Mut trotz Unterdrückung und Feindschaft

Am Samstag ist Papst Franziskus als Seelsorger unterwegs gewesen in Bahrain. Am Vormittag machte der den Gläubigen aus der Region Mut, trotz Unterdrückung, Feindschaft und Konflikten sich um ein gutes Miteinander zu bemühen. Es gehe nicht darum, nur von einer geschwisterlichen Welt zu träumen, „sondern uns zu engagieren und bei uns selbst anzufangen, die universale Geschwisterlichkeit konkret und mutig zu leben, im Guten zu verharren, auch wenn uns Böses widerfährt, die Spirale der Rache zu durchbrechen, die Gewalt zu entwaffnen, das Herz zu entmilitarisieren“. An dem Gottesdienst im Nationalstadion von Bahrain nahmen knapp 30.000 Gläubige aus der ganzen Golfregion teil. Am Nachmittag ermutigte er die jungen Menschen der Region, „Vorurteile und ideologische Zäune zu überwinden“ und zu „Säulen der Geschwisterlichkeit“ zu werden, denn die Welt werde nur „in Geschwisterlichkeit eine Zukunft haben“.

Es war der zweite große Gottesdienst eines Papstes auf der Arabischen Halbinsel nach der Messe von Franziskus in Abu Dhabi 2019. (Quelle: Erbacher)

Kette des Bösen lösen

„Immer lieben und alle lieben.“ Dieser Auftrag Jesu an seine Jünger stand im Mittelpunkt der Predigt des Papstes am Morgen im nationalen Sportstadion von Bahrain. Dabei gehe es nicht um eine romantische und sentimentale Liebe, so Franziskus. Jesus sei bewusst, dass das nicht einfach sei. „Und er leidet darunter, wie in unserer Zeit in so vielen Teilen der Welt Macht ausgeübt wird, die sich aus Unterdrückung und Gewalt speist, die ihren eigenen Raum zu vergrößern sucht und dabei den der anderen einengt, ihre Herrschaft aufzwingt, die Grundfreiheiten einschränkt und die Schwachen unterdrückt.“ Einige Beobachter sahen hier einen Hinweis auf die Situation im benachbarten Saudi Arabien. Am Ende der Predigt grüßte Franziskus die Gläubigen ausdrücklich, die von dort zur Messe nach Bahrain gekommen waren.

Auch wenn es Konflikte und Spannungen gebe, müssten die Christen stets nach Frieden streben, mahnte Franziskus. Dieser könne nicht wieder hergestellt werden, „wenn ein böses Wort mit einem noch böseren beantwortet wird, wenn auf eine Ohrfeige eine weitere folgt: Nein, es ist notwendig, solche Situationen zu ‚entschärfen‘, die Kette des Bösen zu lösen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, aufzuhören, Groll zu hegen, sich zu beklagen und sich selbst zu bemitleiden“. Die wahre Herausforderung bestehe daher darin, „dass wir lernen, jeden zu lieben, auch den Feind“.

Fitnessstudio der Geschwisterlichkeit

Auch beim Jugendtreffen am Abend war der Gedanke der Geschwisterlichkeit die zentrale Botschaft des Papstes. Der technische Fortschritt könne die „Stürme der Kriege“ nicht beruhigen, erklärte Franziskus. Die Spannungen und Bedrohungen nähmen zu in vielen Regionen. „Das passiert oft, weil man nicht an seinem Herzen arbeitet, weil man zulässt, dass sich die Entfernungen zu anderen vergrößern, und so die Unterschiede ethnischer, kultureller, religiöser und sonstiger Art zu Problemen und Ängsten werden, die isolieren, statt Möglichkeiten, um gemeinsam zu wachsen.“ Darauf sollten die jungen Menschen mit einem „neuen Traum der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft“ antworten, ermutigte der Papst und verwies dabei auf seine Enzyklika „Fratelli tutti“. Dabei genügten Worte nicht, konkrete Gesten seien gefordert.

Dazu gehöre eine Offenheit, auf andere zuzugehen, sprich die eigene Bubble zu verlassen. Franziskus gab dazu konkrete Fragen an die Hand: „Bin ich offen für andere? Bin ich mit jemandem befreundet, der nicht in meinen Interessenkreis passt, der ein anderes Glaubensbekenntnis und andere Gewohnheiten hat als ich?“ Gesellschaften wie in Bahrain, mit den verschiedenen Glaubensbekenntnissen, Traditionen und Sprachen könnten aus Sicht des Pontifex zu „Fitnessstudios der Geschwisterlichkeit“ werden. Mit Blick auf das benachbarte Asien, das ein Theologe als „Kontinent der Sprachen“ bezeichnet habe, rief Franziskus die jungen Menschen auf: „Ich wünsche euch, dass ihr lernt, die vielen Sprachen in der einen Sprache der Liebe zu harmonisieren, als wahre Champions der Geschwisterlichkeit!“

Kultur der Fürsorge

Eng mit der Geschwisterlichkeit ist die „Kultur der Fürsorge“ verbunden, für die der Papst noch warb. Dabei gehe es zunächst um jeden selbst, dann aber auch um die Mitmenschen, die Gesellschaft und die Schöpfung. Das knüpft an einen Gedanken an beim Ökumenegebet am Freitagabend. Dort hatte Franziskus vom Lebenszeugnis der Christen gesprochen. Glaube sei kein Privileg, das man für sich beanspruche, sondern ein Geschenk, das man miteinander teilen müsse. Er erinnerte an die ersten Christen, die sich durch ihre Fürsorge von der Mehrheitsgesellschaft unterschieden hatten. „Sie lieben alle: das ist das christliche Unterscheidungsmerkmal, das Wesen des Zeugnisgebens“, erklärte Franziskus.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.