Rücktritt completed
2013 war ein historischer Moment, als erstmals seit 700 Jahren wieder ein Papst zurückgetreten ist. Die Tage jetzt sind aber nicht weniger historisch. Denn erst mit dem Tod des Zurückgetretenen lässt sich bewerten, ob das Projekt „Papstrücktritt“ wirklich gelungen ist. Die aktuelle Situation ist ähnlich heikel wie 2013. Das lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, wie tastend sich der Vatikan vorwärtsbewegt. Viele Informationen über das Prozedere gibt es nur scheibchenweise. Einerseits muss der Tatsache Tribut gezollt werden, dass Joseph Ratzinger Papst war, andererseits muss der Unterschied deutlich werden, dass nicht der amtierende Pontifex verstorben ist, es keine Sedisvakanz gibt. Hinter den Kulissen wird im Vatikan hart gerungen um den richtigen Weg. Während beim Rücktritt vieles noch in Benedikts Hand lag, müssen jetzt andere entscheiden, wo es lang geht.
Rücktritt braucht Regeln, aber wann?
Es mutete naiv an, als Franziskus kurz vor Weihnachten in einem Interview sagte, dass er sich bisher keine Gedanken über die Regelung eines Papstrücktritts gemacht habe. Entsprechende Forderungen waren schon 2013 laut geworden, weil viele das Prozedere des Rücktritts von Benedikt XVI. hinterfragten. Muss es nicht eine offizielle Zeremonie zum Abschluss des Pontifikats geben, statt eines Hollywood-ähnlichen Hubschrauberflugs nach Castelgandolfo? Sollte der Zurückgetretene nicht seinen Papstnamen und die weiße Soutane ablegen, um nicht die Idee aufkommen zu lassen, dass es zwei Päpste gebe? Viele weitere Fragen wurden unter Experten und Beobachtern diskutiert. Man hatte schnelle Antworten parat und Kritik am Vorgehen von Benedikt XVI., dass er das Weiß und den Papstnamen behielt, sich als emeritierter Papst bezeichnete und nicht als ehemaliger Bischof von Rom.
Abgesehen davon, dass das Bischofsamt von Rom seit früher Zeit mit dem Papstamt verbunden und damit der ehemalige Bischof von Rom immer zugleich auch ehemaliger Papst ist, zeigen die Tage nach dem Tod von Benedikt XVI., dass eine Antwort auf die Fragen nicht so leicht ist. Der Rücktritt muss vom Ende her gedacht werden. Im Vatikan gab es etwa heftige Diskussionen, ob Joseph Ratzinger in einem lila Gewand bestattet wird, also dem Gewand für ehemalige Bischöfe, oder im roten, das Päpsten zusteht. Die Entscheidung ist gefallen: rot. Benedikt XVI. war Papst. Was wäre gewesen, wenn er nach dem Rücktritt das Weiß und den Papstnamen abgelegt hätte? Hätte man dann mit dem Tod wieder zurückswitchen müssen? Wäre er als Joseph Ratzinger begraben worden? Wenn ja, wo?
Rücktritt erst jetzt komplett
Mit dem Begräbnis wird der Rücktritt vom Prozedere her erst komplett. Vielleicht war es klug, sich nicht zu früh Gedanken über ein Regularium für einen Rücktritt zu machen. Jetzt ist alles einmal „durchgespielt“: die Verkündung des Rücktritts, der Moment des Amtsverzichts, das Neben- oder Miteinander eines emeritierten und eines amtierenden Papstes, schließlich der Tod des zurückgetretenen Pontifex. Es macht sicher Sinn, die Erfahrung dieser Tage mit hineinzunehmen in die Erarbeitung von Regeln. Denn viele Dinge können zwar am Reißbrett entworfen werden, doch manches muss erlebt worden sein, muss gleichsam die Atmosphäre des Vollzugs mit aufnehmen.
Dazu gehören auch Momente, die bisweilen etwas skurril wirken. An Silvester, nur wenige Stunden nachdem ein Papst, ja ein ehemaliger Papst, verstorben ist und der amtierende im Te Deum gerade noch seiner gedachte, lässt sich Franziskus munter lächelnd, die Pilger mit Handschlag hier und Handschlag dort grüßend im Rollstuhl zum traditionellen Besuch der Krippe auf dem Petersplatz schieben. Nur 200 Meter Luftlinie entfernt wird sein verstorbener Vorgänger für die Aufbahrung vorbereitet. Auf manche Beobachter wirkte die Szenerie irritierend. Hatte Franziskus und sein Umfeld die Wirkung schlicht nicht bedacht oder wollte er demonstrativ zeigen, dass der Papst lebt? Vielleicht ist es weniger wichtig eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Möglicherweise ist diese Szene eher ein Beispiel dafür, dass die Situation des Todes eines Emeritus einmal durchlebt werden muss, um den Ordo für einen emeritierten Papst für die Zukunft definieren zu können.
3 Kommentare
Sehr interessante Einordnung und gute Schlussfolgerungen. Mit Blick auf die Farbe des Gewandes (rot) fallen mir allerdings zwei weitere Details auf, die den aufgebahrten Emeritus von einem amtierenden Papst unterscheiden: erstens ist kein Pallium angelegt und zweitens keine Ferula zu sehen. Womöglich also wieder solche kleine Details wie bereits nach dem Rücktritt die fehlende Pellegrina und das fehlende Zingulum an der weißen Soutane. Kenner mögen so etwas bemerken. Für die katholische Öffentlichkeit ist es allerdings zu wenig. Vielleicht hilft ein Blick auf den Umgang der Europäischen Monarchien mit ihren (auch erst seit neuerem auftretenden) abgedankten Monarchen. Auch hier gibt es unterschiedliche Varianten der Titel in den Ländern. Am klarsten sind die Niederländer. Hier ist aus der Königin wieder eine Prinzessin geworden. In Spanien hingegen ist es bei der Königswürde geblieben. Da der Papst allerdings „nur“ ein Bischof ist, wäre der Rücktritt ins Episkopat wohl angemessener. Gleichwohl steht einem besonderen Begräbnis nichts im Wege, da es sich immernoch um ein ehemaliges Staatsoberhaupt und Kirchenoberhaupt handelt. Ich hoffe, dass meine Gedanken nicht zu wirr sind!
Pardon, aber was hätte wohl der Nazarener über diese angeblich „notwendigen“ Regeln, den Firlefanz der Farbwahl des Gewandes, Papstnamen usw. gesagt ? Und das alles in seinem Namen. Ich mag es mir gar nicht erst vorstellen nach seinem Furor bei der Tempelaustreibung aus wesentlich profanerem Grunde…
BENDIKTS AMTSVERZICHT
Mit seinem Amtsverzicht am 11. Februar 2013 ist Benedikt XVI. über sich selbst hinausgewachsen. Er, der die Zukunft der Kirche in einer dezidierten Rückbindung an die Tradition sah, bahnte mit seinem Rücktritt einem moderneren Verständnis des Papstamtes den Weg. Seinen TRADITIONSBRUCH vollzog er paradoxerweise in anachronistischer Form, indem er seine Botschaft in lateinischer Sprache verkündete.
Als Glaubenspräfekt hatte er den Leidensweg von Johannes Paul II. – insbesondere wegen dessen Erkrankung an Parkinson –hautnah miterlebt und kam sicherlich zu dem Schluss, dass es für ihn – wäre er in der Position des Papstes – nicht in Frage käme, den eigenen körperlich-geistigen Verfallsprozess einer medialen Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Zudem hatte er klar vor Augen, dass die katholische Kirche in einer sich rasant verändernden globalisierten Welt auf einen handlungs- und entscheidungsfähigen Papst angewiesen war.
Über die Jahrhunderte war es so, dass im Papstamt Amt und Person ineinander verwoben waren. Mit seinem Rücktritt führte Benedikt die SYMBOLISCH ÜBERHÖHTE, fast mythische PAPSTFIGUR auf ihre Funktion, die Aufgabe des Petrusdienstes zurück. Das Papstamt ist jetzt wieder geerdeter und hat menschliches Normalmaß angenommen.
Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass Benedikt von seinem streng auf KONSERVIERUNG ausgerichteten Kurs abgewichen ist und – spät, aber dennoch – das Prinzip „ECCCLESIA SEMPER REFORMANDA“ (Kirche ist immer reformbedürftig) bestätigt hat. Dabei nehme gerne in Kauf, dass bislang Regularien fehlen und zeremoniell improvisiert werden muss. Ich stimme mit Jürgen Erbacher überein, dass es Sinn macht, erst einmal das Kapitel Papa emeritus abzuschließen, um auf dieser Erfahrungsgrundlage dann „den Ordo für einen emeritierten Papst für die Zukunft definieren zu können.“
Für Franziskus freue ich mich, dass er das Ende seines Dienstes an der Kirche jetzt frei bestimmen kann, denn zwei emeritierte Päpste wären der katholischen Community wohl nicht zuträglich.
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