Das Erbe des Papstes!?
Liturgie, Kirche, Offenbarung und der Dialog mit der Welt. Das sind für Benedikt XVI. die großen Themen des II. Vatikanischen Konzils und, wie es scheint, auch seine großen Themen. Denn er hat sie heute in den Mittelpunkt der vorletzten großen Ansprache seines Pontifikats gestellt. Es war ein bewegender Moment heute im Vatikan: der scheidende Bischof von Rom mit seinem Klerus – versammelt zur traditionellen Begegnung am Beginn der Fastenzeit. Langer Applaus, als Benedikt kommt; dann die etwas brüchige Stimme, an einigen Stellen nur schwer zu verstehen. Der Kammerdiener bringt ein Glas mit Wasser. Und dann wirkt die Situation fast so, als erzähle ein Papa oder eher ein Opa seinen Söhnen oder Enkeln von „dem“ Ereignis schlechthin. Es ist ein seltsamer Kontrast: die etwas raue, belegte Stimme und zugleich die Begeisterung, die in ihr liegt, wenn Benedikt XVI. über das II. Vatikanische Konzil spricht. 45 Minuten freie Rede.
Er verteidigt die Liturgiereform, die endlich wieder alte Schönheit und Reichtum entdeckt habe, warnt zugleich aber vor einer Banalisierung. Vor allem die aktive Beteiligung des Volkes Gottes scheint ihm wichtig. Beim Thema Kirche erinnert er an die Reformbewegungen in der Kirche, die es bereits ab den 1930er Jahren gegeben habe. Damals habe man zu Recht formuliert – aus Sicht der Gläubigen – „Wir sind Kirche!“ Diese Vorstellung habe das Konzil dann in eine Ekklesiologie (theologische Reflexion über die Kirche) gießen wollen. Das Schlüsselwort sei Communio. Communio der Gläubigen, aber auch Communio unter den Bischöfen mit dem Papst. Das I. Vatikanum mit seiner fragmentarischen Ekklesiologie von der Unfehlbarkeit, sei komplettiert worden durch das Prinzip der Kollegialität. Ganz wichtig für Benedikt XVI.: Ökumene und interreligiöser Dialog, sowie die Öffnung der Kirche zur Welt. Die Rede war zum Abschied auch noch einmal ein klares Signal an die traditionalistische Piusbruderschaft, dass es ein zurück hinter das Konzil nicht geben kann.
Ein Satz der Ansprache wurde mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen: „Auch wenn ich mich jetzt zurückziehe, bin ich doch im Gebet euch allen immer nahe, und ich bin mir sicher, dass auch ihr mir nahe sein werdet, auch wenn ich für die Welt verborgen bleiben werde.“ Wird sich Benedikt XVI. wirklich völlig zurückziehen? Das mag unter den Journalisten hier niemand so richtig glauben. Das merkt man an den Fragen, die sie beim täglichen Briefing an Pressesprecher Lombardi stellen. Was passiert etwa mit der Glaubensenzyklika, die vorbereitet ist und bis zum 28. nicht mehr veröffentlicht wird? Eines scheint zumindest klar, Benedikt XVI. wird von seinem langjährigen Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, auch nach Castelgandolfo und später in das Kloster im Vatikan begleitet; ebenso von den vier Frauen, die ihm bisher den Haushalt führen. Gänswein behält daneben seinen Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses bei, wird also auch über den Terminkalender des neuen Papstes mitbestimmen. Sein Einfluss an zentraler Stelle bleibt über das Ende des Pontifikats Benedikts XVI. gesichert. Es sei denn, dieser ernennt einen neuen Präfekten.
Das Amt des Präfekten des Päpstlichen Hauses ist eines der wenigen Spitzenämter der Kurie, die mit Eintritt der Sedisvakanz nicht enden. Denn die Leiter der Dikasterien treten mit dem Rücktritt des Papstes automatisch ebenfalls zurück. Der neue Papst ist dann frei, sie wieder einzusetzen; was meistens auch geschieht, aber kein Muss ist. Auffallend ist übrigens für viele Beobachter, dass der Chef der Glaubenskongregation und enge Vertraute Benedikts XVI., Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, nicht ins Konklave mit einzieht. Er nimmt auch nicht an den Beratungen über die Situation der Kirche und ein mögliches Profil des neuen Pontifex teil, die ja in den Kardinalskongregationen, also den täglichen Kardinalsversammlungen, in der Zeit der Sedisvakanz stattfinden. Wenn Benedikt aber schon seit Mitte letzten Jahres wusste, dass er in absehbarer Zeit zurücktreten wird, warum hat er dann den Chef der „Suprema“, der wichtigsten Kurienbehörde nach dem Staatssekretariat, beim Mini-Konsistorium Ende November letzten Jahres nicht zum Kardinal gemacht?
Eine der vielen offenen Fragen in diesen Tagen. Gewissheit scheint es aber über den Beginn des Konklaves zu geben. Pressesprecher Lombardi teilt mit, dass es keinen Anlass gebe, daran zu zweifeln, dass die Kardinäle die Regeln der Wahlordnung einhalten. D.h. zwischen dem 15. und 20. Tag nach Eintritt der Sedisvakanz beginnt das Konklave – also zwischen dem 15. und 20. März. Die Kardinäle bräuchten die Zeit zum Austausch und zu Beratungen, erklärte Lombardi. Spannende Zeiten in Rom und für die katholische Kirche – Ausgang offen!