Organisierter Ungehorsam

Gleichgeschlechtliche Paare werden gesegnet, Protestanten wird eucharistische Gastfreundschaft gewährt und Frauen predigen, der organisierte Ungehorsam in der katholischen Kirche treibt in diesen Tagen so manchem Bischof und Vatikanvertreter den Schweiß auf die Stirn. Auf der Internetseite der Aktion „Liebe gewinnt“ waren am Montag über 100 Gottesdienste gelistet, in denen sich am Sonntag und Montag Paare ganz gleich welcher sexuellen Orientierung segnen lassen konnten. Am kommenden Samstag werden im Rahmen des 3. Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt konfessionell getrennt Gottesdienste gefeiert, bei denen die Christen anderer Konfessionen zum Empfang des Abendmahls bzw. der Kommunion eingeladen sind. Für den 17. Mai rief die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands zum zweiten Mal zu einem bundesweiten Predigerinnentag auf. Sowohl die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare als auch die Predigterlaubnis für Frauen sind Themen, die im Rahmen des Synodalen Wegs diskutiert werden. Rom möchte Reformen mit einer autoritären Basta-Politik verhindern. Die Laien und auch viele Bischöfe lassen sich das aber nicht (mehr) gefallen.

Wie hier in Baden-Baden fanden an vielen Orten Segnungsgottesdienste statt. (Quelle: dpa)

Weltweit Kritik an Glaubenskongregation

Offiziell kritisierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die Segnungsaktion. Segnungsgottesdienste hätten ihre eigene theologische Würde und pastorale Bedeutung. „Sie sind nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet“, argumentierte Bätzing. Ähnlich äußerte sich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg. Zugleich unterstützen beide das Anliegen. Selbst Bätzing kann sich vorstellen, dass künftig gleichgeschlechtliche Paare in der katholischen Kirche gesegnet werden. Allerdings will er nicht über Demonstrationen dorthin kommen, sondern über einen theologischen Diskurs im Rahmen des Synodalen Wegs. Bätzing und Sternberg möchten zudem eine weitere Verhärtung der Fronten verhindern.

Die unterschiedlichen Positionen der Reformer und der Reformgegnern beim Thema Segnung waren schon vor der Veröffentlichung der Erklärung der vatikanischen Glaubenskongregation vom 15. März klar. Mit der Bekräftigung des Verbots der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften hat Rom eine neue Welle der Empörung und des Widerspruchs hervorgerufen. Dabei kam die Kritik an dem Papier längst nicht mehr nur aus dem deutschen Sprachraum, sondern auch aus Belgien, Australien und den USA. Damit ist auch das Argument wiederlegt, das von Reformgegnern immer wieder vorgebracht wird, es handle sich um deutsche Sonderwünsche und -probleme. Die Themen, die beim Synodalen Weg diskutiert werden, sind auch in vielen anderen Ortskirchen virulent. Entsprechend wird aus dem Ausland aufmerksam beobachtet, was sich in Deutschland als Reaktion auf die vatikanisache Verlautbarung zur Segnung tut.

Basis baut Druck auf

Am kommenden Montag gibt es bereits die nächste Aktion des organisierten Ungehorsams in der katholischen Kirche. Dann werden zum zweiten Mal zwölf Frauen in zwölf Messfeiern predigen. Bereits im vergangenen Jahr hatte die KFD dazu aufgerufen, die Zwölferzahl in Anlehnung an die zwölf Apostel. Der 17. Mai ist der Gedenktag der Apostelin Junia. Am Samstag wird im Rahmen des ÖKTs zwar kein Gemeinsames Abendmahl gefeiert, doch es wird eucharistische Gastfreundschaft gewährt – trotz eines Vetos aus Rom gegen eine solche Praxis. Dass solche Aktionen publikumswirksam möglich sind ohne ernste Konsequenzen für die Handelnden, zeigt, dass sich in der katholischen Kirche etwas bewegt. Vor zehn Jahren wären solche Aktionen nur schwer denkbar gewesen. Da sich die Kirche allerdings nur langsam bewegt, die Menschen ihr aber in Scharen den Rücken kehren, macht die Basis Druck und fordert einen offenen Dialog auf Augenhöhe.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

7 Kommentare

  • Erasmus
    11.05.2021, 3:53 Uhr.

    ZWEI ZÜGE RASEN AUFEINANDER ZU

    Erbacher: Bätzing wolle nicht über Demonstrationen vorankommen, „sondern über einen theologischen Diskurs im Rahmen des Synodalen Wegs.“
    Letztlich geht es um eine Richtungsentscheidung im Hinblick auf die katholische SEXUALLEHRE. Soll diese – unberührt von wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Entwicklungen – so bleiben, wie sie bereits von Thomas von Aquin formuliert wurde, oder bedarf es einer grundsätzlichen Neuausrichtung?
    Aus kurialer Perspektive gibt es allein schon wegen der althergebrachten Top-Down-Struktur nichts zu diskutieren. Der Gläubige hat das oberste Lehramt des Bischofs von Rom ehrfürchtig anzuerkennen und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit zu zollen. (vgl. LG Nr. 25) Darüber hinaus verfolgt das Lehramt eine Immunisierungsstrategie. Denn angeblich hat die Kirche gar keine VOLLMACHT, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen.( Responsum ad dubium)
    Die Katholische Kirche lebt seit über 50 Jahren damit, dass das lehramtliche Verbot der Empfängnisverhütung von den Gläubigen ignoriert wird. Ein solcher Spagat wird im Hinblick auf gleichgeschlechtlich Liebende nicht möglich sein. Wenn das Lehramt nicht bereit ist, mit der DISKRIMINIERUNG von Homosexuellen Schluss zu machen, wird es sich ins anachronistische Abseits katapultieren.
    Rom lässt wie schon mit der „Instruktion zur pastoralen Umkehr der Pfarreien“ so auch mit „Responsum ad dubium“ die Muskeln spielen. Möglicherweise verkennt die Kirchenführung aufgrund von narzisstischer Selbstbezogenheit und Betriebsblindheit die Brisanz der Lage und wähnt sich mächtiger, als sie ist. Der Showdown ist eröffnet

    • Silberdistel
      14.05.2021, 20:36 Uhr.

      ´Interessant´ ihr Hinblick auf die „katholische SEXUALLEHRE“. Welche nach öffentlich bekannt gewordenen, gar inflationär anmutenden Vergehen und Skandalen in eigenen Reihen, dem gläubigen Fußvolk nunmehr als so etwas wie eine Fata Morgana in der Wüste, erscheinen muß.
      Hätte man sich doch besser nur an ausschließlich jene ´Frohe Botschaft´ gehalten, welche der Christus verkündet hat? Und nicht – fast in Zwangsneurose – an das, was einem offenkundig selbst trotz alledem, am allermeisten Probleme bereitet. Man sich von Anfang an deshalb genötigt sah, dies der ´Frohen Botschaft´ unbedingt hinzufügen zu müssen. Schade! Oder?

  • neuhamsterdam
    11.05.2021, 10:05 Uhr.

    „Da sich die Kirche allerdings nur langsam bewegt, die Menschen ihr aber in Scharen den Rücken kehren, macht die Basis Druck und fordert einen offenen Dialog auf Augenhöhe.“
    Es gab mal einen interessanten Rat, von einem schlauen Zeitgenossen, man brauche nur den letzten Absatz des Leitartikels einer wichtigen Zeitung — war es die New York Times? — lesen, um zu wissen was damit wirklich ausgesagt werden soll.
    In der Verkürzung heißt es doch gerne, die Missbrauchsfälle sind DER Grund für die vielen Kirchenaustritte. Ähm, Frauenpredigt und freiwilliger Zölibat soll es richten. Wenn das auch noch organisiert ist, (von wem?, von der Basis natürlich…) dann wird der Effekt nicht lange auf sich warten lassen. Man ahnt es: blühende Kirchenlandschaften.

    • Novalis
      16.05.2021, 8:40 Uhr.

      „Ähm, Frauenpredigt und freiwilliger Zölibat soll es richten. Wenn das auch noch organisiert ist, (von wem?, von der Basis natürlich…) dann wird der Effekt nicht lange auf sich warten lassen. Man ahnt es: blühende Kirchenlandschaften.“
      Soviel falsches Zeug. Frauen predigen bereits (nur halt nicht in der Eucharistiefeier – es ist überhaupt nicht begründbar, warum die Predigt an die Weihe gebunden sein sollte. Wer es kann, der tue es – das gilt vom Gesang in der Kirche ebenso wie von der Auslegung der Schrift. Wer es nicht kann, der lasse es). Wer den Zölibat auf sich nimmt, sollte das freiwillig machen. Die verpflichtende Koppelung an das Amt war mal sinnvoll. Heute allerdings erzeugt sie institutionalisierte Heuchelei wegen der Unmengen an Priester, die masturbieren, Freundinnen und/oder Freunde haben, mit denen sie Sex haben oder zu Prostituierten gehen.
      Im Übrigen braucht es die genannten Änderungen nicht, weil man damit mehr Menschen erreichen will, sondern weil jede*r einzelne authentischer Christ sein soll. Der Sexismus durch die Diskriminierung von Frauen und nichtbinären Menschen ist ebenso unchristlich wie der massive Bruch einee unnötig als Pflicht ausgegebenen, rein menschengemachten Gesetzes (nämlich des Zölibats).

      • Wanda
        18.05.2021, 4:38 Uhr.

        Nun, eine zumal „Heilige“ Schrift, die der Auslegung bedarf, hat den gravierenden Mangel, dass sie nicht nicht klar genug ist. Aber dieses Problem schleppen sogar die besonders geschulten, in der Argumentation kaum zu übertreffenden Weisen der orthodoxen Juden mit sich herum. Trifft natürlich nur für das Alte Testament zu. Und Jesus ? Er kannte kein „Neues“ Testament. Das haben nach ihm (z.T. in recht beträchtlichem zeitlichem Abstand irgendwelche Personen, die man bis heute nicht identifizieren kann, zusammengestellt, d.h. vom Hörensagen. Und wer das Spiel „rheinische Post“ kennt, weiss wie schnell sich ein Ergebnis verändern kann… Keiner der Jesus persönlich kannte, hat etwas über ihn geschrieben und jene die über ihn schrieben, kannten ihn nicht persönlich. Eine Tatsache, daran kann man nichts ändern. Insofern mag man sich überhaupt nicht vorstellen, was da alles angekrustet und angedichtet wurde. Die Kirchenregeln und Dogmen der vom H. Geist „erleuchteten“ Amtsträger des institutionalisierten Kirchenapparates sprechen leider für sich.
        – Ernst gemeinte Frage, aber lassen wir die Konfessionen beiseite: was ist ein authentischer Christ, authentischer Buddhist, authentischer Hindu, authentischer Muslim ? etc. Die Definition interessiert mich brennend !

  • Wanda
    15.05.2021, 15:52 Uhr.

    Franziskus aktuell: „Kindesmissbrauch ist psychologischer Mord“… Aha, und was unternehmen die Kirchenfürsten gegen die Täter in den eigenen Reihen ? Das ist nun leider inzwischen jedem, aber wirklich jedem zum Überdruss bekannt (siehe Köln)…
    Es ist traurig und symptomatisch auch in diesem Blog, dass sich immer weniger Leser an den durchaus kontrovers geführten Diskussionen beteiligen, allerdings auch nachvollziehbar. Ich vermute als Beweggrund „am Dinosaurier Amtskirche ändert sich eh‘ nichts“… Wie soll man das kritisieren ?

    • Maria
      17.05.2021, 9:18 Uhr.

      @ Wanda
      „Aha, und was unternehmen die Kirchenfürsten gegen die Täter in den eigenen Reihen?“
      Sie blenden leider vieles aus oder wollen es bewusst nicht wahrnehmen, was in den letzten Jahren zum Thema Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch in der Kirche geschehen ist.

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