewige Stadt gekommen, um ihre Heilig Jahr-Feier zu begehen. Es wurde viel gebetet, auf dem Circus Maximus beichteten Tausende und überall in der Stadt wurde gefeiert. In dieses Glaubensfest tauchte am Wochenende auch der neue Papst ein. Freundlich lächelnd und segnend fuhr er lange durch die Reihen. Seine Ansprachen waren eher schwere Kost für die Zuhörenden. Es wirkte, als beeindruckte die Masse an Menschen den neuen Pontifex. Nur langsam schien er Sicherheit zu gewinnen.

Am Ende wirkte Leo XIV. sichtlich erleichtert. (Quelle: action press)

Eine gute und eine weniger gute Nachricht

Die gute Nachricht ist, dass für das Gelingen eines katholisches Weltjugendtreffen egal ist, wer Papst ist. Ob Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus oder jetzt Leo XIV. – die Bilder gleichen sich ein ums andere Mal. Die Jugendlichen feiern ihren Glauben und sich selbst. Sie jubeln dem Papst zu, der eben gerade im Amt ist. Es ist weniger die Person, eher die Institution, die für sie wichtig scheint. Eine Person, die ihnen Mut macht, die ihnen Perspektiven eröffnen will für eine Zukunft in einer friedlicheren und gerechteren Welt und die ihr Amt entsprechend einsetzt, den Mächtigen ins Gewissen redet und den Jungen zuspricht, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können, ja sollen. Je nach Naturell des jeweiligen Papstes machen diese das auf recht unterschiedliche Art und Weise.

Die weniger gute Nachricht ist, das Leo XIV. offenbar noch sucht nach seinem Weg als Papst – auch gut 80 Tage nach der Wahl. Noch immer wirkt er nervös und angespannt, was sich an den Wangenmuskeln zeigt, klebt förmlich am Manuskript bei seinen Ansprachen. Vielleicht war das Weltjugendtreffen für ihn ein großes Lernfeld. Vor einer Million Menschen zu stehen und frei zu sprechen ist nicht leicht, wenn jedes Wort auf die Waage gelegt wird. Er konnte jetzt die Erfahrung machen, dass die Massen im zu Füßen liegen, er es schaffen kann, sie zu dirigieren – wenn er will. Nach dem Gottesdienst am Morgen wirkte Leo sichtlich erleichtert. Schon beim Angelus sprach er mit festerer Stimme, akzentuiert. Bevor er zum Hubschrauber fuhr, ergriff er noch einmal das Wort, sichtlich gelöst, ein Lächeln im Gesicht. Vielleicht ist der Knoten geplatzt.

P.S. Eine Zusammenfassung gibt es auch bei ZDFheute, bitte hier klicken.

 

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Jürgen Erbacher

Seit August 2024 leite ich die ZDF-Redaktion "Religion und Leben", in der die Redaktion "Kirche und Leben katholisch", deren Leiter ich seit Juli 2018 war, aufgegangen ist. Für das ZDF arbeite ich seit 2005 und berichte über Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

23 Kommentare

  • SuNuraxi
    04.08.2025, 0:40 Uhr.

    Ich verstehe ja durchaus, dass den Journalisten und Journalistinnen ein Papst, der ständig Witze reißt, ein Papst, der improvisiert und überrascht (da gibt es dann jede Menge Dinge, die man in das, was er sagt, hineininterpretieren kann), ein Papst der eine Rampensau ist (ist doch Unterhaltung pur) lieber ist als ein Papst, der ernst und nachdenklich ist, der sich genau überlegt, was er sagt und der sich selbst zurücknimmt.
    Ich bin allerdings keine Journalistin.

    • Novalis
      05.08.2025, 18:53 Uhr.

      Das seh ich auch so!

  • Novalis
    04.08.2025, 2:21 Uhr.

    Bei Franziskus beklagte man sich über Kumpelhaftigkeit und Geschwätzigkeit, bei Leo über Distanz und Manuskripte. Also irgendwann wird es wohlfeil. „Die weniger gute Nachricht ist, das Leo XIV. offenbar noch sucht nach seinem Weg als Papst – auch gut 80 Tage nach der Wahl.“ Benedikt XVI. hat ja sieben Jahre und 10 Monate seinen Weg gesucht – und nicht gefunden. Er hätte die
    römische Kurie reformieren können. Hätte er es getan, wäre der Vatikan implodiert. Er hat es nicht getan. Aber eben darum implodierte
    der Vatikan ja 2013 auch. Wegen Untätigkeit.

  • Silvia
    04.08.2025, 17:22 Uhr.

    Ich finde es durchaus sympathisch, wenn der Papst vor großen Menschenmassen noch ein wenig unsicher ist. Das zeigt, dass er auch nur ein ganz normaler Mensch ist.

    Was ich an ihm regelrecht liebe, ist sein herzliches Lächeln, das ist total authentisch.

    • SuNuraxi
      05.08.2025, 21:33 Uhr.

      Es ist nur eines der Dinge, die man an ihm lieben kann.
      Da ist einmal sein „Vorleben“, das zeigt, dass er Nächstenliebe nicht nur predigt, sondern auch lebt, wenn er die Gelegenheit dazu bekommt, und das durchaus auch mit körperlichem Einsatz. Sie haben ja bei einem früheren Artikel erwähnt, dass Sie „León de Perú“ gesehen haben, also wissen Sie, was ich meine.
      Da ist seine Frömmigkeit, die vielleicht für manche schon ein Übermaß annimmt, manchmal sogar für mich, aber ich liebe sie trotzdem.
      Wenn es Sie nicht sosehr nach Unterhaltung religiöser Art giert, sondern nach etwas Authentischerem, dann suchen Sie auf YouTube eine Aufzeichnung des Abendgebets vom 2. August (das, von dem Herr Erbacher gemeint hat, dass es ihm nicht so richtig gelang, die Jugendlichen in seinen Bann zu ziehen). Und stimmt, er hat nicht viel mit den Massen interagiert. Er hat den Jugendlichen nicht lang und breit erklärt, was sie tun sollen, das sie Gott verehren sollen etc.; er hat es ihnen gezeigt: Er ist tatsächlich eine geschlagene halbe Stunde in Anbetung vor dem Allerheiligsten gekniet. Den Journalisten ist dabei natürlich fad geworden.
      Und das ist etwas, was ich am Leo liebe: Er predigt nicht nur, er tut auch selbst das, was er predigt.

      • Silvia
        07.08.2025, 16:43 Uhr.

        Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich liebe auch noch mehr als nur sein Lächeln an ihm. Das Lächeln habe ich nur betont, weil mich das mürrische Gesicht von Franziskus im Laufe der Jahre immer mehr gestört hat.

  • prospero
    06.08.2025, 13:57 Uhr.

    Vor einigen Wochen erschien der Artikel eines italienischen Journalisten in dem er sein Gespräch mit einem anonym gebliebenen Kardinal wiedergab. Dabei erwähnte dieser auch, dass sich Franziskus wenige Wochen vor seinem Tod spontan über seine Nachfolge geäußert hätte: „Nach mir wird der Amerikaner kommen. Er wird das Beste für die Weltkirche sein“. Im vierten Wahlgang gaben ihm dann angeblich 107 von 133 Kardinälen ihre Stimme.

    Sollte dies nun den Tatsachen entsprechen, dann mag man durchaus die Fortsetzung der „Politik“ seines Vorgängers erwarten – auch wenn noch etwas dauern sollte, bis er seinen definitiven Weg findet. Vergessen wir auch nicht, dass Prevost 2023 an eine Stelle im Vatikan gesetzt wurde, für die man normalerweise „altgediente“ Kardinäle beruft.Es besteht wohl kein Zweifel, dass diese Entscheidung auch im Blick auf Kandidaten für seine Nachfolge unmittelbar von Franziskus selbst gekommen sein dürfte

  • Silvia
    06.08.2025, 14:57 Uhr.

    Dass der Papst sich ans Manuskript hält, halte ich für vernünftig. Franziskus diesbzgl. Abweichungen mussten immer wieder von seinem Sprecher korrigiert werden, was nicht ganz unproblematisch war.

    • SuNuraxi
      06.08.2025, 19:02 Uhr.

      Sehr richtig. Außerdem lässt man offenbar vielen Moderatoren von Fernsehsendungen etc. schon vorab eine Übersetzung der Rede oder der Homilie zukommen. Das merkt man daran, dass der Moderator manchmal schon „übersetzt“ hat, Sekunden bevor es vom Papst im Original kommt. Abweichungen vom Manuskript würden viele Moderatoren wahrscheinlich ziemlich in die Bredouille bringen, denn die sind ja nicht als Simultandolmetscher ausgebildet.

      (Übrigens ein Danke an die Moderation (in einem anderen Sinn gemeint als oben): Ich finde es schön, dass nicht mehr eine Woche oder so gewartet wird, bis die neuen Postings veröffentlicht werden. Auf diese Art kann dann doch wieder eine spannende Diskussion entstehen, so wie es früher einmal war. Eine Verlängerung der 9-Tage-Frist, bis zu der man diskutieren kann, wäre auch wunderbar. Natürlich kann man Kommentare nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zulassen, aber 2 oder 3 Wochen wären schon cool.)

  • prospero
    07.08.2025, 15:38 Uhr.

    Man liest hier eigentlich nur Kritik an Franziskus, seiner Person und seinem „Benehmen“. Natürlich war er wie wir alle in erster Linie Mensch mit allen Unzulänglichkeiten und viele (fast immer im deutsprachigen Raum) betrachten sein Pontifikat als gescheitert und Enttäuschung, da er ihre zum Teil vollkommen überzogenen Forderungen nicht erfüllen wollte oder konnte…

    Sehen wir mal wie das Urteil über Leo in absehbarer Zeit (damit meine ich in den kommenden ein bis zwei Jahren) lauten wird. Ich kann mir schon heute denken, dass viele, die den Amerikaner auf dem Papstthron heute hochjubeln mit vernichtender Kritik nicht gerade sparsam umgehen werden.

    • Novalis
      07.08.2025, 19:45 Uhr.

      Ja, das ist natürlich superpeinlich, wenn aus einem konzentrierten Gesichtsausdruck auf eine mürrische Haltung geschlossen wird. Und man dann nicht einmal merkt, dass das Problem nicht bei Franziskus liegt, sondern bei denjenigen, die das stört. Das ist natürlich ärgerlich – weil man sich da selbst zum Maß der Dinge, vor allem der katholischen aufschwingt. Man kann das einfach auch mit einem Wort benennen: Selbstgerecht.

      • prospero
        08.08.2025, 20:28 Uhr.

        @Novalis

        Absolute Zustimmung !!!!

        • Novalis
          12.08.2025, 17:57 Uhr.

          Franziskus ist für manche eben nicht gut genug, weil er Franziskus war. Dieser Papst hat wenigstens von sich selber gesagt, er sei ein Sünder. Anderen wird das schwerfallen.

      • Silvia
        09.08.2025, 11:22 Uhr.

        „Superpeinlich“ ist lediglich Ihre Interpretation meines Beitrags, der unter Meinungsfreiheit einzuordnen ist und der, wie jeder, der vorurteilsfrei liest, unschwer als rein subjektiv von mir gemeint erkennen kann.. Niemand muss diesen Eindruck von mir teilen aber als Meinungsfreiheit akzeptieren.

    • Maria
      08.08.2025, 18:28 Uhr.

      Dem stimme ich gerne zu – und befremdlich ist für mich, dass sich die permanente Kritik an Franziskus vorwiegend an Nebensächlichkeiten aufhängt: Gesichtsausdruck, Abweichungen vom Manuskript usw. Total ausgeblendet wird, was er in all den Jahren, gegen viele Widerstände, geleistet hat. Ich bin überzeugt davon, dass er der Kirche gut getan hat.

      • Novalis
        12.08.2025, 17:55 Uhr.

        Das bemerken Sie ganz richtig. Da wird wegen einer Fußnote gemosert – obwohl Rom seine Revolutionen immer in Fußnoten versteckt. Gleichzeitig erklärt man sich zum Maß der Dinge und zum exzellenten Theologen, der/die besser Bescheid weiß in theologischen Sachfragen und Kirchenpolitik, als die, die das wirklich studiert haben. Gut, es gibt auch Leute, die überleben einen Schamanen und meinen dann, er sei ein guter Arzt.

  • SuNuraxi
    07.08.2025, 23:18 Uhr.

    Wo bleibt Wanda?
    Ich will endlich wieder mit jemandem streiten! (Mit Novalis geht es ja nicht mehr so recht, denn zumindest beim Thema „Leo“ scheinen wir uns einigermaßen einig zu sein.)

    • Silvia
      08.08.2025, 8:21 Uhr.

      Ich vermisse Wanda auch.

    • Wanda
      08.08.2025, 19:41 Uhr.

      Diskussionen machen nur Sinn, wenn sie nicht unterbrochen werden (wie 29.06. 2025). Zu meiner Grundeinstellung: meine Kritik richtet sich gegen die Amtskirche und ihre Repräsentanten, welche die auch heute noch revolutionären Ideen des Menschen Jesus oft in’s Gegenteil verkehren. Ich habe keinen Gottglauben sondern kenne nur eine Gewißheit: von 100 Menschen sterben 100 und was mich physisch und psychisch ausmacht hat, zerfällt irgendwann wieder in seine Urstoffe. Wie diese dann in erneut bewirkten Fusionen und Interaktionen zu belebter oder unbelebter Materie zusammenfinden, ist eine Frage, die in den Bereich der Elementarphysik fällt. Dieses Wissen verleiht mir Ruhe und nimmt mir jede überflüssige Besorgnis: was kommt danach und wie mag es weitergehen ? Und noch etwas: glaube, wer glauben will. Mir jedenfalls ist folgende Frage zugleich Antwort: „Genügt es nicht, daß ein Garten schön ist, ohne auch noch glauben zu müssen, daß Feen darin wohnen?“ P.S. Bin übrigens männlich, stramm über 80, und damit soll es nun aber auch gut sein…

  • Chiara Francesca
    11.08.2025, 19:59 Uhr.

    War selbst dabei, also kann ich ganz gut berichten, wie es war. Leo hat halt einen anderen Stil als Franziskus oder JPII und es stimmt, dass Franziskus‘ Stil vielleicht für Jugendliche etwas ‚einfacher‘ war. Aber:
    1) Die Ansprache am Dienstag, ohne Skript, war für viele Kommentatoren auch ein Höhepunkt dieses noch jungen Pontifikats – dreisprachig, improvisiert, Interaktion mit den Jugendlichen etc. So sehr, dass diese Ansprache von manchen ‚Sonnenuntergangs-Ansprache‘ genannt wird, in Anlehnung an Johannes XXIII’s ‚Discorso della Luna‘.
    2) Die letzten Päpste konnten ihren Job mit Jugendlichen gut. So wie Leo auch. Es ist nicht per se ‚der Papst‘, es ist seine Botschaft. Die jungen Leute sind von Leo begeistert – von seiner Ausstrahlung, seiner ‚gentilezza‘ (wie man so schön sagt), seinem Fokus auf Frieden.
    3) Man braucht nur Leo zu lesen. Vieles was er sagt, findet sich bei Vorgängern, inklusive natürlich Franziskus wieder. Er hat eine wunderschöne Art, sich auszudrücken.

    • Silvia
      12.08.2025, 10:22 Uhr.

      Danke für diesen Kommentar von einer Teilnehmerin des Treffens (Nicht Journalistin). Das vermittelt doch gleich einen anderen Eindruck.

    • prospero
      12.08.2025, 13:55 Uhr.

      @Chiara Francesca
      Bei aller Begeisterung – aber jeder Vergleich mit Johannes XXIII ist doch wohl etwas hoch gegriffen und ehrlich gesagt unpassend . Da muss Leo noch viel dazu tun, um nur in die Nähe von „il papa buono“ kommen zu können.

      • SuNuraxi
        12.08.2025, 17:48 Uhr.

        Irgendwie ist es auch unpassend, das, was Teilnehmer des Treffens (= Augen- und Ohrenzeugen) über das Treffen und ihre Eindrücke dazu schreiben, als „unpassend“ zu bezeichnen. Nicht einmal dann, wenn Sie persönlich auch dabei gewesen wären und andere Eindrücke gehabt hätten. Die Meinung von Chiara Francesca wäre sogar in diesem Fall nicht unpassend gewesen, sondern nur anders als die Ihre. Aber Sie waren ja nicht einmal dabei…

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